Bamberg
Flüchtlinge

Abschiebungen nach Afghanistan auch in Bamberg weiterhin umstritten

Der Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan lässt in Bamberg nicht nach. Das Land sei nicht sicher. Junge Afghanen fürchten sich vor einer Rückkehr.
Der 18-jährige Hosein Ali muss fürchten, nach Afghanistan abgeschoben zu werden.  Foto: Enno Jochen Zerbes/Freund statt fremd
Der 18-jährige Hosein Ali muss fürchten, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Foto: Enno Jochen Zerbes/Freund statt fremd
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Die Angst ist ständig da: Am Abend, wenn S. schlafen geht, am Morgen, wenn der 19-Jährige aufwacht. Selbst im Schlaf lässt sie ihn nicht in Ruhe. Die Furcht des jungen Afghanen vor der Abschiebung ist an den Tagen besonders groß, wenn Flüchtlinge ins Flugzeug gesetzt und nach Kabul gebracht werden. Wie am Montagabend wieder am Flughafen in München geschehen. Zum fünften Mal sind afghanische Asylbewerber abgeschoben worden. Seit vergangenem Dezember sind somit insgesamt 107 abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückgeflogen worden.

Unter ihnen waren bereits Flüchtlinge aus Bamberg, die laut Berichten nun zum Teil unter katastrophalen Bedingungen leben. Atiqllah A. soll Anfang des Jahres bei einem Bombenangriff in Kabul verletzt worden sein (wir berichteten).

Laut der Regierung von Oberfranken sind im Zuständigkeitsbereich der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) sechs Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben worden. Acht Ausreisen stünden aus. Die ZAB ist für rund 250 Afghanen (Stand: 1. April) zuständig, die in Stadt und Landkreis wohnen.


Oft als Minderjährige geflohen

Die Abschiebungen haben Auswirkungen auf die Betroffenen: Das Leben der meist jungen afghanischen Flüchtlinge ist in Bamberg von großer Unsicherheit geprägt. Manche tauchen unter, nachdem sie als Asylbewerber abgelehnt worden sind, viele haben offenbar mit psychischen Problemen zu kämpfen, die Suizidgefahr steigt nach Beobachtungen der Helfer an.

Viele afghanische Flüchtlinge kamen als Minderjährige nach Deutschland. So wie S., dessen Angst so groß ist, dass er seinen Namen nicht nennen will. Als Minderjährige durfte er nicht abgeschoben werden. Er ging zur Schule, lernte Deutsch, hatte Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit. Als er volljährig war, wurde sein Asylantrag abgelehnt. Afghanistan gilt größtenteils als sicheres Herkunftsland. Doch diese Einstufung ist umstritten. Mehrere Bundesländer haben bereits einen Abschiebestopp nach Afghanistan verhängt - trotz anderer Vorgaben der Bundesregierung. Bayern ist nicht dabei.

Der Protest gegen Abschiebungen afghanischer Flüchtlinge ist deshalb in Bamberg nach wie vor massiv. Seit elf Wochen organisiert das Netzwerk Bildung und Asyl mit "Freund statt fremd" jeden Montag eine Mahnwache am Gabelmann. Vergangenen Montag, am Abend der Abschiebungen in München, kamen wieder fast 200 Demonstranten.

Unter ihnen ist auch Hosein Ali. Der 18-Jährige erzählt, dass seine Familie einem Stamm angehört, der in einem Tal in der Nähe von Kabul lebt. Die Angehörigen gelten als Feinde der Taliban. Sie müssten um ihr Leben bangen und seien ständig bedroht. Ali flüchtete schließlich nach Deutschland, was ihn im Schlaf verfolgt, so dramatisch muss die Flucht gewesen sein. Nun hat er auch noch andere Alpträume: "Ich träume jede Nacht davon, wie die Polizei in mein Zimmer kommt und mich mitnimmt."

Das, obwohl Hosein Ali nun seit Jahren in Deutschland lebt, einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat und in einem Bamberger Lokal eine Kochlehre machen könnte. Doch darf das der 18-Jährige nicht, da er nur noch geduldet ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat seinen Antrag auf Asyl abgelehnt. Als letztes Mittel blieb ihm die Klage beim Verwaltungsgericht, die er mit Unterstützung des Don-Bosco-Jugendhilfswerks eingereicht hat.


Keine Ausbildung möglich

Janosch Freuding findet die Abschiebepraxis schädlich für die Gesellschaft. Die Flüchtlinge würden, obwohl sie inzwischen Deutsch gelernt hätten und arbeiten könnten, verloren gehen: "Viele stehen jetzt kurz vor ihrer Ausbildung. Es sind mehrere Berufsschulklassen, die ausbildungsreif sind, doch viele Flüchtlinge dürfen nicht in die Ausbildung." Der Berufsschullehrer und seine Mitstreiter vom Netzwerk Bildung und Asyl, Mirjam Elsel (Interreligiöse Fraueninitiative) und Riccardo Schreck, verurteilen die Abschiebungen nach Afghanistan aufs Schärfste. Die Flüchtlinge stünden vor dem Nichts in Afghanistan, seien in keiner Stadt vor Verfolgung der Taliban sicher.

Das sieht man inzwischen auch bei der Stadt Bamberg so. In einem offenen Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Hermann (CSU) fordert die Stadt mit dem Migranten- und Integrationsbeirat sowie der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY) Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.

S. hofft, wie Hosein Ali, dass er bleiben darf. "Ich habe mit 14 fast jeden Tag einen toten Menschen auf der Straße gesehen", schildert S. die Situation in der nordafghanischen Provinz Samangan. Seit fast vier Jahren habe er jetzt keinen Toten mehr gesehen - seitdem lebt S. in Deutschland.

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