Der Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan lässt in Bamberg nicht nach. Das Land sei nicht sicher. Junge Afghanen fürchten sich vor einer Rückkehr.
Die Angst ist ständig da: Am Abend, wenn S. schlafen geht, am Morgen, wenn der 19-Jährige aufwacht. Selbst im Schlaf lässt sie ihn nicht in Ruhe. Die Furcht des jungen Afghanen vor der Abschiebung ist an den Tagen besonders groß, wenn Flüchtlinge ins Flugzeug gesetzt und nach Kabul gebracht werden. Wie am Montagabend wieder am Flughafen in München geschehen. Zum fünften Mal sind afghanische Asylbewerber abgeschoben worden. Seit vergangenem Dezember sind somit insgesamt 107 abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückgeflogen worden.
Unter ihnen waren bereits Flüchtlinge aus Bamberg, die laut Berichten nun zum Teil unter katastrophalen Bedingungen leben. Atiqllah A. soll Anfang des Jahres bei einem Bombenangriff in Kabul verletzt worden sein (wir berichteten).
Laut der Regierung von Oberfranken sind im Zuständigkeitsbereich der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) sechs Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben worden. Acht Ausreisen stünden aus. Die ZAB ist für rund 250 Afghanen (Stand: 1. April) zuständig, die in Stadt und Landkreis wohnen.
Oft als Minderjährige geflohen
Die Abschiebungen haben Auswirkungen auf die Betroffenen: Das Leben der meist jungen afghanischen Flüchtlinge ist in Bamberg von großer Unsicherheit geprägt. Manche tauchen unter, nachdem sie als Asylbewerber abgelehnt worden sind, viele haben offenbar mit psychischen Problemen zu kämpfen, die Suizidgefahr steigt nach Beobachtungen der Helfer an.
Viele afghanische Flüchtlinge kamen als Minderjährige nach Deutschland. So wie S., dessen Angst so groß ist, dass er seinen Namen nicht nennen will. Als Minderjährige durfte er nicht abgeschoben werden. Er ging zur Schule, lernte Deutsch, hatte Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit. Als er volljährig war, wurde sein Asylantrag abgelehnt. Afghanistan gilt größtenteils als sicheres Herkunftsland. Doch diese Einstufung ist umstritten. Mehrere Bundesländer haben bereits einen Abschiebestopp nach Afghanistan verhängt - trotz anderer Vorgaben der Bundesregierung. Bayern ist nicht dabei.
Der Protest gegen Abschiebungen afghanischer Flüchtlinge ist deshalb in Bamberg nach wie vor massiv. Seit elf Wochen organisiert das Netzwerk Bildung und Asyl mit "Freund statt fremd" jeden Montag eine Mahnwache am Gabelmann. Vergangenen Montag, am Abend der Abschiebungen in München, kamen wieder fast 200 Demonstranten.
Unter ihnen ist auch Hosein Ali. Der 18-Jährige erzählt, dass seine Familie einem Stamm angehört, der in einem Tal in der Nähe von Kabul lebt. Die Angehörigen gelten als Feinde der Taliban. Sie müssten um ihr Leben bangen und seien ständig bedroht. Ali flüchtete schließlich nach Deutschland, was ihn im Schlaf verfolgt, so dramatisch muss die Flucht gewesen sein. Nun hat er auch noch andere Alpträume: "Ich träume jede Nacht davon, wie die Polizei in mein Zimmer kommt und mich mitnimmt."
Das, obwohl Hosein Ali nun seit Jahren in Deutschland lebt, einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat und in einem Bamberger Lokal eine Kochlehre machen könnte. Doch darf das der 18-Jährige nicht, da er nur noch geduldet ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat seinen Antrag auf Asyl abgelehnt. Als letztes Mittel blieb ihm die Klage beim Verwaltungsgericht, die er mit Unterstützung des Don-Bosco-Jugendhilfswerks eingereicht hat.
Keine Ausbildung möglich
Janosch Freuding findet die Abschiebepraxis schädlich für die Gesellschaft. Die Flüchtlinge würden, obwohl sie inzwischen Deutsch gelernt hätten und arbeiten könnten, verloren gehen: "Viele stehen jetzt kurz vor ihrer Ausbildung. Es sind mehrere Berufsschulklassen, die ausbildungsreif sind, doch viele Flüchtlinge dürfen nicht in die Ausbildung." Der Berufsschullehrer und seine Mitstreiter vom Netzwerk Bildung und Asyl, Mirjam Elsel (Interreligiöse Fraueninitiative) und Riccardo Schreck, verurteilen die Abschiebungen nach Afghanistan aufs Schärfste. Die Flüchtlinge stünden vor dem Nichts in Afghanistan, seien in keiner Stadt vor Verfolgung der Taliban sicher.
Das sieht man inzwischen auch bei der Stadt Bamberg so. In einem offenen Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Hermann (CSU) fordert die Stadt mit dem Migranten- und Integrationsbeirat sowie der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY) Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.
S. hofft, wie Hosein Ali, dass er bleiben darf. "Ich habe mit 14 fast jeden Tag einen toten Menschen auf der Straße gesehen", schildert S. die Situation in der nordafghanischen Provinz Samangan. Seit fast vier Jahren habe er jetzt keinen Toten mehr gesehen - seitdem lebt S. in Deutschland.
Mehr zum Netzwerk Bildung und Asyl gibt es im Newsletter unter: es.sind.wir@gmail.com
@Oberfranke101 und @adolphcd
ich will weder belehrend noch besserwissend sein. Aber wenn Sie schon fragen, dann will ich Ihnen auch Antworten geben. Grundsätzlich halte ich Ihre Fragen und Einwände für berechtigt. Aber: keine Frau kann allein mit ihren Kindern Afghanistan verlassen. Sie haben kein Geld, sind vom Mann und dessen Familie abhängig, haben vielfach keinerlei Bildung und leben unter dem Diktat der Taliban. Da gibt es kein Entkommen. Vereinzelt gelingt Familien die Flucht. Ansonsten können überhaupt nur junge Männer aus dem Land fliehen. Und was die Bundeswehr in Afghanistan macht, frage ich mich übrigens auch!
Die arabischen Länder nehmen z.B. aus religiösen Gründen keine Flüchtlinge auf. Die Saudis z.B. sind wahhabitische Sunniten, die im Dauerstreit mit Schiiten und anderen Glaubensrichtungen liegen. Selbst wenn Sie und ich (sowohl als Geschäftsmann als auch als Urlauber) als "reiche" Europäer einreisen wollen, kommt man in diese Länder nur mit einem Visum und/oder einem Sponsor (Hotel/oder Geschäftspartner), der Ihre Ausreise auch garantieren muss!! Und mal ganz ehrlich, würden Sie in Auffanglagern in Jordanien oder der Türkei leben wollen, in denen sich Millionen Flüchtlinge auf engstem Raum befinden. Meine Frage geht deshalb auch weiter, wollen SIe in Kasachstan oder Russland leben, wenn Sie eine Alternative hätten?? Krieg hin, Frieden her.
Ja, und ich finde auch, dass abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollten, wenn das Gesetz dies so fordert und die Länder sie zurück nehmen. Aber dann sind wir beim Thema Marokko/Tunesien. Diese sogenannten "Flüchtlinge" haben sicher nicht ein größeres Recht auf einen Aufenthalt in D als Afghanen. Aber die können wir leider nicht zurück schicken.
Es ist schon ein großes Dilemma.
Wieso flüchtet man knapp 7000 km bis nach Deutschland wenn sicher Länder viel näher liegen. Warum sollen Deutsche Soldaten dort für die Sicherheit der Afghanen kämpfen?
Ich habe kein Verständnis für die Aufregung wenn man abgelehnte Asylbewerber wieder nach Hause schickt. So ist nun mal das Gesetz und daran sollte man sich auch halten.
Um Ihre Frage aus dem ersten Satz zu beantworten, hätte es gereicht, wenn Sie sich mal die Lankarte mit den umgebenden Ländern angeschaut hätten. Sind alles tolle Urlaubsländer, wo auch Sie sicher gerne mal hin wollen:
Turkmenistan, Uzbekistan, Tajikistan, Pakistan, Iran, Irak, Syrien, ein Zipfel führt nach China. Alles Länder mit überragender Gastfreundschaft, demokratischen Regierungen, völlig ungefährlich und so reich wie Deutschland.
genau Ihre letzten Worte sind der Beweggrund, nicht Sicherheit in kulturell ähnlichen Nachbarländern Zuflucht zu suchen, sondern, wie Oberfranke101 so treffend bemerkt hat, durch viele Länder bis nach Deutschland zu "fliehen" Weil Deutschland in deren Augen reich ist und bekannt ist für seine Gastfreundschaft.
Übrigens, spätestens in der Türkei wären die meisten bereits sicher, reisen dann aber weiter nach Griechenland und dann durch viele wirklich sichere europäische Drittländer bzw. EU-Länder. Aber weil die Versorgung in diesen Ländern noch nicht genügend "sicher" und gastfreundlich ist, bzw. das Land nicht so wohlhabend wie Deutschland, reist man eben weiter nach Deutschland.
Die Frage, die ich mir immer wieder stelle: fliehen im Krieg nicht eigentlich die Frauen, Kinder und Alten und die Männer verteidigen das Land? Hier ist es eher umgekehrt - die jungen Männer "fliehen" mithilfe der finanziellen Mittel ihrer Familien, die sie im Kriegsland zurücklassen.
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