Wenn die Welt plötzlich Kopf steht

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Für Gregor Samsa (Benjamin Jorns) in seinem Junggesellenzimmer hat sich über Nacht die Welt auf den Kopf gestellt; seine Schwester Greta (Franziska Theiner) versucht vor seiner Tür mit dem verwandelten Bruder Kontakt zu halten: Die gefeierte Aufführung des Theaters Schloss Maßbach von Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" kommt zum Theaterring ins Kurtheater. Foto: Sebastian Worch
Für Gregor Samsa (Benjamin Jorns) in seinem Junggesellenzimmer hat sich über Nacht die Welt auf den Kopf gestellt; seine Schwester Greta (Franziska Theiner) versucht vor seiner Tür mit dem verwandelten Bruder Kontakt zu halten: Die gefeierte Aufführung des Theaters Schloss Maßbach von Franz Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" kommt zum Theaterring ins Kurtheater. Foto: Sebastian Worch

Das Theater Schloss Maßbach hat mit Kafkas "Verwandlung" eine spannende, mitreißende Inszenierung auf die Bühne gebracht.

Wie schön für die Abonnenten des Bad Kissinger Theaterrings, dass der nächsten Aufführung in dieser Reihe für Kissinger und Gäste ein absolut begeisterter Ruf vorauseilt. Und das, obwohl nicht wenige meinen, dass sie mit Kafka und seiner Erzählung "Die Verwandlung" vorher nicht sonderlich viel anfangen konnten. Ein Grund dafür mag die Kafka-typische Sprödigkeit des Textes sein, der sich einer einzigen klaren Interpretation zu entziehen scheint und deshalb offen ist für viele.
"Die Verwandlung" ist eine stark autobiografische Erzählung, eine Metapher für das Judentum, eine sozial- und gesellschaftskritische Schrift, eine grotesk-komische Schrift, fassen Königs Erläuterungen die gängigen zusammen. Gerade diese vielen Leerstellen, die den Leser anregen, sie aus der eigenen Fantasie zu füllen, haben den Text aber auch zu einem der berühmtesten Werke Kafkas und zu einer Herausforderung für Theater- und Filmschaffende gemacht.


Herausforderung angenommen

Und Regisseur Ingo Pfeiffer vom einzigen Theater im nord-unterfränkischen Gebiet mit Eigenproduktionen, der Unterfränkischen Landesbühne Theater Schloss Maßbach, hat diese Herausforderung angenommen und in einer spannenden, mitreißenden Inszenierung auf die Bühne gebracht, was in einer Familie passiert, wenn sich eines ihrer Mitglieder plötzlich bis zur Unkenntlichkeit verwandelt. Bei Kafka heißt es: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt." Dieser Gregor hat bisher als gewissenhafter und erfolgreicher Geschäftsreisender für das leibliche Wohl seiner Eltern und seiner jüngeren Schwester gesorgt; jetzt können sie nicht mehr mit ihm reden, er muss von ihnen versorgt werden. Das Unfassbare ist über Familie Samsa hereingebrochen, und die Zuschauer und der von der Außenwelt isolierte, aber noch immer in einem inneren Monolog über sie nachdenkende Gregor sehen zu, wie die Familie langsam zerbricht.
Bühnenbildnerin Anita Rask Nielsen hat die Geschichte, die ihr Entstehungsjahr 1912 eindeutig als realen Hintergrund für das Irreale darstellt, in dieser Zeit belassen, hat das bürgerliche Wohnzimmer dem Junggesellenraum Gregors vorgelagert und macht es so möglich, die Versuche Gregors, sich selbst, sein Leben wiederzufinden, und die Versuche seiner fast wie Karikaturen aus dem "Struwwelpeter" anmutenden Familie, ihr Leben weiterzuführen, als zwei klar getrennte Schichten, die sich aber ständig überlagern, stören, beeinträchtigen, zu betrachten.
Das hat was von Psychokrimi und Fantasyfilm und lässt dem Mitdenken und Mitfühlen des Zuschauers viel freien Raum. Dafür, dass dabei immer die Person des Verwandelten im Mittelpunkt steht, sorgt die sensationelle schauspielerische Leistung des langjährigen Ensemblemitglieds Benjamin Jorns.
Beim Theaterring im Kurtheater gastieren die Maßbacher mit dieser Aufführung am Freitag, 8. Dezember, um 19.30 Uhr. Karten gibt es vorab in der Tourist-Information Arkadenbau und an der Abendkasse im Kurtheater, per Telefon kann man unter 0971/804 84 44 reservieren, per Internet bei kissingen-ticket@badkissingen.de.