Für den Menschen ist sie ungefährlich, infiziert sich ein Tier, gibt es keine Heilung mehr - die Aujeszkysche Krankheit. Gegen die Ausbreitung der Herpes-Erkrankung hilft nur Vorsorge. Der Landkreis reagiert und will investieren.
"Asko" war an diesem Mittwoch anders als sonst. Der Jagdhund hatte sich in sein Körbchen zurückgezogen und wollte nichts fressen. Zuerst war niemand aus der Familie beunruhigt. "Vielleicht etwas Falsches gefressen", war der erste Gedanke, erzählt Diana Kess aus Untererthal über diesen Tag im November 2013. Doch als ihr Liebling tags drauf schlapp und mit hohem Fieber aufwachte, packten sie ihn ein und fuhren zum Tierarzt.
Dass sie nur noch wenige Stunden mit ihrem "Asko" hatten, ahnte damals keiner.
"Es war ein ganz, ganz dummer Zufall", sagt Diana Kess heute. "Asko" war nur ein paar Tage vor dem Unglück mit ihrem Vater auf einer Drückjagd außerhalb des Landkreises. Alles war wie sonst. Die Jäger hatten einige Wildschweine ins Visier genommen. Eine Sau wurde angeschossen, und der Jagdhund stellte sie.
"Wir wissen nicht, wo er sie berührt hat, aber in dem Moment muss es passiert sein", sagt Diana Kess, die selbst auf die Jagd geht. Erst eine spätere Obduktion am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen gab ihr und ihrer Familie Gewissheit: "Asko" hatte sich bei dem Wildschwein mit der Aujeszkyschen Krankheit angesteckt.
"Pseudowut" wird die Erkrankung auch genannt.
Was für den Menschen ungefährlich ist, endet für Haustiere wie Hunde und Katzen tödlich. Die infizieren sich über den Kontakt mit Blut oder Schleim. Einmal damit in Berührung gekommen, gibt es keine Chance mehr für die Tiere.
"Wir haben sogar ein Therapieverbot", sagt Dr. Helmut Fischer. Der Tierarzt hat "Asko" behandelt. Er erinnert sich noch genau an den Fall, der bisher der einzige im Landkreis geblieben ist.
Helmut Fischer ist selbst Jäger und hellhörig geworden, als die Familie von der Drückjagd erzählt hat, bei der der Jagdhund zuvor war. Als die Fiebertherapie nicht anschlug war für den Arzt klar: Der Hund hat sich mit dem Virus der Aujeszkyschen Krankheit infiziert. "Ganz typisch war der extreme Juckreiz, den ,Asko‘ hatte." Ihm blieb nur noch, den Pudelpointer einzuschläfern.
Jagd geht trotzdem
weiter "Es war ein schlimmer Unfall", sagt Diana Kess aus Untererthal. Obwohl die Familie ihren neunjährigen Jagdhund verloren hat, geht sie weiterhin auf die Jagd. "Die Chance geht gegen null. Es muss ja weitergehen, sonst reduziert sich der Bestand nicht", meint die 29-Jährige. Und der ist längst nicht mehr überschaubar. "Wir haben keine Zahlen", sagt Hans-Peter Donislreiter von der Unteren Jagdbehörde des Bad Kissinger Landratsamts.
Wenn sich die Tiere wohl fühlen und genug zu fressen finden, erhöht sich die Zahl des Nachwuchses entsprechend.
2800 Sauen wurden im vergangenen Jahr von den Jägern im Landkreis erlegt. "Die meisten bei der Treibjagd", sagt Hans-Peter Donislreiter. Von jedem fünften geschossenen Wildschwein haben die Jäger Blutproben genommen.
Die Stichproben
(Statistik auf Seite 3) bilden ab, wie viele Tiere im Kreis einen Antikörper gegen die Aujeszkyschen Krankheit in sich tragen.
Hausschweinbestände sauber Besonders dramatisch könnte es enden, wenn die Tierseuche in den Beständen von Hausschweinen ausbrechen würde.
Nach Informationen des Landratsamts sind diese in Deutschland zwar seit 2003 frei von der Infektionskrankheit, Vorsicht ist trotzdem geboten. Vor allem Jäger, die gleichzeitig Schweinezüchter sind, müssen achtsam sein. Generell halten sich die Betreiber an hohe Hygienestandards - aus vielerlei Hinsicht: "Für Schweinezüchter ist es essenziell, darauf zu achten, sonst haben sie keinerlei Zugang mehr zum europäischen Markt", sagt Bernhard Bundscherer.
Diana Kess, ihr Bruder und ihr Vater sind vorsichtiger geworden, wenn sie mit Gewehr und Hund auf die Jagd gehen. Sie halten sich außerdem an die dringenden Empfehlungen des Landratsamtes: Die Jagdhunde sollen ferngehalten werden, wenn die Sauen aufgebrochen werden und diesen rohen Aufbruch nicht fressen. Die Forderung, die Abfälle der geschossenen Tiere ordnungsgemäß zu entsorgen, unterstützt das Landratsamt künftig mit einer Investition im
vierstelligen Bereich.
"Wir haben lange Jahre gedacht, wir wären frei davon", sagt Kreisveterinär Bernhard Bundscherer. Dass die Tiere irgendwann einmal mit dem Virus der Aujeszkyschen Krankheit zu tun hatten, beweisen die Antikörper in ihrem Blut. Weil sie diese in sich tragen, heißt es aber noch lange nicht, dass sie die auch ausscheiden, also die Krankheit verbreiten.
Der Veterinär vergleicht diese Art Krankheit mit etwas, das auch viele Menschen in sich tragen.
Wie bei Frauen und Männern tritt die auch bei Sauen nur unter bestimmten Bedingungen nach außen. Die "Pseudowut" ist eine Herpeserkrankung. "Die meisten von uns haben das Fieberbläschen-Virus in sich", sagt Bernhard Bundscherer. Ob es aber überhaupt zur Erkrankung kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Bei den Wildschweinen spielt Stress eine große Rolle. Dann steigt die Gefahr, dass das Tier die Viren, die sich in den Zellen versteckt halten, ausscheidet. Wie viel Stress zu viel ist, ist unklar. Vieles könnte die Tiere unruhig machen: Fußgänger, zu wenig Futter, ein besonders strenger Winter - oder die Treibjagd. "Hier beginnt die Quadratur des Kreises", sagt Hans-Peter Donislreiter von der Unteren Jagdbehörde des Landratsamtes.
"Ich bin mir sicher, dass wir ohne die Drückjagden ein noch größeres Problem hätten. Wenn die Population steigt, wäre das noch mehr Stress für die Tiere."
Unsichtbare Viren Problematisch für die Jäger ist, dass sie es den Wildschweinen nicht ansehen, ob die die Viren ausscheiden oder nicht. "Es gibt keine sichtbaren Organveränderungen", sagt Tierarzt Dr. Helmut Fischer.
Umso wichtiger ist deshalb die richtige Entsorgung. Dafür will der Landkreis jetzt Geld in die Hand nehmen. 6000 Euro will er in mindestens zwei Entsorgungsstationen investieren. Ab dem Sommer sollen die Jäger diese nutzen können. Dort soll der Aufbruch der geschossenen Sauen gesammelt und gekühlt werden. Eine spezialisierte Entsorgungsfirma wird vom Landkreis beauftragt, sich um die Überreste zu kümmern.
"Die Jäger müssen aktiv mitarbeiten", sagt Kreisveterinär Bernhard Bundscherer. Die sollten aber ohnehin daran interessiert sein, schon allein wegen ihrer Hunde, meint der Kreisveterinär. Die könnten sich an dem Wild infizieren. "Wir können nur diese Vorsorge leisten."
Dass die Zusammenarbeit zwischen Landratsamt und Jägerschaft gut funktioniert, zeigt die hohe Zahl an Proben, die die Jäger im vergangenen Jahr abgeliefert haben.
Fast 600 und damit jeder fünften erlegten Sau wurde eine Probe für die Untersuchung auf die Antikörper entnommen. "Niemand in Bayern hat so viele Proben abgegeben", sagt Hans-Peter Donislreiter.
Das Landratsamt betont, dass für den Menschen keine Gefahr ausgeht. Auch der Verzehr von Wildschweinfleisch gilt als unbedenklich.