Todesfahrt von Zeitlofs: Angeklagter lässt Anwalt reden

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Der angeklagte 24-Jährige und sein Verteidiger: Zu den Ereignissen in Zeitlofs vom August vergangenen Jahres, bei denen ein 21-Jähriger starb, äußerte der junge Mann sich nur über seinen Anwalt. Foto: Steffen Standke
Der angeklagte 24-Jährige und sein Verteidiger: Zu den Ereignissen in Zeitlofs vom August vergangenen Jahres, bei denen ein 21-Jähriger starb, äußerte der junge Mann sich nur über seinen Anwalt. Foto: Steffen Standke

Am Landgericht Schweinfurt wurden die tragischen Ereignisse der Nacht vom 14. auf den 15 August 2021 aufgearbeitet, bei denen ein Mensch ums Leben kam. Dabei wurden einige erschütternde Details angesprochen.

Der Angeklagte hat eine weiche, dennoch deutliche Stimme. Doch zu hören ist sie kaum. Alles, was er zu jener schicksalhaften Nacht vom 14. auf den 15. August 2021, als in der Zeitlofser Mühlgartenstraße durch seine Schuld ein Mensch zu Tode kam, zu sagen hat, übermittelt sein Anwalt. Auch seine Entschuldigung an die Eltern des 21-jährigen Opfers.

Sein Mandant bedauere den Vorfall außerordentlich, lässt der 24-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt, der seit 26. August in U-Haft sitzt, ausrichten. Bisher habe er es nicht geschafft, sich bei der Familie des Opfers zu entschuldigen. Was passiert sei, tue ihm leid. Doch was war eigentlich passiert?

Fest steht, dass das Angeklagte den Abend vor dem tragischen Unfall mit drei Freunden in der Bad Brückenauer Shisha-Bar verbracht hat. Nach Mitternacht ging es, mit dem späteren Opfer am Steuer, zurück nach Zeitlofs. Dort angekommen, holte der Angeklagte mit der Ankündigung, er wolle sich umbringen, seine Autoschlüssel und setzte sich in seinen Wagen und fuhr los. Das spätere Opfer stellte sich vor das Auto, geriet auf die Motorhaube, sprang oder fiel wenige Meter weiter Richtung Hauptstraße herunter. Dabei - so schilderte es im Prozess der Pathologe, der ihn obduzierte - schlug er mit dem Kopf auf Straße und Bordstein auf und zog sich Brüche am Schädel und Einblutungen ins Gehirn zu. Überlebenschance: null.

In der über seinen Anwalt vorgetragenen Einlassung schilderte der Angeklagte die Ereignisse so. Wenige Tage vor der Schicksalsnacht habe die Clique Urlaub an der Ostsee gemacht. Dabei neben dem Angeklagten und dem Opfer auch eine junge Frau, in die der 24-Jährige sich offensichtlich verliebt hatte. Beide hatten dieselbe Lehre absolviert, gemeinsam für die Gesellenprüfung gelernt und diese abgeschlossen. Nicht nur im Urlaub übernachteten sie im selben Bett, ohne dass es zu sexuellen Handlungen kam.

Gefühle nicht erwidert

Zwei Tage vor der Schicksalsnacht sprach die heute 19-Jährige ihren Verehrer auf dessen Gefühle an; er bestätigte sie. Worauf sie ihm begreiflich machte, dass sie nichts von ihm wollte.

Dennoch half der junge Mann ihr und seinen Freunden am Vorabend des "Unfalls" noch, Dinge für ein Familienfest in Zeitlofs aufzubauen. Am Abend aßen sie Pizza, fuhren in die Shisha-Bar.

Dort sprach der Angeklagte offensichtlich dem Alkohol gut zu (obwohl später in der Nacht "nur" 0,5 Promille gemessen wurden). Schon auf dem Rückweg nach Zeitlofs habe sein Mandant Suizidgedanken mit sich herumgetragen, so der Verteidiger. Insgesamt sei es ihm an dem Tag sehr schlecht gegangen.

In Zeitlofs angekommen, habe er die Autoschlüssel geholt, sei in sein eigenes in einem Hof geparktes Auto gestiegen und sei langsam losgefahren. Das spätere Opfer sei auf seinen Wagen zugetreten, habe sich davorgestellt und die Hand auf die Motorhaube gestützt.

Der Angeklagte will dann relativ langsam auf der Mühlgartenstraße angefahren sei, "im 1. Gang, vielleicht 20 km/h" so sein Anwalt. Das spätere Opfer, das zwischenzeitlich auf die Motorhaube gesprungen war, sei dann nach rechts von der Fahrzeugfront heruntergeglitten. In Panik sei der 24-Jährige weggefahren.

Weit kam er nicht. Noch in Zeitlofs habe er angehalten, sich besonnen und sei umgedreht. Nach "drei bis fünf Minuten" soll er wieder an der Stelle gewesen sein, an der der 21-Jährige lag. Er will gerufen haben: "Ich habe das nicht gewollt."

Die Vernehmung der beiden Zeugen - der 19-Jährigen und eines Bekannten aus Bad Brückenau - drehte sich vor allem darum, ob der Angeklagte sein Opfer aktiv "aufgegabelt" hat, wie schnell er dann fuhr und ob er (mit dem 21-Jährigen auf der Motorhaube) gebremst hat. Die Aussagen waren widersprüchlich.

Der Bekannte sagte aus, das spätere Opfer sei aktiv auf die Motorhaube des Angeklagten geklettert. Der sei losgefahren, habe auf etwa 30 bis 40 km/h beschleunigt und nicht gebremst. Der 24-Jährige habe erst angehalten, als der Andere von der Autofront runter war. Dann sei er davongebraust. Ob das Opfer gefallen oder gesprungen sei, konnte der Zeuge nicht beurteilen.

Das konnte auch die 19-Jährige nicht. Ihr fehlten in der Erinnerung weitgehend die Sekunden zwischen dem Aufstützen des 21-Jährigen auf der Motorhaube und dem Fall des Freundes, den sie schon seit Jahren kannte. Sie wusste aber noch, dass das Fahrzeug "mit Vollgas" beschleunigte. Quietschende Reifen hörte sie aber nicht. Die junge Frau war diejenige, die den Krankenwagen rief und Erste Hilfe organisierte.

Wenig Genaues zum Unglückshergang

Die Unfallgutachterin konnte wenig zur Rekonstruktion der Geschehnisse beitragen. Nach eigenen Angaben vor Gericht fand sie am Auto des Angeklagten nur Handabdrücke und Wischspuren, die dafür sprechen, dass das Opfer sich auf der Motorhaube aufgestützt und später drauf gesessen oder gelegen hat. Aber eben keine Hinweise auf unfreiwilliges "Aufladen" durch den Angeklagten am Stoßfänger. Ebenso wenig konnte sie belegen, dass der 24-Jährige gebremst hatte, um sein Opfer "loszuwerden". Sie hielt es für plausibel, dass der 21-Jährige aufgesprungen war. Das Auto dürfte maximal zwischen 40 und 50 km/h gefahren sein. Mehr sei technisch unter den Gegebenheiten vor Ort nicht möglich.

Der psychiatrische Gutachter bescheinigte dem Angeklagten, dass er zum Zeitpunkt des Vorfalls keine eingeschränkte oder aufgehobene Steuerungsfähigkeit hatte. Er ist also schuldfähig.

Er sah aber einige Faktoren, die die Geschehnisse in der Schicksalsnacht begünstigten. So fiel der Angeklagte schon in der Kindheit und Jugend durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme auf, die zeitweise ärztlich behandelt wurden. Auf manche Ereignisse reagiere er depressiv, aber auch ärgerlich und gereizt.

Das "eigenartige Beziehungsgefüge" mit der Angebeteten - also eine gewisse körperliche Nähe, aber keine erwiderten Gefühle - hätte ihm zugesetzt. Über zwei bis drei Monate habe er womöglich Frust aufgebaut. Die Aussprache mit der 19-Jährigen und deren Zurückweisung kurz vor der schicksalhaften Nacht seien dazugekommen. Schon im Februar 2021 soll es übrigens einen halbherzigen Suizidversuch gegeben haben.

Der Gutachter erwähnte auch Schuldgefühle beim Angeklagten. In den Tagen nach der "Tat" in der Psychiatrie soll er "freudlos" gewesen sein, Schlafstörungen und Alpträume gehabt haben.

Dazu passt die Beobachtung eines Polizisten, der als einer der ersten am "Tatort" war. Der Angeklagte sei aufgelöst gewesen, habe immer wieder angefangen zu weinen. Er habe immer wieder gefragt: "Habe ich ihn umgebracht." Und er habe gesagt: "Ich wollte das alles doch gar nicht."

Der Prozess wird am 10. März fortgesetzt, dann wahrscheinlich schon mit den Plädoyers.