Staatsbad Philharmonie geigt dem OB die Meinung

4 Min
Jeder Musiker trug über seinem Frack beim Marsch aufs Rathaus eine Streikweste. Foto: Johannes Schlereth
Jeder Musiker trug über seinem Frack beim Marsch aufs Rathaus eine Streikweste. Foto: Johannes Schlereth
Mit Märschen und Chorälen machten die Musiker auf sich aufmerksam. Foto: Johannes Schlereth
Mit Märschen und Chorälen machten die Musiker auf sich aufmerksam. Foto: Johannes Schlereth
 
Zwei Stühle waren beim Donnerstagskonzert leer. Foto: Johannes Schlereth
Zwei Stühle waren beim  Donnerstagskonzert leer.  Foto: Johannes Schlereth
 
Am Vormittag hatten sich etwa 100 Personen zum Marsch aufs Rathaus aufgemacht. Foto: Johannes Schlereth
Am Vormittag hatten sich etwa 100 Personen zum Marsch aufs Rathaus aufgemacht.  Foto: Johannes Schlereth
 
Gerhard Schneider, der geschäftsleitende Beamte war von der Demo überrascht. Foto: Johannes Schlereth
Gerhard Schneider, der geschäftsleitende Beamte war von der Demo überrascht.  Foto: Johannes Schlereth
 
Durch die Gassen Bad Kissingens bahnten sich Musiker und Sympathisanten ihren Weg zum Rathaus. Foto: Johannes Schlereth
Durch die Gassen Bad Kissingens bahnten sich Musiker und Sympathisanten ihren Weg zum Rathaus.  Foto: Johannes Schlereth
 

Der Arbeitskampf der Staatsbad Philharmonie um den Tarif wird härter. Zwei Musiker wurden gekündigt, die Kollegen demonstrierten vor dem Rathaus. OB Dirk Vogel hart: Für ihn gibt es Wichtigeres als die "Einzelinteressen eines Orchesters nach mehr Lohn und weniger Arbeit"

Der Schock saß tief bei den Zuhörern, als beim Morgenkonzert der Staatsbad Philharmonie am Donnerstag bekannt wurde, dass die Staatsbad GmbH zwei Musiker gekündigt hatte. "Es ist ein Skandal", fasste Burghard Toelke, der Leiter des Orchesters, in aller Kürze zusammen. Das Konzert - alle Musiker trugen Streikwesten - widmeten sie ihren beiden ehemaligen Kollegen Hazar Birkan (Flöte) und Federico Kurtz de Griñó (Klarinette). Deren Stühle blieben leer.

Bad Kissingen: Rund 100 Sympathisanten folgten dem Aufruf zum Marsch aufs Rathaus

"Wir haben etwa 3000 Stücke im Repertoire. Allerdings: Für einen Großteil davon brauchen wir unsere Holzbläser, die Flöte und die Klarinette, die wir jetzt nicht mehr haben", sagte Burghard Toelke. Übrig bleiben unter anderem Märsche und Choräle - die passten allerdings auf die Stimmung der Musiker. "Wir spielen beides im Wechsel und marschieren nach dem Konzert zum Rathaus", teilte er den Zuhörern mit. Das hatte Wirkung: Raunen und Applaus brandete in der Wandelhalle auf - und wenig später schlossen sich etwa 100 Konzertgäste den Musikern an.

Der Aufbau des Konzerts zeigte deutlich: Die Musiker flehten regelrecht um Beistand für ihre Situation. Und Unterstützung fordern sie sowohl von weltlicher, als auch göttlicher Seite. "Auch der Ministerpräsident ist hier in der Verantwortung", hieß es in der Moderation. Es folgte der Bayerische Defiliermarsch, der stets beim Auftritt des Ministerpräsidenten gespielt wird. Hilfe von oben erhofften sich die Philharmoniker mit Chorälen wie "Lieber Gott, aus tiefer Not schreien wir zu dir".

Vergebliches Hoffen auf Hilfe

Dann packten die Musikerinnen und Musiker zusammen und gingen zum Rathaus - noch aufgepeitscht von Märschen wie "Kameraden zur See" oder "Preußens Gloria" mit 100 Sympathisanten. Die Hoffnung auf Hilfe von Oben war an diesem Tag jedoch vergeblich. Zunächst war lediglich eine Mitarbeiterin zu sehen, die mit ihrem Smartphone aus dem Fenster filmte. Erst als die Menge mit Buhrufen, Klatschen und dem Slogan "Dr. Vogel wir verdienen einen Tarifvertrag" skandierte und aufforderte, die Kündigungen rückgängig zu machen, ließ sich jemand aus der Verwaltung blicken. Der Geschäftsleitende Beamte Gerhard Schneider begab sich auf den Vorplatz des Rathauses.

Stadt Bad Kissingen: Demo kam überraschend

Der Aufmarsch hatte ihn sichtlich überrascht: "Ich bin aus einer Online-Besprechung geholt worden." Und: "Ich werde keine Stellung dazu beziehen", machte er den Demonstranten und Musikern klar. Als Leiter der Verwaltung sei er dazu nicht befugt. "Der OB ist auf einem Termin und seine beiden Stellvertreter sind nicht im Haus." Das sorgte bei den Demonstranten für Unverständnis: "Frechheit" und "feige" hallte es über den Platz. Aber: Schneider hatt Recht, wie Toelke bestätigte, die Stadt wussten nichts von der Demo. "Ich nehme die Anliegen zur Kenntnis und übermittle sie an den OB", war noch von Gerhard Schneider zu vernehmen, bevor er sich wieder ins Rathaus zurückzog.

Für Symphoniker-Chef Burghard Toelke steht die Kündigung der beiden Musiker in einem direkten Zusammenhang mit dem Arbeitskampf der Philharmoniker. "Die beiden waren in der einjährigen Probezeit und wurden einfach gekündigt. Und das, obwohl ihre musikalische Qualität immer super war." Hazar Birkan, die Flötistin, habe sich bei der Bewerbung gegen 60 Konkurrenten durchgesetzt. Ihn hatte offenbar keiner um eine Einschätzung geben: "Normalerweise fragt man mich über eine Beurteilung bei Personalangelegenheiten. Das ist nicht geschehen", sagte Toelke. "An Streikaktionen waren die beiden bis auf das Foto mit den Streikwesten nicht beteiligt." Für ihn steht fest: "Fachlich ist das nicht begründet. Es wirkt, als habe man einfach irgendwen treffen wollen." Hazar Birkan hatte laut ihm extra ihre Stelle als Musikerin in Nürnberg gekündigt, um in Bad Kissingen spielen zu können. Ihre berufliche Zukunft sei nun ungewiss.

Kündigungen sorgen für Unverständnis

Die Kündigungen sorgen bei der Deutschen Orchestervereinigung für Unverständnis, sagt Uli Müller, Pressesprecherin der Gewerkschaft. "Sie hatten Bestnoten und wurden dringend gebraucht, um die Spielfähigkeit aufrecht zu erhalten." Klaus Stebani, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins der Philharmoniker, meint: "Ich war geschockt. Es ist eine Unverschämtheit, gerade wenn man bedenkt, welche harte Ausbildung dahinter steckt.Vor einiger Zeit hat die Stadt noch stolz mit dem größten und besten Orchester geworben. Und jetzt ist es ihnen egal?"

Tourist Joachim Fischer aus Schwaben kennt die Stadt bereits seit einem Jahr. Derzeit ist er bis Sonntag zu Gast in Bad Kissingen und meint: "Da werden Menschen mit den Füßen getreten. Wenn die Stadt Welterbe sein will, dann gehört da auch die Musik dazu." Rainer Nolte weilt mittlerweile zum sechsten Mal in Bad Kissingen. Vor der Anreise aus Bad Pyrmont hatten sich seine Frau und er extra erkundigt, ob die Philharmonie spielt. Margarete Sauer ist Wahl-Bad Kissingerin. Sie urlaubte jährlich seit 30 Jahren in der Kurstadt. Vor sechs Jahren kam dann der Entschluss, in die Stadt zu ziehen. "Das war wegen der Musik. Ich gehe seitdem in jedes Konzert." Und: "Ich bin sauer. Für 900 000 Euro bauen sie ihre Theke in die Touristinformation, das blaue Wunder - und für die Musik ist kein Geld da."

OB Vogel (SPD) äußerte sich

Die Bayerische Staatsbad GmbH äußert sich zu den Kündigungen nicht: "Wir bitten um Verständnis, dass wir zu einzelnen Personalangelegenheiten keine Auskunft geben können." Und: "Die Staatsbad Philharmonie Kissingen ist weiterhin spielfähig." Aus dem Rathaus nahm OB Dirk Vogel (SPD) schriftlich Stellung zu den Geschehnissen. Er war auf verschiedenen Terminen unterwegs, unter anderem zum Bau einer neuen KiTa, der Einweihung einer neuen Abfüllanlage an der Theresienquelle und in Besprechungen zum Hallenbad. "Das war und ist mir wichtiger als Einzelinteressen eines Orchesters nach mehr Lohn und weniger Arbeit, dem wir bereits signalisiert haben, dass wir sehr zeitnah mit einem Vorschlag an Sie herantreten werden, um bestimmte Aspekte zu verbessern." Dieses Konzept sei sehr gut. Er meint: "Es ist vollkommen überflüssig, seine Einzelinteressen über das Wohl der Stadt zu stellen, indem man die positive Berichterstattung über unsere Stadt für eigenen Interessen missbraucht, um angeblich skandalöse Arbeitsbedingungen zu kritisieren, die es gar nicht gibt."

Dass es mit der Philharmonie weitergeht, ist klar: "Ihre Unterhaltung ist unsere Leidenschaft", hieß es schon im Konzert. Aber auch die Kämpfe um die Kündigungen und den Tarifvertrag gehen laut Burghard Toelke weiter: "Der OB war zwar nicht da, aber wir kommen wieder."