Die Theatergruppe im Haus Betro in Wildflecken feilt an ihrem dritten Stück. Für manche ist es eine Freizeitbeschäftigung "für den Geist". Für andere bedeutet das Spielen eine Form der Therapie.
Der Chor der Stumpfsinnigen wiegt sich. "Die Menschheit hat das Gefühl, alles dreht sich im Kreis." Ihre Stimmen sind dumpf, die Gesichter ausdruckslos. "Liebes Orakel, ich würde gerne wissen, welches meine Frage ist", richtet sich Johannes Voll an Diana Kelz, das Orakel. Das Orakel je doch gibt keine Antwort. An an derer Stelle aber offenbart es sich: "Ich kam mir einst wie ein Trottel vor.
Die einen fallen, die anderen steigen empor ..."
Diana Kelz und Johannes Voll sind nur zwei von sieben Darstellern in der Laien-Theatergruppe im Haus Betro, einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Stefan Schael, Schauspieler und Musikpädagoge, übt mit ihnen immer freitags. Aber was heißt üben. "Wir ha ben uns das Stück selbst ausgedacht", sagt Reinhold Beck stolz. Schael bindet das Ganze dann zusammen.
"Ein PaaRadieschen.
Oder vom kleinen Glück" - eine An spielung auf das Paradies - feierte zu Ostern Premiere. Da vor spielten sie "Menschen splitter. Ein nicht ganz ernst zu nehmender Versuch des Menschseins". In Münnerstadt und in Werneck traten die Lai en-Schauspieler schon auf. Nun arbeiten sie an ihrem drit ten Theaterstück.
Sich selbst in der Rolle entdecken Für Voll ist Theaterspielen ei ne Freizeitbeschäftigung "für
den Geist". "Es macht Spaß. Die Szenen inspirieren mich", sagt der junge Mann. Reinhold Beck, ein paar Semester älter, liebt die großen Gesten. Und wenn er spricht, sprechen die Augen fast mehr als der Mund. Theater be deutet ihm viel."Ich kann je manden spielen, der ich vielleicht gern sein möchte, aber nicht bin. Oder der tief in mir begraben liegt." Und in so man cher Rolle findet er sich auch wieder.
Im ersten Stück zum Beispiel wird "Reinhold" zum " Unhold" - "das passt", sagt Beck. Rein könne man im Leben vielleicht werden, hold vielleicht auch. Aber beides zusammen ... "Ich habe mich sehr bemüht", sagt Reinhold. Und man ahnt nur, wie sehr.
Strategien für den Alltag finden "Es ist ein Bedürfnis da, in ir gendeiner Form Ausdruck zu finden", sagt Schael über seine Spieler, und er
möchte verstanden wissen, dass das für alle Menschen gilt, nicht nur für psychisch kranke. "Es geht darum, Spielimpulse umzusetzen. Das hat viel mit Kommunikation zu tun, mit sich ausprobieren." Schael war jahrelang am Theater in Meiningen fest engagiert. Seit 2004 ist er freiberuflicher Schauspieler und Musikpädagoge und arbeitet unter anderem in einer Bad Kissinger Jugend-Klinik.
Sechs Stunden pro Woche kommt er ins Haus Betro.
Aber natürlich geht es beim Theaterspielen auch um Therapie. Bewohner und Tagesgäste lernen viel für ihren Alltag. Kontinuität zum Beispiel. "Wir arbeiten auf ein Ziel hin", erklärt Schael. Soziale Kompetenz. Ein Stück entsteht in Gemeinschaftsarbeit, es entwickelt sich von Probe zu Probe weiter.
"Ag gressionen loswerden", wirft Margarete Franz ein, eine impulsiver Frau voller Energie, die auch mal kurz vor der Aufführung das Skript umschmeißt und ihren Text neu schreibt.
"Vergessen ist es auch", sagt Waltraud Ganziger. Sie ist das Gegenstück zu Franz. Leise, zu rückhaltend. "Bescheiden", sagen die anderen. Vielleicht aus diesem Grund gab ihr Stefan Schael die Rolle der Frau "Lautstark". "Das bin ich doch gar nicht", war dann auch ihr erster Gedanke.
Aber sie habe sich gut hineingefunden in diese Rolle voller Widersinn. Das positive Feedback der anderen tut ihr gut und hilft, das eigene Schicksal - das oft genug ebenso voller Wi dersprüche ist - zu vergessen.
"Während man auf der Bühne steht, ist die Krankheit auf jeden Fall weg", sagt Reinhold alias Unhold. Vielleicht liebt er es deshalb so, das Theaterspielen.
Und als der Chor der Stumpf sinnigen schweigt, klingen die letzten Wort in Diana Kelz' Ge dicht über den Trottel, der fällt, noch lange nach. Sie lauten: "Tiefer Friede, ich selbst zu sein".
Gartenfest Das Haus Betro feiert sein fünfjähriges Bestehen mit einem Gartenfest am Samstag, 29. Juni. Die Einrichtung in der Fleischhauerstraße 8 ist von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Die haus eigene Band spielt und es gibt gebackene Forellen.