Mit der Weinlese beginnt eine Reise vom Weinberg bis zur Wirtsgasse. Winzer Ewald Neder erklärt, warum Federweißer nicht im Kühlschrank gelagert werden sollte.
Der Weinbau gehört zum Saaletal wie der Federweißer zum Zwiebelplootz, wie die Reebe auf den Weinberg. Hammelburg ist die älteste Weinstadt Frankens, schon 777 kannte Karl der Große die Weinberge an der Saale. Die über 1200-jährige Weingeschichte hat im Landkreis ihre Spuren auch in Form von Straßenschildern hinterlassen: Namen wie Weingasse, Weinbergweg oder Am Weinberg finden sich häufig. Die Schilder weisen den Weg vom Anbau bis in die Wirtsstuben.
Sie lassen sich wie ein Mosaik zusammensetzen. Es entsteht ein "Wein-Weg" von der Traube bis ins Glas - passend zur Jahreszeit natürlich als Federweißer.
"Am Weinberg" - Der Anbau Das Puzzle beginnt Anfang Oktober in den Weinhängen bei Ramsthal. Dort erntet Winzer Ewald Neder seine Rebstöcke und bringt die Trauben in Großboxen auf seinen Hof in den Urbanusweg.
Hier werden die Früchte auf einem Rüttelpult von Insekten wie Marienkäfern und Florfliegen befreit. Anschließend entfernt eine Abbeermaschine die Stiele. "Dann werden die Beeren in die Presse gekippt", sagt Neder.
Den Traubensaft pumpt er zum Vergären in große Edelstahltanks mit 600 bis 7000 Liter Fassungsvermögen. "Nach ungefähr einer Woche gibt es den ersten Federweißer", sagt der 53-Jährige.
Die Weinlese 2013 lässt in Ramsthal dieses Jahr etwas auf sich warten. Das liegt laut Neder an dem trockenen Sommer, der die Reife der Trauben verzögert hat. "Wir sind in diesem Jahr durchschnittlich 14 Tage hinten dran", sagt er. Die Entwicklung der Trauben sei aber gut und ein schlechter Ertrag wohl nicht zu erwarten. Dennoch mag Neder nicht vorhersagen wie gut der Jahrgang, wie gut sein Federweißer sein wird.
"Wie gut ein Wein ist, kann man erst dann einschätzen, wenn er im Glas ist." Spekulieren bringe nichts.
"Bräugasse" - Die Herstellung Neder baut in Ramsthal auf zehn Hektar Rebfläche an. Außerdem besitzt er Hänge in Wirmsthal sowie Westheim. Der größte Teil des Ertrages wird zu Wein ausgebaut, einen kleinen Teil vermarktet er direkt von seinem Hof aus als Federweißer.
Dafür nimmt Neder bevorzugt Frühsorten wie Bachus und Müller-Thurgau. "Das sind fruchtige, unkomplizierte Weine. Die eignen sich am Besten", sagt er. Kräftige, späte Rebsorten eignen sich weniger, um während der Vergärung verkostet zu werden. Ebenso wenig wie Rotweine: "Von Federrotem halte ich nicht so viel", sagt Neder.
Der Klassiker ist weiß.
"Tränkgasse" - Die Verkostung Im Gegensatz zu Wein gibt es beim Federweißer einfachere Regeln, welches Essen dazu passt. Neder rät, dass man ihn nicht zu aufwendigen Gerichten bestellen sollte: "Federweißer hat eine gewisse Süße, da wird beim Essen viel verfälscht." Eine rustikale Hausmacherbrotzeit oder das traditionelle Stückchen Zwiebelplootz seien besser
geeignet.
Ein weiterer Tipp vom Fachmann: Federweißer sollte nicht lange Zuhause aufbewahrt werden. Am besten ist es, ihn zu kaufen und am selben Tag frisch zu verbrauchen. "Das ist ein Naturprodukt, die alkoholische Gärung geht immer weiter. Wenn er mittags noch süß schmeckt, kann er abends schon herb sein", sagt er. Federweißer sollte deshalb auch nicht im Kühlschrank gelagert werden, weil sonst die Gärung stoppt.
Getrunken wird der junge Wein etwa bei Zimmertemperatur zwischen 18 und 20 Grad.
"Wirtsgasse" - In der Wirtschaft "Die Leute sind total spitz auf fränkischen Federweißen", bestätigt der Bad Kissinger Gastwirt Dominik Bils. "Das wird schon seit Wochen nachgefragt." Er geht davon aus, dass es den ersten Fränkischen demnächst zu kaufen gibt.
Dass die Federweißersaison für ein dickes Umsatzplus sorgen kann, weiß der Gastronom aus eigener Erfahrung. Ein großer Betrieb - Bils führte, bevor er die Weinstube Hoffmann übernahm, ein Restaurant mit 400 Plätzen - kann täglich ohne Weiteres 50 Liter Federweißer ausschenken. "Das sind drei bis vier Hektoliter in der Woche. " Die Gäste lieben den süßen, süffigen Geschmack.
Und: "Es ist eben nur eine kurze Zeit, dass es ihn gibt. Deswegen spielen die Leute verrückt."
"Wankelstraße" - Die Wirkung Die Kohlensäure, die während der Vergärung entsteht, mache den Federweißer heimtückisch, weil es den Alkohol schneller ins Blut befördere. Neder: "Man merkt nicht, wann man genug hat." Bei jedem anderen Getränk weiß man, wenn man genug getrunken hat.
Nur hier nicht. "Federweißer ist ein gefährliches Getränk", meint der Winzer. Ein bis zwei Gläser reichen für den Abend eigentlich aus.