Pläne des Bezirks Unterfranken stoßen auf Zustimmung. Aber: Niedergelassene Therapeuten und die Kammer sehen eher Bedarf in der ambulanten Behandlung.
Münnerstadt - Die Zahl der Menschen, die psychotherapeutisch behandelt werden, steigt. So wurden beispielsweise im psychiatrischen Krankenhaus in Werneck 2004 insgesamt 2718 Patienten behandelt, 2017 waren es bereits 3746. Der Bedarf ist da, das hat der Bezirk Unterfranken erkannt und gehandelt: In Aschaffenburg wird ein psychiatrisches Krankenhaus gebaut und in Miltenberg eine Institutsambulanz eingerichtet. Die Ideen des Bezirks gehen aber weiter: So wird derzeit darüber nachgedacht, in Münnerstadt eine psychotherapeutische Tagesklinik zu errichten. Das hält Dr. Nikolaus Melcop für wichtig. Der Präsident der bayerischen Psychotherapeutenkammer meint aber, dass damit das Pferd von hinten aufgezäumt werde. Denn es fehle an ambulanten Psychotherapeuten auf dem Land.
Die angedachte Tagesklinik wäre dann an das Thoraxzentrum gekoppelt. Die Lungenfachklinik in Münnerstadt ist eine Einrichtung des Bezirks. Eine psychotherapeutische Tagesklinik kann es nur geben, wenn sie an eine Einrichtung für somatische Beschwerden gekoppelt ist, denn nur dann gibt es Förderungen vom Freistaat. Außerdem werde so der Stigmatisierung von psychisch Kranken entgegengewirkt. Wer beispielsweise ins König Ludwig-Haus in Würzburg geht, der könnte zum einen ein orthopädisches Problem haben, oder aber ein psychisches - dem König Ludwig-Haus ist das "Zentrum für seelische Gesundheit" angegliedert, der Eingang ist der selbe, erklärt Markus Mauritz. Er ist der Sprecher des Bezirks in Würzburg. "Es gibt Überlegungen, dass man eine Tagesklinik in Münnerstadt einrichtet, aber es gibt noch keine konkreten Pläne. Es würde aber in die Politik des Bezirks passen, der seit Jahren versucht, die wohnortnahe Versorgung der psychisch Kranken zu fördern."
Eine stationäre Unterbringung von psychisch Kranken gilt als das letzte Mittel. Mauritz: "Auch wir meinen, es sollte die Devise geben: ambulant vor stationär." Das ist Wasser auf den Mühlen von Nikolaus Melcop, Präsident der bayerischen Psychotherapeutenkammer. "Es ist sicherlich sinnvoll, eine neue Tagesklinik anzudenken. Aber da wird vom Ende der Kette her gedacht - davor muss es mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten geben. Aber leider hat der Bezirk keinen Einfluss auf die Zahl der niedergelassenen Therapeuten auf dem Land." Und genau da sieht Melcop das Problem.
"Noch immer warten Patienten im Schnitt in Bayern 19 Wochen auf einen freien Platz bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten", sagt Melcop.
Er legt Wert darauf, dass sich die Zahl der psychisch erkrankten Menschen nicht erhöht habe, die betroffenen Menschen würden jetzt allerdings besser erkannt werden. Das sei vor allem den Hausärzten zu verdanken, die nun gezelter in den Symptomen geschult seien. "Nach allen Leitlinien ist bei fast allen psychischen Erkrankungen die Therapie das Mittel der Wahl." Nur: "Der sogenannte Bedarfsplan, der für die Verteilung der niedergelassenen Ärzte und Therapeuten sorgen soll, ist im Bereich der Psychotherapie unzureichend." Während in Ballungszentren wie Würzburg die Therapeutendichte in Ordnung sei, könnten Menschen auf dem Land nur unzureichend geholfen werden. Und da nutze auch die jetzt für Therapeuten verpflichtende Sprechstunde nichts, wenn die Therapeuten auf dem Land im Anschluss einfach keine freien Plätze haben.
Melcop fordert neben zusätzlichen Sitzen in strukturschwachen Gebieten auch kurzfristige Maßnahmen wie die vorübergehende Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen auf dem Land. "Denn dann würden sich die Kollegen sicherlich auch in Bad Kissingen oder Aschaffenburg niederlassen."
Nachgefragt: Wie sehen das Therapeuten in Bad Kissingen? Dr. Harald Denzel von der fachärztlichen Gemeinschaftspraxis Dres. Otto Hoffmeyer, Harald Denzel und Madjid Kerdar: "Sicherlich werden mehr Psychiater und Psychotherapeuten benötigt, um einen zeitnahen Termin zu bekommen, allein schon wegen der Altersstruktur der Niedergelassenen. Insbesondere bei den Psychiatern werden zur Versorgung mehr Kassensitze gebraucht, da trotz Aufnahmestopps bei vielen Praxen die Region offiziell bei der Kassenärztlichen Vereinigung als überversorgt gilt."