Psychotherapeutische Tagesklinik in Münnerstadt?

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Der Bezirk beschäftigt sich mit der Überlegung, in Münnerstadt eine psychotherapeutische Tagesklinik anzusiedeln. Foto: Christin Klose/dpa
Der Bezirk beschäftigt sich mit der Überlegung, in Münnerstadt eine psychotherapeutische Tagesklinik anzusiedeln. Foto: Christin Klose/dpa
Exponiert liegt das Thoraxzentrum auf dem Höhenzug des Michelsbergs.Heike Beudert
Exponiert liegt das Thoraxzentrum auf dem Höhenzug des Michelsbergs.Heike Beudert
 

Pläne des Bezirks Unterfranken stoßen auf Zustimmung. Aber: Niedergelassene Therapeuten und die Kammer sehen eher Bedarf in der ambulanten Behandlung.

Münnerstadt - Die Zahl der Menschen, die psychotherapeutisch behandelt werden, steigt. So wurden beispielsweise im psychiatrischen Krankenhaus in Werneck 2004 insgesamt 2718 Patienten behandelt, 2017 waren es bereits 3746. Der Bedarf ist da, das hat der Bezirk Unterfranken erkannt und gehandelt: In Aschaffenburg wird ein psychiatrisches Krankenhaus gebaut und in Miltenberg eine Institutsambulanz eingerichtet. Die Ideen des Bezirks gehen aber weiter: So wird derzeit darüber nachgedacht, in Münnerstadt eine psychotherapeutische Tagesklinik zu errichten. Das hält Dr. Nikolaus Melcop für wichtig. Der Präsident der bayerischen Psychotherapeutenkammer meint aber, dass damit das Pferd von hinten aufgezäumt werde. Denn es fehle an ambulanten Psychotherapeuten auf dem Land.

Die angedachte Tagesklinik wäre dann an das Thoraxzentrum gekoppelt. Die Lungenfachklinik in Münnerstadt ist eine Einrichtung des Bezirks. Eine psychotherapeutische Tagesklinik kann es nur geben, wenn sie an eine Einrichtung für somatische Beschwerden gekoppelt ist, denn nur dann gibt es Förderungen vom Freistaat. Außerdem werde so der Stigmatisierung von psychisch Kranken entgegengewirkt. Wer beispielsweise ins König Ludwig-Haus in Würzburg geht, der könnte zum einen ein orthopädisches Problem haben, oder aber ein psychisches - dem König Ludwig-Haus ist das "Zentrum für seelische Gesundheit" angegliedert, der Eingang ist der selbe, erklärt Markus Mauritz. Er ist der Sprecher des Bezirks in Würzburg. "Es gibt Überlegungen, dass man eine Tagesklinik in Münnerstadt einrichtet, aber es gibt noch keine konkreten Pläne. Es würde aber in die Politik des Bezirks passen, der seit Jahren versucht, die wohnortnahe Versorgung der psychisch Kranken zu fördern."

Eine stationäre Unterbringung von psychisch Kranken gilt als das letzte Mittel. Mauritz: "Auch wir meinen, es sollte die Devise geben: ambulant vor stationär." Das ist Wasser auf den Mühlen von Nikolaus Melcop, Präsident der bayerischen Psychotherapeutenkammer. "Es ist sicherlich sinnvoll, eine neue Tagesklinik anzudenken. Aber da wird vom Ende der Kette her gedacht - davor muss es mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten geben. Aber leider hat der Bezirk keinen Einfluss auf die Zahl der niedergelassenen Therapeuten auf dem Land." Und genau da sieht Melcop das Problem.

"Noch immer warten Patienten im Schnitt in Bayern 19 Wochen auf einen freien Platz bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten", sagt Melcop.

Er legt Wert darauf, dass sich die Zahl der psychisch erkrankten Menschen nicht erhöht habe, die betroffenen Menschen würden jetzt allerdings besser erkannt werden. Das sei vor allem den Hausärzten zu verdanken, die nun gezelter in den Symptomen geschult seien. "Nach allen Leitlinien ist bei fast allen psychischen Erkrankungen die Therapie das Mittel der Wahl." Nur: "Der sogenannte Bedarfsplan, der für die Verteilung der niedergelassenen Ärzte und Therapeuten sorgen soll, ist im Bereich der Psychotherapie unzureichend." Während in Ballungszentren wie Würzburg die Therapeutendichte in Ordnung sei, könnten Menschen auf dem Land nur unzureichend geholfen werden. Und da nutze auch die jetzt für Therapeuten verpflichtende Sprechstunde nichts, wenn die Therapeuten auf dem Land im Anschluss einfach keine freien Plätze haben.

Melcop fordert neben zusätzlichen Sitzen in strukturschwachen Gebieten auch kurzfristige Maßnahmen wie die vorübergehende Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen auf dem Land. "Denn dann würden sich die Kollegen sicherlich auch in Bad Kissingen oder Aschaffenburg niederlassen."

Nachgefragt: Wie sehen das Therapeuten in Bad Kissingen? Dr. Harald Denzel von der fachärztlichen Gemeinschaftspraxis Dres. Otto Hoffmeyer, Harald Denzel und Madjid Kerdar: "Sicherlich werden mehr Psychiater und Psychotherapeuten benötigt, um einen zeitnahen Termin zu bekommen, allein schon wegen der Altersstruktur der Niedergelassenen. Insbesondere bei den Psychiatern werden zur Versorgung mehr Kassensitze gebraucht, da trotz Aufnahmestopps bei vielen Praxen die Region offiziell bei der Kassenärztlichen Vereinigung als überversorgt gilt."

Hans-Peter Selmaier ist der Chefarzt der Fachklinik Heiligenfeld. "Meiner Ansicht nach spricht nichts gegen eine Tagesklinik, aber sie behebt nicht das Problem der nicht ausreichenden Therapeuten. Es ist nicht so, dass der Patient nicht gesehen wird - dafür gibt es die Sprechstunde. Aber das heißt eben nicht, dass er auch behandelt wird. Es ist sehr schwierig für einen Therapeuten zu wissen, dass er keinen Platz hat und den Patienten wegschicken muss. Die Kassenärztliche Vereinigung steuert dem entgegen, in dem sie versucht, Druck auf die Psychotherapeuten auszuüben, in dem die ihre Stundenkontingente erhöhen sollen." Allerdings sei das nicht so einfach: "Fünf Stunden Psychotherapie ist etwas anderes als fünf Stunden in einer Praxis. Es müssen ja auch noch Gutachten geschrieben werden - der Aufwand für Therapeuten wird immer größer."

Das sagt die Kassenärztliche Vereinigung (KV): Die ambulante medizinische Versorgung ist an die Bedarfsplanungs-Richtlinie gebunden. Die wurde 1993 mit dem Ziel eingeführt, die Niederlassung von Vertragsärzten besser zu steuern und flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Ende der 90er Jahre wurden darin auch die Psychotherapeuten eingebunden. Hier kritisiert Nikolaus Melcop, Präsident der bayerischen Psychotherapeutenkammer, dass zu diesem Stichtag auch die ehemalige DDR einbezogen wurde. Melcop: "Hier ist der Fehler: In der DDR gab es damals keine Psychotherapeuten und damit sinkt der Durchschnittswert."

Wie wird die Zahl der Psychotherapeuten berechnet? Martin Eulitz von der KV München in einer schriftlichen Stellungnahme: "Um einschätzen zu können, wie der aktuelle Stand der ambulanten ärztlichen Versorgung in einem Planungsbereich ist, wird die Anzahl der Ärzte/Psychotherapeuten einer Gruppe im Planungsbereich ins Verhältnis gesetzt mit der Anzahl der Einwohner im Planungsbereich. Hieraus wird der sogenannte Versorgungsgrad berechnet. Dieser liegt bei 100 Prozent, wenn genauso viele Ärzte/Psychotherapeuten vorhanden sind, wie vorgesehen. Ab 110 Prozent sind keine zusätzlichen Neuzulassungen in einem Planungsbereich mehr möglich."

Und genügt seiner Ansicht nach das psychotherapeutische Angebot auf dem Land? Eulitz: "Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Wenn man die Daten aus dem öffentlich zugänglichen Versorgungsatlasder KVB ansieht, dann ist die psychotherapeutische Versorgung gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie in Unterfranken im Regelfall als ausreichend anzusehen. Die Einschätzung und gefühlte Realität der Menschen vor Ort kann allerdings von diesen Planzahlen durchaus abweichen." Derzeit stehe auf Bundesebene eine Neugestaltung der Bedarfsplanung an.