Wie wird man zum Profi-Musiker? Ulrich Edelmann: "Dieses Erlebnis hat alles verändert"

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Ulrich Edelmann hat nicht immer so gerne Geige gespielt wie heute als Berufsmusiker. Foto: Sophia Edelmann
Ulrich Edelmann hat nicht immer so gerne Geige gespielt wie heute als Berufsmusiker. Foto: Sophia Edelmann

Ulrich Edelmann ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe und seit 30 Jahren Erster Konzertmeister im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks. Wir haben mit ihm gesprochen, wie es ist, Profimusiker zu werden.

Ulrich Edelmann führten Reisen als Solist und Kammermusiker durch Europa, Japan, Südamerika und die USA. Dieses Jahr war er als Konzertmeister des hr-Sinfonieorchesters beim Kissinger Sommer zu Gast.

Wann haben Sie angefangen, ein Instrument zu spielen?

Musik war immer Bestandteil meines Lebens. Meine Mutter hat als Laienmusikerin Geige gespielt. Mein Vater war Schulmusiker, Pianist und Sänger und hat mehrmals in der Woche Kollegen eingeladen, um abends zu musizieren.

Meine Schwester und ich bekamen zum Beispiel ein Glockenspiel oder eine Trommel in die Hand gedrückt. Von einer Tante habe ich damals eine Geige bekommen. Darauf habe ich auf eine spielerische Art und Weise gelernt, wie man den Bogen hält und wie die Töne entstehen.

Sie haben in der Musikschule angefangen, Geigenunterricht zu nehmen.

Als ich sechs Jahre alt war, hatten meine Eltern das Glück, mich bei Dore Franz-Gümbel zum Musikunterricht anzumelden. Sie hatte bundesweit Erfolg. Bei ihr bin ich mit sechs Jahren in eine Art Leistungssport geraten. Meine Lehrerin hatte hohe Erwartungen: Als kleines Kind 30 Minuten täglich üben, bald jeden Tag eine Stunde und mehr.

Meine Mutter war liebevoll, aber auch konsequent und streng. Dafür bin ihr heute sehr dankbar. Kleine Kinder im Grundschulalter brauchen eine führende Hand.

Geige zu spielen, das fand ich anstrengend. Das Instrument war viel zu groß. Heute gibt es Sechzehntel oder Achtel-Geigen für Kinder.

Sie hatten keine Lust zu üben?

Es gab eine Zeit, in der es mich gequält hat, zu üben. Ich hätte lieber Fußball gespielt.

Wann hat sich Ihre Motivation geändert?

Mit zwölf Jahren kam ich ins Landesjugendorchester in Baden-Württemberg. Ich war der Jüngste im Orchester.

Das erste Stück, das ich gespielt habe, war die fünfte Sinfonie von Beethoven. Das war wie ein Schlag, ein plötzliches Erlebnis, das mich bis heute prägt. Ich war vom ersten Moment an, als ich diesen Klang hörte, dermaßen fasziniert, dass ich wusste: Das will ich später machen. Ich will in einem Sinfonieorchester spielen. Dieses Erlebnis hat alles verändert. Ab da an hieß es zu Hause: "Uli, kannst du bitte mal aufhören zu üben?" Ich habe vier Stunden am Tag freiwillig geübt.

Auch heute denke ich: Die Arbeit im Jugendorchester ist für junge Musiker unglaublich motivierend.

Hatten Sie Angst, nicht gut genug zu sein?

Nein, die Angst hatte ich nie. Das lag auch an den regelmäßigen Erfolgen, die sich eingestellt haben. (Anm. d. Red.: Ulrich Edelmann war mehrmaliger Bundespreisträger beim Wettbewerb "Jugend musiziert").

Während der Schule habe ich ein Vorstudium an der Stuttgarter Musikhochschule für begabte Jugendliche absolviert. Es gab dort sehr intensiv Geigenunterricht, auch Klavier und Gehörbildung. Ich bin dafür von Aalen, wo wir gewohnt haben, für die rund 70 Kilometer nach Stuttgart etwa eine Stunde Zug gefahren und habe dort meine Hausaufgaben gemacht oder Klassenarbeiten vorbereitet.

Keine Angst zu haben, das ist auch etwas, das ich versuche, meinen Schülern zu vermitteln. Ich unterrichte seit 29 Jahren an der Musikhochschule in Frankfurt am Main. Der Konkurrenzdruck ist enorm, wer da an sich selbst zweifelt, hat es schwer.

Als Sie angefangen haben, war der Konkurrenzdruck sicherlich auch schon sehr hoch.

Damals war ein Konkurrenzdruck da. Aber das hat sich enorm gesteigert.

Viele Sinfonieorchester sterben in Deutschland, dennoch bietet Deutschland gerade im Orchesterbereich weltweit immer noch beste Voraussetzungen.

Das bedeutet auch: Man konkurriert mit der ganzen Welt. Wenn ein Probespiel stattfindet und ausgewählt wird, welcher Musiker die Stelle bekommt, kommt die Mehrzahl der Bewerber aus dem Ausland. Vor allem bei Musikern aus Ostasien hat klassische Musik einen hohen Stellenwert.

Was für weitere Tipps geben Sie jungen Musikern, die Berufsmusiker werden wollen?

Sie sollten sich nicht zu sehr auf einen Bereich festlegen. Es gibt auch anderes als Orchestermusik. Wenn man sich selbst zu sehr einschränkt, hat man es umso schwerer.

Was braucht man für Voraussetzungen, um Berufsmusiker zu werden?

Vor allem braucht es die Disziplin, die man aufbringen muss, täglich mehrere Stunden zu üben. Wenn man das nicht macht, hat man keine Chance, mitzuhalten. Außerdem braucht es Geduld, Selbstbewusstsein und natürlich Enthusiasmus für die Arbeit.

Es ist wahrscheinlich die längste Ausbildung, die es überhaupt gibt. Selbst Mediziner müssen nicht erst einmal zwanzig Jahre schuften, bis sie in den Beruf dürfen, in den sie wollen. Bei uns ist das der Fall.

Wann müssen Kinder anfangen, damit sie überhaupt eine Chance haben?

Normalerweise fangen die Kinder zwischen vier und sieben Jahren an. Als Kind prägen sich manuelle Fähigkeiten besonders gut ein. Das ist für Jugendliche traurig zu hören, die erst mit 13 oder 14 Jahren den Wunsch verspüren, dass sie ihren Lebensunterhalt mit Musik verdienen wollen. Das ist dann im Bereich der Streichinstrumente oder beim Klavier kaum noch machbar.

Bei Blechblasmusikern ist das anders. Da müssen die Kinder etwa zehn oder elf Jahre sein, das kann man aufgrund der Physiognomie des Körpers nicht früher lernen.

Es kommt also darauf an, wie sich die Eltern verhalten.

Ja, das ist ein schwieriger Punkt. Eltern sind gut beraten, zu beobachten, ob das Kind Musik liebt, ob es begabt ist und ob das Kind mitmacht, wenn die Eltern es konsequent üben lassen. Wehrt es sich oder protestiert es? Bei mir war das damals so, dass ich keinen Widerstand geleistet habe und getan habe, was von mir verlangt wurde. Es war nicht nur anstrengend, sondern hat mir auch schon als Kind Spaß gemacht.

Das ist nicht bei jedem so. Meine Tochter hat mal zu mir gesagt: "Weißt du eigentlich, dass ich nur wegen dir Geige spiele?" Da habe ich gesagt: "Das musst du wirklich nicht."

Es braucht also zweierlei: Die Musikalität und die Bereitschaft des Kindes mitzumachen. Eltern müssen zwar konsequent sein, wenn die Ausbildung erfolgreich sein soll. Aber sie dürfen ihre Kinder nicht drangsalieren und quälen.

Diese Fälle kenne ich auch. Ich hatte einen Studenten, einen Solisten aus Kanada, der enorm erfolgreich war. Eines Tages sagte er: "Ich höre auf. Ich wollte nie Geige spielen. Meine Mutter hat mich dazu gezwungen." Das war ein tragischer Fall. Eltern müssen ein Gespür dafür entwickeln und sich fragen, ist das die Berufung des Kindes? Geht es in der Musik auf, entwickelt es sich gesund? Wenn das Kind durch den Zwang zum Üben leidet, ist eine musikalische Ausbildung nicht das Richtige.

Das Gespräch führte Charlotte Wittnebel-Schmitz.