Post für sämtliche Jugendleiter

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Alle Hände voll zu tun: Gleich kistenweise haben Karl Englert von der Kommunalen Jugendarbeit und Jugendamtsleiter Siegbert Goll die Verträge zum Umgang mit Führungszeugnissen bestellt: Am Montag werden 1100 Vereine und Organisationen im Landkreis angeschrieben. Fotos: Ralf Ruppert
Alle Hände voll zu tun: Gleich kistenweise haben Karl Englert von der Kommunalen Jugendarbeit und Jugendamtsleiter Siegbert Goll die Verträge zum Umgang mit Führungszeugnissen bestellt: Am Montag werden 1100 Vereine und Organisationen im Landkreis angeschrieben. Fotos: Ralf Ruppert
Sensibler Bereich: Wenn Trainer Erik Mehlmann im Hochseilgarten Volkersberg Gurte checkt, muss jeder Schritt angekündigt sein.
Sensibler Bereich: Wenn Trainer Erik Mehlmann im Hochseilgarten Volkersberg Gurte checkt, muss jeder Schritt angekündigt sein.
 

Das Jugendamt schreibt in der kommenden Woche 1100 Organisationen an, um den Umgang mit Führungszeugnissen zu regeln. Unabhängig davon sollten Vereine genau hinschauen.

Eigentlich war es bereits zu Jahresbeginn geplant, wegen der Wahlen und personeller Engpässe sollen die 1100 Briefe nun am Montag rausgehen: Das Jugendamt schreibt jeden Verein, jede Partei, jede Organisation und jeden Verband im Kreis an, der etwas mit Jugendarbeit zu tun haben könnte. Ziel: eine einheitliche Regelung zur Umsetzung des Bundes-Kinderschutz-Gesetzes. Ehrenamtliche, die mit Kindern zu tun haben, müssen nämlich ein amtliches Führungszeugnis vorlegen.
Hört sich ganz einfach an, die Tücke liegt aber im Detail.
"Eigentlich hätte der Gesetzgeber ein abgespecktes Führungszeugnis einführen müssen", sagt Jugendamtsleiter Siegbert Goll. Denn: Wichtig für den Kinderschutz sind nur einzelne Delikte, wie sexueller Missbrauch oder Misshandlung von Schutzbefohlenen, Nötigungen oder exhibitionistische Handlungen. Das Führungszeugnis enthalte aber alle Delikte, auch die viel zitierten Jugendsünden.

Gemeinde filtert die Angaben

Oft sei zudem nicht klar, was hinter juristischen Formulierungen steckt. "Eine Körperverletzung mit Todesfolge kann ein Autounfall gewesen sein, aber es kann auch ein brutaler Schläger vor mir stehen", nennt Karl Englert von der Kommunalen Jugendarbeit als Beispiel.
Also hat sich der Landkreis Bad Kissingen am Regensburger Modell orientiert - wie bereits beim Verein "Pro Jugend": Ehrenamtliche erhalten von ihrem Verein eine Bestätigung, mit der sie bei der Gemeinde das Führungszeugnis kostenlos anfordern können. Geschickt wird es an die Privatadresse. Wer will, kann das Zeugnis direkt beim Verein vorlegen. Aber: "Die Verantwortlichen kriegen Einblick in Dinge, die sie gar nicht wissen dürfen", rät Goll davon ab. Der Vorsitzende dürfe das Führungszeugnis weder behalten, noch mit jemandem über den Inhalt sprechen. "Es soll keiner sein Führungszeugnis bei seinem Nachbarn abgeben müssen", bringt Englert das Dilemma auf den Punkt.
Deshalb der zweite Weg: Die Ehrenamtlichen lassen ihr Zeugnis bei ihrer Gemeinde einsehen. Die Mitarbeiter der Einwohner-Meldeämter stellen dann eine speziell für die Belange des Kinderschutzes formulierte Bestätigung für die Vereine aus. Damit soll nicht nur der Datenschutz gewahrt bleiben, sondern die Vereine erhalten ein Dokument, das sie archivieren können. Das Ziel: mehr Rechtssicherheit. "Das Modell dient aus meiner Sicht dem Schutz der Kinder und der Ehrenamtlichen", sieht Goll nur Vorteile.
Das Führungszeugnis bleibe allerdings nur ein Baustein im Kinderschutz, betonen Goll und Englert einhellig. Damit finde man nur die Straftäter. "Jeder ist verpflichtet, in seinem Verband über das Thema zu reden", plädiert Englert deshalb für einen höheren Stellenwert der rechtlichen Ausbildung von Ehrenamtlichen. "Wir trennen uns beim TSV Bad Kissingen von jedem Trainer, bei dem wir denken, dass er zu oft in die Umkleide reinglotzt", nennt Karl Englert als Beispiel. Auch Jugendamtsleiter Goll fordert mehr Wachsamkeit: "Mit blöden Sprüchen fängt alles an, da muss man schon ansetzen." Zudem sei jenseits von strafrechtlichen Taten auch jeder in der Jugendarbeit fehl am Platz, der Jugendlichen falsche Werte vermittelt, sei es bei Drogen oder im Umgang mit Sexualität.

Warten auf die Regelung

Das sieht auch Ralf Sauer, stellvertretender Leiter der Jugendbildungsstätte Volkersberg so: 140 Ehrenamtliche arbeiten in der kirchlichen Bildungseinrichtung mit. "Das Führungszeugnis nimmt mir nicht die Pflicht, mir die Ehrenamtlichen ganz genau anzuschauen und präventiv tätig zu werden." Deshalb gebe es auf dem Volkers berg immer wieder Seminare zum Thema sexuelle Gewalt und zu rechtlichen Rahmenbedingungen. Trotzdem wartet Sauer bereits auf die Post vom Jugendamt, denn: In anderen Landkreisen ist man zum Teil schon weiter: "Wir bekommen jetzt schon keine Zuschüsse mehr vom Kreisjugendring Main-Spessart", berichtet Sauer. Dadurch fehlen der Jugendbildungsstätte bis zu 600 Euro bei jeder Schulklassen von dort - heuer bereits rund 5000 Euro.

Novelle Das neue Bundes-Kinderschutz-Gesetz ist bereits zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Unter anderem werden darin alle Akteure gestärkt, die sich für das Wohlergehen von Kindern einsetzen: von Eltern über Kinderärzte und Hebammen bis zum Jugendamt. Unterstützt wird unter anderem der Aufbau von so gennanten Familienhebammen und der Netzwerke "Frühe Hilfe", zudem wurden einheitliche Standards in der Kinder- und Jugendhilfe festgeschrieben.

Führungszeugnis Für hauptamtliche Mitarbeiter der Jugendhilfe wurde das erweiterte Führungszeugnis gleich 2012 vorgeschrieben. In Behörden sind die Zeugnisse seit jeher Pflicht, neu ist nur, dass sie alle zwei Jahre erneuert werden müssen.