Immer mehr Senioren aus dem Landkreis rutschen mit ihrer schmalen Rente in die Armut. Sozialberaterin Gabriele Morath kann dank der Spendenaktion "Weihnachtshilfe" der Saale-Zeitung helfen, wenn es akut wird.
Sieglinde Wertinger* (*Name von der Redaktion geändert) will nicht, dass ihre Tochter über die Feiertage zu ihr kommt. Die 67-Jährige schämt sich. Sie glaubt, versagt zu haben. Ihr Selbstwertgefühl? Hat sich schon lange nicht mehr gemeldet. Sieglinde Wertinger kann es sich nicht leisten, ein Festmenü für die Familie zuzubereiten. 189 Euro Rente bekommt sie im Monat. Wie ihr geht es immer mehr Senioren im Landkreis. Mindestens einer pro Monat sucht Hilfe bei der Sozialberaterin Gabriele Morath.
Sie erlebt jeden Tag Menschen in Notsituationen. Im vergangenen Jahr hat Gabriele Morath 202 Leuten aus dem Landkreis als Sozialberaterin zur Seite gestanden. Familien, Senioren, Alleinerziehende, Alleinstehende: Hauptsächlich betreut sie Familien. Doch: "Die Zahl der Senioren könnte die der Familien bald übersteigen", sagt Gabriele Morath. Zu der Sozialberaterin kommen mehr Frauen als Männer. Die klassische Vorgeschichte: Die Frauen arbeiten zuerst wie die Männer, sind angemeldet und zahlen in die Rentenkasse ein. Dann kommen die Kinder, dann der Mini-Job und schließlich bleibt eine schmale Rente. Wie bei Gerda Hoffmann*.
"Ich hab' doch 45 Jahre gearbeitet", sagte sie zu Gabriele Morath, als sie zum ersten Mal zu ihr kam. 368,71 Euro standen auf ihrem Rentenbescheid.
Doch was sie wirklich aufregte, waren einige Schreiben. "Sie war ganz aufgelöst", sagt die Sozialberaterin. Zuletzt hatte Gerda Hoffmann einen Mini-Job und bekam Harzt IV. Jetzt, wo sie in die Rente wechselt, soll mit der sogenannten Grundsicherung aufgestockt werden. Doch bevor das Sozialamt zahlt, wird überprüft, ob ihre nächsten Verwandten finanziell einspringen können. Sogar ihre 85-jährige Mutter wurde angeschrieben, sagt Gabriele Morath. "Die bekommt noch weniger Rente als sie selber." Sie haben ihr ganzes Leben für die Familie gearbeitet, doch am Ende reicht es nicht: "Viele Senioren haben das Gefühl: Ich hab's nicht geschafft. Das zieht sie runter." Das Selbstvertrauen leidet. Sie schämen sich und haben das Gefühl, versagt zu haben, meint Gabriele Morath. Mit den Spenden der Aktion Weihnachtshilfe der
Saale-Zeitung kann sie ihnen unter die Arme greifen, wenn es akut wird.
Jede kleine Spende zählt
Ein halbes Dutzend Briefumschläge liegt vor Gabriele Morath. Weiße, braune, große und kleine. Darin: 25 Euro, 30 Euro, 100 Euro - "die meisten spenden anonym", sagt sie. Dazu kommen viele kleine Aktionen, die Teile ihres Erlöses abgeben - vom Strickkreis bis zum Bastler. Gabriele Morath ist gerührt von so viel Hilfsbereitschaft.
Ob sich Sieglinde Wertinger an Weihnachten mit ihrer Tochter trifft, weiß sie nicht. Die Sozialberaterin hat sich für heuer mit einer Bitte von ihr verabschiedet: "Ich hätte den Wunsch, dass Sie sich etwas gönnen und dass Ihre Tochter zu Ihnen kommt."