Ich kann den Eltern meiner ehemaligen Schüler den Dank zurückgeben, dass sie mir das Wichtigste, das sie haben, anvertrauten.
In Sachen Lohrer Bahnhof haben Sie aber nichts erreicht ...
Zumindest, dass der Bahnhofsplatz gemacht wurde und kein Müll herumliegt. Vielleicht kommt auch noch die Toilette. Man merkt, dass der Bürgermeister bemüht ist. Mit 80 Jahren will ich die 30 Stufen zum Gleis 3 so verbessert haben, dass wir den Zug in Richtung Aschaffenburg auch mit den Rollator noch erreichen können. Das ist mein Ziel.
Das Wirtshaussingen liegt Ihnen am Herzen ...
Für mich ist das Leben ein großer Gesang (er zitiert "Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen" von Rainer Maria Rilke). In den Volksliedern stecken auch unendlich viele Weisheiten. Sie sind für mich ein Stück Lebensfreude.
Man sagt, man müsse sie von der Tanzfläche jagen. Stimmt das?
Augustinus sagt so schön: ,Mensch, lerne Tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit Dir anzufangen'. Tanz ist für mich Therapie, Prophetie und eine Poesie, damit die Seele Flügel bekommt.
Außerdem sind Sie Dr. rer. potatonis - Doktor der Kartoffel des Kartoffelclubs Lohr. Wie kam's?
Mich kann man mit Kartoffeln begeistern. Aber das ist nur ein h.c.-Doktor - ein Titel nicht honoris causa, sondern humoris causa.
Auch der Baugenossenschaft Lohr, Ihrem Vermieter, klopfen Sie immer wieder auf die Finger ...
Ja (lacht). Ich war einige Jahre im Aufsichtsrat, fünf Jahre ehrenamtlicher Vorstand. Bin stolz darauf! Nun möchte ich, dass diese wunderbare Einrichtung im Sinne der Gründer noch viele Jahre besteht.
Welche Erfahrung haben Sie in den 25 Jahren als Schöffe bei Gericht gemacht?
Für mich war die Erkenntnis wichtig, dass es neben der irdischen Gerechtigkeit auch eine göttliche gibt. Ich bin dem Himmel dankbar, dass ich immer mit Richtern und Staatsanwälten zu tun hatte, die versucht haben, den Weg des Angeklagten nachzuvollziehen und seine Beweggründe herauszufinden. Da sehe ich auch eine Parallele zum eigenen Leben: Mich hat ein Pfarrer mit zwölf Jahren fast totgeschlagen, weil ich seine Sehnsucht nach Zärtlichkeiten nicht erfüllt habe. Er musste eine große Summe als Buße an den Kindergarten Langenprozelten zahlen - und wurde dafür noch als Spender hochgeachtet.
Sind Sie deshalb aus der Kirche ausgetreten?
Nein, erst nachdem ich später als Rektor Ähnliches erlebt habe: einen Pfarrer, der Kinder misshandelt hat. Als ich das beim Generalvikar vortrug, wurde ich so arrogant behandelt, dass ich ausgetreten bin. Aber ich habe ein gutes Gottesbild heute: Es ist ein erlösender Gott, kein strafender.
Was hat es mit dem Bart auf sich, der erst nach der Pensionierung 2010 spitz wurde?
Eine Erinnerung an meinen Urgroßvater Rudolf. Es ist kein Kaiser-Bart, sondern ein Adler-Bart. Er ist für mich das Symbol für den Adler, der das Fliegen gelernt hat. Ich habe durch das Lebensschicksal auch Flügel gekriegt. Manchmal lässt er die Flügel hängen.
Sie sind also auch ein Philosoph wie Ihr Ur-ur-ur-Großonkel?
Ich stamme aus der degenerierten Linie seines Bruders Georg Ludwig Hegel - da bestehe ich besonders drauf. Ich bin nur ein Hobby-Philosoph. So wie der Hegel will ich nicht sein. Das war kein Philosoph meiner Art. Er schwamm ganz einfach auf der Welle der beginnenden Aufklärung mit. Ich selbst orientiere mich eher an dem Griechen Epikur. In erster Linie aber war ich Vater und Lehrer.
Das Gespräch führte Roland Pleier