Schokohelden gesucht

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Arno Wielgoss aus Nüdlingen besucht mindestens ein Mal im Jahr die Kooperative der Kakao-Bauern in Peru. Foto: Archiv Arno Wielgoss
Arno Wielgoss aus Nüdlingen besucht mindestens ein Mal im Jahr die Kooperative der Kakao-Bauern in Peru. Foto: Archiv Arno Wielgoss
Kakaobohnen schmecken im Rohzustand herb und bitter. Foto: Archiv Arno Wielgoss
Kakaobohnen schmecken im Rohzustand herb und bitter. Foto: Archiv Arno Wielgoss
 
Die Bauern im Urubambatal bekommen für ihren Kakao oft zu wenig Geld. Foto: Archiv Arno Wielgoss
Die Bauern im Urubambatal bekommen für ihren Kakao oft zu wenig Geld. Foto: Archiv Arno Wielgoss
 

Arno Wielgoss gründete eine Firma, die fairen Bio-Kakao aus Peru importiert. Nun soll Edel-Schokolade daraus werden - finanziert per Crowdfunding-Aktion.

Was Arno Wielgoss für und mit Kakao-Bauern in Peru geleistet hat, würden die meisten Menschen definitiv als Heldentat bezeichnen. Doch allein lässt sich die Welt nur schwer retten. Über eine Crowdfunding-Aktion sucht der 35-Jährige nun Mitstreiter, die sein Projekt finanziell unterstützen und so dabei helfen, aus fair gehandeltem Bio-Kakao Schokolade zu produzieren. "Schokohelden" nennt er diese potenziellen Spender.
Manche Wege sind lang und verschlungen: Könnte Arno Wielgoss aus Nüdlingen seinem kleinen Sohn dieses Jahr eine Tafel Schokolade unter den Weihnachtsbaum legen - er hätte wahrscheinlich eine entscheidende Etappe in seinem Lebensprojekt erreicht. Natürlich sollte es eine Tafel "Chuncho Gold" sein - laut Wielgoss "die nachhaltigste und direkteste Schokolade der Welt" - so sie denn genug Unterstützer findet und produziert werden kann.
Dass es soweit kommt, daran zweifelt der tropische Agrarökologe eigentlich nicht. Was die Finanzierung angeht - das Ziel der Kampagne liegt bei 25 000 Euro - ist Wielgoss optimistisch. Immerhin waren gut sieben Tage nach Start der über sechs Wochen laufenden Crowdfunding-Aktion bereits fast 15 000 Euro verbucht.


Schicksalsschlag

Überhaupt hat Arno Wielgoss schon andere Hürden als diese genommen: Im Alter von 18 Jahren ereilte ihn ein familiärer Schicksalsschlag. Sein zwei Jahre älterer Bruder Frederic wurde in Peru beim Baden im Urwaldfluss Urubamba von einem Strudel erfasst und ertrank. Vermisst heißt es offiziell.
Für die Familie wurde das tragische Unglück zur Initialzündung: Freunde, Verwandte und Bekannte in Deutschland hatten nach Frederics Verschwinden einen Spendenaufruf initiiert, um beim Aufbringen der Kosten für die aufwendige Suchaktion zu helfen. Als die gespendeten Gelder die Kosten überschritten, entschieden die Eltern, mit dem Geld den Menschen in der Region des Urubambatals zu helfen.
Die Eltern gründeten den gemeinnützigen Verein "Frederic - Hilfe für Peru e.V.". Im Laufe der Jahre wurde Sohn Arno, inzwischen Student der tropischen Biologie in Würzburg, immer mehr zur Schlüsselfigur vieler Vereins-Aktionen.
Irgendwann reifte bei ihm die Erkenntnis: "Die Leute im Urubambatal bekommen einfach einen viel zu schlechten Preis für eine ihrer Haupteinnahmequellen, den Kakao." Das wollte er ändern. Über verschiedene Vereinsprojekte hatte er schon rund zehn Jahre mit den Kakao-Bauern im Tal geackert und die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft forciert. "Jetzt brannten sie die Wälder nicht mehr ab, achteten auf die Böden, legten Mischkulturen an, förderten die Biodiversität. Jetzt wollte ich, dass sie auch einen guten Preis bekommen." Nach zweieinhalb Jahren Kampf war der Kakao der Kleinbauernkooperative zwar Fairtrade- und biozertifiziert, Bestpreise aber nicht in Sicht.
"Lass es uns in die eigene Hand nehmen", schlug irgendwann Arnos Kollegin Frauke Fischer, Tropenökologin an der Uni Würzburg, vor. Mit ihr teilte sich Wielgoss während seiner Promotion ein Büro.


Privatkredit aufgenommen

2015 gründeten die beiden die GmbH Perú Puro und nahmen einen Privatkredit auf. Statt weiterhin einen Käufer zu suchen, der einen guten Kakao-Preis zahlt, tun sie das seither einfach selbst. In den letzten zwei Jahren hat die Firma so circa zehn Tonnen Kakao aufgekauft und nach Deutschland gebracht. Bislang wurden die Kakaobohnen allerdings nur in Rohform und geröstet, als Kakao-Nibs und Kakao-Tee, vor allem über Eine-Welt-, Bio- und Gourmetfachgeschäften sowie online verkauft.
Ihren Edel-Kakao in eine hochwertige Schokolade verwandeln, das war immer das große Ziel von Wielgoss und Fischer. Vor allem seit sie im Sommer 2016 im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz erfahren hatten, dass ihr Kakao Chuncho der Urkakao sein soll, von dem alle anderen Kakao-Sorten abstammen.
Nun hat anscheinend auch eine Schweizer Schokoladenmanufaktur das Potenzial des Chuncho erkannt: "Die Gruppe dieser Kakao-Sensoriker war von unserem Kakao begeistert." Gemeinsam mit der Manufaktur wurde ein Rezept für eine Grand-Cru-70-Prozent-Schokolade entwickelt.
Das Problem: Die Mindestmenge für die Produktion von Schokolade auf der Profianlage in der Schweiz beträgt eine Tonne Kakao. "Weil wir den Bauern auch jetzt wieder ihre Kakao-Ernte vorfinanzieren und so viel Kakao wie möglich abkaufen möchten, können wir die Schokoladenproduktion nicht alleine bezahlen", sagt Wielgoss.
Statt erneut für einen Bankkredit, entschieden sie sich für die Crowdfunding-Idee: "Das passt zu einem jungen Start-Up wie uns." Das Besondere beim Crowdfunding ist, dass eine Vielzahl an Menschen ein Projekt finanziell unterstützt. Organisiert wird das meist übers Internet. Die Unterstützer erhalten eine nicht-finanzielle Gegenleistung, also eine Art Dankeschön, in diesem Falle je nach Höhe der Spende diverse Tafeln Schokolade.


Ziel: 25 000 Euro

"Wir brauchen die Schoko-Crowd", erklärt er. Aus dem Verkauf der Schokolade könne die Firma dann die nächste Schokoladenproduktion selber finanzieren. So helfe die Unterstützung jetzt, eine langfristig funktionierende Wertschöpfungskette aufzubauen. Werden die 25 000 Euro erreicht, kann es zügig losgehen. Das Kampagnengeld würde für den Transport der Bohnen in die Schweiz, die Produktion der Schokolade, das Austafeln und Verpacken sowie den Rücktransport nach Deutschland verwendet. Rechtzeitig zu Weihnachten soll die Schokolade dann im Handel sein. "Jetzt brauchen wir nur noch genug Schokohelden."
Unterstützer für die Chuncho-Schokolade werden kann man im Internet unter www.startnext.com/schokoheld
Ines Renninger