Landratswahl Bad Kissingen - Thomas Bold: Schiene nach Norden fehlt

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Thomas Bold im Lichthof des Landratsamtes. Als zentrales Anliegen nennt er das Naturerlebniszentrum Rhön am Klaushof. Benedikt Borst
Thomas Bold im Lichthof des Landratsamtes. Als zentrales Anliegen nennt er das Naturerlebniszentrum Rhön am Klaushof.  Benedikt Borst

Der Landrat will seine vierte Amtszeit antreten. Im Interview redet er über Ängste der Leute in Bezug auf Telemedizin und ärztliche Versorgung, warum sich beim ÖPNV zuletzt einiges verzögert hat und warum ihm das Naturerlebniszentrum wichtig ist.

Seit 18 Jahren steht Thomas Bold (CSU) an der Spitze des Landkreises. Der 59-Jährige kam in Neuwirtshaus zur Welt, machte in Hammelburg Abitur und ging danach zur Polizei. 1996 wurde er Bürgermeister in Wartmannsroth, sechs Jahre später wurde er Landrat. Im Interview erklärt er, warum er beim Nahverkehr auf Rufbusse setzt, wieso ihm der Umgang mit der Natur wichtig ist und weshalb er eine Bahntrasse nach Fulda fordert.

Herr Bold, wie bewerten Sie unseren ÖPNV?

Ich würde sagen, er ist vergleichbar mit anderen Landkreisen im ländlichen Raum. Wir haben Dinge, die sind besser und es gibt sicherlich Dinge, die weiterentwickelt werden müssen. Wir haben Angebote eingeführt, da sind wir weit vorne dran, beispielsweise unsere Schüler-BusFlatrate, das Seniorenticket und die Beförderung der Kurgäste, die wir schon 2014 eingeführt haben. Das ist sicherlich im Verhältnis zu anderen Landkreisen hier sehr fortschrittlich gewesen und kommt auch gut an.

Reichst das? Was ist mit der Mutter, die ihren Azubi-Sohn zur Arbeit fährt und wieder abholt.

Man muss schauen, wie die Linienstruktur ist. Wir haben Freizeitlinien, die sehr gut angenommen werden. Ansonsten orientiert sich viel am Schülerverkehr. 2014 haben wir gesagt, wir warten, bis wir den Verkehrsverbund Mainfranken geschaffen haben, dann passen wir unser Netz an und überlegen, wie wir Linienführungen und Taktung machen. Damals war die Zielrichtung: 2018 sollte der Verkehrsverbund stehen. Das wird federführend von Würzburg und Schweinfurt betrieben. Der Verkehrsverbund hat sich verzögert, weil das Thema sehr komplex ist. Es gibt da sehr viele Partner, mit denen verhandelt wird. Da ist die Schiene mit Deutscher und Erfurter Bahn, da sind die Busunternehmen, die betroffenen Landkreise. Jetzt sind wir da glücklicherweise auf dem Weg. Jetzt haben wir zunächst Planungen für einen Azubishuttle und Bedarfsverkehre beschlossen.

2022 soll der erweiterte Verkehrsverbund fertig sein. Aktuell schreibt der Landkreis den Nahverkehrsplan fort. Gibt es da Änderungen oder wird weiter gewartet?

Da machen wir es wie alle anderen Nachbarlandkreise auch. Wir haben alle im Ergebnis eine ähnliche Strategie.

Wie könnte das am Ende aussehen?

Ich kann Ihnen da jetzt viele Wünsche formulieren, aber am Ende muss es bezahlbar sein. Die Richtung geht in eine Vertaktung von Haupt- und Nebenlinien. Die Hauptlinien fahren im Stundenrhythmus, die Nebenlinien im Zweistundentakt. Dazu kommen flexible Zulieferbusse. Wir müssen überlegen, wo Rufbuslinien Sinn machen. Das braucht Untersuchungen. Da sind wir dabei. Eine Überlegung ist, über ein Rufbussystem Flächenkonzessionen auszustellen. Ein Bus fährt etwa von Hammelburg nach Bad Brückenau und bei der Flächenkonzession sind dann noch die Gemeinden Oberthulba, Oberleichtersbach und Wartmannsroth mit dabei. Dann wird die Strecke gefahren und wenn sich Passagiere entsprechend vorher anmelden, werden sie in ihrem Wohnort mitgenommen. Aber man muss realistisch sein. Wir sind nicht in einer Großstadt. Es gibt einen Bedarf, den man decken muss, aber der ist nicht so, dass wir im 15-Minuten-Takt fahren müssen. Das würde auch nicht dazu führen, dass sofort jeder das Auto stehen lässt und Bus fährt.

Aber müsste man nicht sagen: Unser Ziel ist, dass mehr Leute ihr Auto zuhause lassen?

Wir wollen den Menschen ermöglichen, dass sie mit dem Bus fahren. Wir machen Hauptlinien zwischen Orten, wo viel Frequenz zu erwarten ist. Wenn der Zuspruch da ist, kann man den Takt weiter verdichten. Aber es macht keinen Sinn, Busse leer fahren zu lassen, nur damit ich einen 15-Minuten-Takt habe. Für Menschen in Orten, an denen die Hauptlinien vorbei gehen, müssen wir flexible Möglichkeiten schaffen, damit sie zu den Hauptlinien kommen. Wir können nicht jeden Ort im Landkreis zu jeder Zeit anfahren. Das ist nicht finanzierbar. Aber den Bedarf müssen wir decken. Und wenn wir den ÖPNV ausbauen ist natürlich das Ziel, dass mehr Leute ihn nutzen. Dazu müssen wir die Anbindung an die Hauptlinien verbessern.

Ist der ÖPNV das drängendste Problem im Landkreis oder sehen Sie noch andere Themen?

Der ÖPNV ist wichtig, aber man darf die Mobilität nicht isoliert sehen. Mobilität und Versorgung gehören zusammen. Wir brauchen beides. Im ländlichen Raum geht es auch um die Nahversorgung, also um Geschäfte, bei denen man sich mit Gütern des täglichen Lebens versorgt. Ein Dorfladen kann in einem Ort funktionieren und in einem anderen gar nicht. Alternativ kann der Bäcker oder der Metzger auch mit einem Verkaufswagen kommen. Solche Konzepte versuchen wir weiterzuentwickeln. Für die Lebensqualität sind diese Themen wichtig.

Auch die hausärztliche Versorgung brennt den Leuten unter den Nägeln, umso mehr in unserem Landkreis mit der hohen Altersstruktur von Ärzten und Patienten.

Ärztliche Versorgung und Pflege sind wichtige Themen für die Menschen, weil sich die Lebensverhältnisse geändert haben. Das, was früher die Familie aufgefangen hat, geht heute so nicht mehr. Deswegen ist das für mich ein ganz zentraler Punkt. In der pflegerischen Versorgung ist der Landkreis selbst sehr aktiv über die Carl-von-Heß'sche Sozialstiftung. Aus unserem Seniorenpolitischen Gesamtkonzept kam außerdem die Forderung nach einem Pflegestützpunkt, der jetzt umgesetzt wird. Wir haben Fachstellen für pflegende Angehörige, bieten Wohnraumberatung und wir haben das Kompetenznetzwerk Demenz. Ich halte es für wichtig, viel Beratung anzubieten. Bei der ärztlichen Versorgung haben wir uns sehr stark dafür eingesetzt, dass es an der Uni Würzburg einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin gibt, der zwar nicht sofort, aber in der Perspektive Auswirkungen hat.

Was kann da die Telemedizin beitragen? Ein Arzt am Bildschirm kann den Kontakt zum Patienten doch nicht ersetzen.

Das ist das gängige Schreckensszenario, aber darum geht es gar nicht. Ich sehe die Telemedizin so, dass sie eine dienende Funktion hat und keine herrschende. Sie muss den Arzt unterstützen. Wenn Sie zum Beispiel einen Beatmungspatienten haben und stehen in Kontakt zur Fachklinik. Stellen wir uns vor, der Hausarzt ist mit einer Situation überfordert. Aktuell würde er den Patienten ins Krankenhaus schicken. Mit Telemedizin macht er ein Telekonzil und der Facharzt sagt, was getan wird. Das spart dem Patienten im besten Fall unnötige Wege. Telemedizin hilft auch chronisch Kranken, wenn regelmäßig Daten ausgelesen werden müssen und man reagieren muss, wenn etwas nicht stimmt. Das ersetzt zwar nicht den Arztbesuch, bietet aber Sicherheit, in der eigenen Wohnung zu bleiben.

Trotzdem dürfen die Befürchtungen nicht heruntergespielt werden. Für Frauen, die keine Hebammen finden, bieten Krankenkassen aus der Not heraus schon Hebammen-Telefonhotlines an.

Sie sprechen ein bundesweites Problem an. Bei der Hebammen-Thematik haben wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten eingesetzt und sind durch die geplante Hebammen-Notversorgung mit Hebammen und Krankenhäusern im Gespräch. Allgemein sind die Ängste rund um Telemedizin und damit verbundenen neuartigen Angeboten auch bei Ärzten am Anfang sehr stark diskutiert worden. Man muss den Menschen die Angst nehmen und man muss die Telemedizin so einsetzen, dass sie dem Menschen dient.

Was ist noch ein zentrales Anliegen für Sie?

Mir ist das Naturerlebniszentrum Rhön, das der Freistaat errichtet, ein Herzensanliegen. Für mich war von Beginn an unser Naturraum wichtig und wie wir damit umgehen. Große Teile des Landkreises sind im Unesco Biosphärenreservat Rhön. Die Erweiterung habe ich 2002 angestoßen, 2014 wurde sie abgeschlossen. Das war das größte Naturschutzprojekt in der Wahlperiode 2008 bis 2013 in Bayern. Damit sich das Biosphärenreservat gut entwickelt, war für mich wichtig, dass zumindest eine große Einrichtung der Umweltbildung im Erweiterungsraum entsteht. Das ist uns gelungen, indem wir am Klaushof das Naturerlebniszentrum bekommen. Mit der Außenstelle werden wir im Bereich Umweltbildung und Nachhaltigkeit eine Vorbildfunktion einnehmen.

In Nüdlingen lehnen die Kritiker aus Naturschutzgründen die Ortsumgehung ab. Der Kreis macht sich aus denselben Gründen gegen Südlink stark. Gleichzeitig fordern Sie eine neuen Bahntrasse von Kissingen nach Fulda. Wie passen Natur und Infrastruktur zusammen?

Das ist die Grundproblematik. Wir brauchen Infrastruktureinrichtungen. Wenn wir Verkehr von der Straße bringen wollen, brauchen wir Schienenverbindungen. Mich treibt es um, dass wir keine Schienenanbindung nach Norden haben. Bad Kissingen ist Oberzentrum und ein herausragender Tagungsort. Als Kissingen die jährliche Tagung des Deutschen Beamtenbundes verloren hat, ging es auch um die Verkehrsanbindung. Die Trasse verbindet die Wirtschaftsräume Fulda und Schweinfurt und passt aus meiner Sicht gut in die derzeitigen Überlegungen, das Schienennetz auszubauen. Das ist natürlich keine kurzfristige Maßnahme. Das Projekt muss überall vorgetragen werden und es muss in die Verkehrswegeplanung aufgenommen werden. Das braucht Zeit, aber wir müssen es jetzt anstoßen.

Wie sehen Sie Nüdlingen?

Sie erleben es in vielen Bereichen, dass Einzelinteressen bei solchen Entscheidungen eine Rolle spielen. In Nüdlingen kommen verschiedene Dinge zusammen. Die Belastung im Innenort ist wirklich extrem. Wo wenn nicht in Nüdlingen sollte eine Umgehung hin? Wenn die Umgehung kommt sind aber andere Gruppen belastet. Jetzt haben die Bürgerinnen und Bürger entschieden und das sollte man in Nüdlingen auch akzeptieren.

Die Fragen stellte Benedikt Borst.

Diskutieren Sie mit!

Podium Thomas Bold (CSU), Manuela Rottmann (Grüne) und Thomas Menz (SPD) stehen auf unserem Podium Rede und Antwort. Die Veranstaltung findet statt am Donnerstag, 20. Februar, in der Mehrzweckhalle in Oberthulba. Beginn ist um 19 Uhr. Fragen an die Kandidaten mailen Sie uns an:

b.borst@infranken.de