Der Dekan i. R. Michael Wehrwein sticht im August in See. Er ist dann zuständig für 1200 Passagiere und die Besatzung.
Michael Wehrwein sieht dem Einsatz mit spürbarer Freude und auch einiger Spannung entgegen: Der ehemalige Dekan des von Marktheidenfeld bis in die Rhön reichenden evangelisch-lutherischen Dekanats Lohr sticht im August in See. Er heuert auf der Artania, einem 230 Meter langen Kreuzfahrtschiff, an.
Los geht es am 5. August in Bremerhaven. Ziel der zehntägigen Schiffsreise sind England und Irland. Das touristische Programm der Kreuzfahrt wird Wehrwein freilich nur am Rande genießen können. Sein Auftrag ist die geistliche Betreuung der 1200 Passagiere. Aber auch für die 400 Besatzungsmitglieder, die zum Teil monatelang auf dem Schiff sind, will Wehrwein ein offenes Ohr haben. Er geht davon aus, im Mannschaftstrakt untergebracht zu sein. Sein Vorgesetzter an Bord sei der Eventmanager, sagt Wehrwein schmunzelnd.
Auch Trauungen möglich
Der 66-Jährige stellt sich auf ein breites Aufgabenspektrum ein. Es reicht von regelmäßigen Gottesdiensten und Andachten über seelsorgerische Gespräche bis hin zu Jubiläen wie Goldenen Hochzeiten. Daneben plant Wehrwein für Seetage und Schlechtwetterphasen Vorträge zu verschiedenen Lebensfragen oder zum Lutherjahr. Theoretisch könnte er auf See sogar Trauungen vornehmen, jedoch nur, wenn das Paar die nötigen standesamtlichen Unterlagen dabei hat. Denkbar sind allerdings auch Todesfälle, bei denen Wehrwein Angehörigen Begleitung anbieten würde.
"Das wird kein Urlaub", weiß Wehrwein über seinen Einsatz. Da viele Menschen im Urlaub offener als im Alltag seien, hofft der Geistliche darauf, einen guten Zugang zu den Reisenden zu finden. Eine Bezahlung erhält Wehrwein übrigens nicht. Kost und Logis sind jedoch frei. Wehrweins Frau, die mitreisen wird, muss hingegen den normalen Reisepreis zahlen.
Nur wenige Posten
Der Lohrer Dekan i.R. hatte sich bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für den Einsatz beworben. Rund 50 Stellen als Kreuzfahrtseelsorger werden von dieser koordiniert. Früher, so erzählt Wehrwein, habe es mehr solcher Stellen gegeben.
Aber mittlerweile böten viele Reiseveranstalter eine seelsorgerische Begleitung nur noch an den Weihnachtsfeiertagen an. Für das von einem religiösen Chef geleitete Unternehmen Phoenix-Reisen, das die Kreuzfahrt rund um England und Irland organisiert, sei die Anwesenheit eines Seelsorgers jedoch ein Markenzeichen, erzählt Wehrwein. Abwechselnd seien evangelische und katholische Geistliche an Bord.
Wehrwein war nach seiner Bewerbung von der EKD zu einer Art Vorstellungsgespräch nach Hannover eingeladen worden. Dort konnte er sicher nicht nur durch jahrzehntelange Berufserfahrung punkten, sondern auch durch die Tatsache, dass er bereits unzählige Familienfreizeiten organisiert und begleitet hat.
Nicht die erste Kreuzfahrt
Das Reiseziel konnte sich Wehrwein aussuchen. "Ich hätte auch in die Karibik gekonnt, wollte aber lieber in den Norden." Es wird nicht die erste Kreuzfahrt für Wehrwein sein. Er hat schon mehrere Urlaube auf Schiffen verbracht, unter anderem im Mittelmeer und der Nordsee. Dabei habe er sich als weitgehend seefest erwiesen. Lediglich einmal sei es ihm bei höherem Wellengang "ein bisschen schummrig" geworden.
Gründe dafür, dass er sich auch in seinem Ruhestand als Geistlicher betätigt, nennt Wehrwein mehrere. Zum einen sei da der Reiz des besonderen Arbeitsumfeldes auf See. Daneben sei es bei einem Geistlichen generell anders als vielleicht bei einem Maurer: "Da lässt man nicht mit 65 den Hammer fallen. Es wäre ja auch unglaubwürdig, wenn man plötzlich nichts mehr mit der Sache zu tun haben wollte", sagt Wehrwein über seinen früheren Beruf, der ihm auch weiter Berufung ist.
Langeweile kann es indes nicht sein, die ihn zur Kreuzfahrtseelsorge getrieben hat. Denn der ehemalige Dekan teilt das Schicksal vieler Rentner: Er hat kaum Zeit. Zwar gönnte er sich nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst ein Sabbatjahr im Dekanat. Jedoch ist Wehrwein seit Eintritt in den Ruhestand anderweitig vielfach eingespannt.
Häufig half er außerhalb des Dekanats bei Gottesdiensten aus, er schreibt für das Sonntagsblatt, arbeitet in einem kirchlichen Arbeitskreis in Nürnberg mit oder betätigt sich als Kur-Seelsorger im Allgäu.
"Gut ausgebucht"
"Ich bin ganz gut ausgebucht", sagt Wehrwein, der auch noch Zeit für Hobbys wie das Wandern im Spessartverein oder den gepachteten Garten in Wombach Zeit finden will.
Die saisonale Bindung durch den Garten ist auch der Grund dafür, dass Wehrwein sich nicht für einen längeren Auslandseinsatz bewirbt. Die EKD suche händeringend Personal für ein halbes Jahr in Südafrika. "Das ist dann doch etwas lang, gerade im Hochsommer, wenn der Garten ruft", sagt Wehrwein.
Er hat eine andere, im Sommer beginnende Aufgabe angenommen: Ab Ende Juni wird er für ein Jahr die Präsidentschaft des Rotary Clubs Lohr-Marktheidenfeld übernehmen.