Nackte Haut in Bad Kissingen: Als der "Postbote" den Saal füllte

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Anneliese und Albert Weber erinnern sich an die Zeit in der die Leute aus der ganzen Region in ihr Strip-Lokal "Mascott" nach Bad Kissingen kamen. Fotos: Carmen Schmitt
Anneliese und Albert Weber erinnern sich an die Zeit in der die Leute aus der ganzen Region in ihr Strip-Lokal "Mascott" nach Bad Kissingen kamen. Fotos: Carmen Schmitt
Anneliese und Albert Weber waren jede Nacht in ihrem Lokal. Sie sorgten für Stimmung und gute Laune.
Anneliese und Albert Weber waren jede Nacht in ihrem Lokal. Sie sorgten für Stimmung und gute Laune.
 
Zu Beginn lief in der Tanz-Café-Bar noch Walzer und Tango.
Zu Beginn lief in der Tanz-Café-Bar noch Walzer und Tango.
 

Seit 40 Jahren fallen die Hüllen in der Kissinger Straße. Anneliese und Albert Weber haben ihr Tanz-Café zum Strip-Lokal gemacht und das "Mascott" auf Bad Kissingens sündiger Meile etabliert.

Geöffnet war jeden Tag von 19 Uhr bis 3 Uhr. Außer sonntags. Wer keine Krawatte um den Hals trug, kam nicht rein. "Besoffene und Amis" sowieso nicht. "Das hätte nur Ärger gegeben", sagt Albert Weber. 19 Jahre lang führte er mit seiner Frau Anneliese das "Mascott". Bad Kissingens erstes Strip-Lokal. Für leichtbekleidete Mädels und erotische Shows standen die Leute Schlange.
Männer wie Frauen.

"Die Fremden haben sich immer einen Puff vorgestellt, aber es war ein solides Lokal", sagt Anneliese Weber. 1973 fand in der Bar des Ehepaars die erste Strip-Show statt. Wo fast zehn Jahre lang Kurgäste das Tanzbein zu Tango und Walzer geschwungen hatten, entblätterten sich für das Publikum ab sofort Damen. Anneliese Weber tat sich zunächst mit der vielen nackten Haut in ihrer Bar schwer. "Ich war total dagegen. Es war furchtbar." Die Mutter von zwei Kindern hatte zu Tanzcafé-Zeiten die Bänder gewechselt und die Ansagen gemacht. Künftig lag es an ihr, auch den Vorhang der Bühne zu öffnen. Sie stand zu dieser Zeit nicht nur hinter, sondern ab und zu auch vor der Theke. Den Gästen zuliebe, erzählt sie.

Ihr Mann Albert war alle paar Wochen in der Region unterwegs, um neue Mädchen zu engagieren. "Jeden Monat hat unser Programm gewechselt", sagt der 85-Jährige. Er brachte den Striptease nach Bad Kissingen, weil sein Geschäft nachließ. Die Kurhausstraße wurde Anfang der 70er-Jahre für den Durchgangsverkehr gesperrt und nicht alle seiner Gäste wollten den Umweg zum Lokal in Kauf nehmen, erzählt er. Probleme bei Genehmigungen hatte er mit Stadt oder Ordnungsamt nie. Einem Nachbarn, der sich beschwerte, antwortete der damalige Bürgermeister schlicht: "Schauen Sie doch nicht hin", erinnert sich Albert Weber.

Sex auf der Bühne

Nach den ersten Strips war dem Inhaber klar: "Wir brauchen ein schärferes Programm." Fortan gab es nicht nur entblößte Mädels, sondern auch Sex auf der Bühne. "Die Leute konnten es gar nicht glauben, dass so was in Kissingen geboten wird." Es brauchte bloß eine Annonce mit dem Satz "Der Postbote ist wieder da", und der Laden brummte. Die Existenz des Clubs war gerettet. "Am Wochenende war es so voll, dass die Leute manchmal auf der Treppe warteten bis sie rein durften." Ins Mascott kamen Männer und Frauen, Junge und Alte. "Es hat sich schnell herum gesprochen. Die Leute kamen bis aus Würzburg", sagt Albert Weber.

Abschied vom Geschäft

Zehn Jahre lang führte er mit seiner Frau das Strip- und Tanz-Lokal. Dann hatten die beiden genug vom "Nachtgeschäft". "Gerade als wir verkaufen wollten, kam jemand, der es unbedingt haben wollte." Das Ehepaar zögerte nicht lange und trennte sich von der Bar. Albert Weber war seitdem nur noch einmal kurz in seinem ehemaligen Tanzlokal, das Bad Kissingen bis heute prägt. Seine 82-jährige Frau Anneliese bereut den Schritt nicht: "Nach dem Mascott habe ich kein Heimweh." Dafür nach ihrer Heimat Düsseldorf, wo sie ihren Mann Albert kennenlernte und die beiden auf das Inserat des Kissinger Lokals aufmerksam wurden.

Prostitution Sex gegen Geld ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Das gilt für die Nachfrage wie für die Ausübung. Vorausgesetzt die Damen und Herren sind freiwillig im Geschäft. Seit 2002 regelt in Deutschland das Prostitutionsgesetz die Belange im Rotlichtmilieu. Ziel dieses Gesetzes ist es, "die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern und das kriminelle Umfeld wirkungsvoller zu bekämpfen".

Gewerbeordnung
Das Mascott gilt rechtlich als "Gaststätte, Bar und Tanzlokal mit regelmäßigen Film- und Stripteasevorführungen". Der Betreiber braucht dafür eine Gaststättenerlaubnis und eine Genehmigung für die "Schaustellungen von Personen". Wer in Bad Kissingen ein Bordell eröffnen will, braucht laut Ordnungsamt der Stadt Bad Kissingen nicht viel mehr als eine Baugenehmigung.

Gesetz Seit 1989 ist in bayerischen Städten und Gemeinden bis 30 000 Einwohnern die Prostitution nicht erlaubt. Das besagt die "Verordnung über das Verbot der Prostitution". Zuvor lag die Grenze bei 20 000 Einwohnern. Bad Kissingen beantragte 2003 bei der Regierung von Unterfranken eine Ausnahme vom Verbot und begründete sie mit dem erhöhten Fremdenverkehr. Im Juni 2004 wurde diese erteilt.