Rolf und David Heiermann würzen "Die Verführung des Casanova" mit rasanten Fecht- und Verfolgungsszenen.
Die Memoiren des Verführers, Abenteurers und Scharlatans Giacomo Casanova bieten so viel Stoff, dass man ganze Bücherwände damit füllen könnte. Besonders die weniger bekannten Seiten des Kosmopoliten, der weit mehr als ein rastloser Liebhaber war, sich hochgebildet wie selbstverständlich zu den Großen aus Kirche und Politik des 18. Jahrhunderts zählte, reizen Autoren, immer neue Aspekte des klassischen Stoffs in die heutige Zeit zu transportieren.
Rolf Heiermann, studierter Literaturwissenschaftler, hat im Fränkischen Theater Maßbach seit 2001 in diversen Lustspielen Regie geführt, "Anna Karenina" und "Jugend ohne Gott" inszeniert und gelegentlich klassische Texte wie "Effi Briest" dramatisiert. Jetzt hat er erstmals eine Komödie geschrieben.
Mit "Die Verführung des Casanova" hat er den durchaus riskanten Versuch gewagt, eine Figur der Weltliteratur - abseits der gängigen Meinung - eher als Verführter, denn als liebestoller Verführer zu zeigen. Heiermann kennt die Spielstätte mit Schlosskulisse, und sein Stück scheint genau für dieses Ambiente geschrieben. Sein temporeiches Spiel um echte und verschmähte Liebe, Verführen und Verführenlassen, um Eifersucht und Vergebung, wird mit den Ideen seines Sohnes David zu einem rasanten Spektakel.
Auf der Flucht Giacomo Casanova, in Ungnade gefallener Kardinalssekretär, flieht aus den berüchtigten "Bleikammern" im Gefängnis von Venedig. Er will, verfolgt vom örtlichen Polizeistatthalter Lipini, der Casanova beim Versuch, ins Schlafzimmer seiner Ehefrau Maria "hinaufzuklettern" erwischt, in das Schloss der Lombardis.
Dort kommt es gleich zu einem furiosen Fechtkampf zwischen dem gehörnten Ehemann und dem Verführer. Dort trifft auch Angelica, Tochter der Lombardis, ein. Die attraktive Philosophin mit Lehrstuhl in Venedig, hat ihren Mann Alberto verlassen, " ... weil der seine Hände nur zum Geldzählen braucht", und trifft auf - natürlich - Casanova. Es kommt aber anders als erwartet: Nicht der Schwerenöter, sondern die Dame steht in Flammen und versucht, den Verfolgten aus seinen Schwierigkeiten herauszuhauen. Mal wirft sie ihm einen Degen zu, mal lügt sie ungeniert ihre Eltern und ihre Freundin Maria an, um sich andererseits mit allen psychologischen Tricks ihrem Traummann Casanova zu nähern. Der aber lässt sie ein ums andere Mal abblitzen.
Spielerisches Ende Als auch noch besagter Bankier Alberto auftaucht, der seine Hände künftig wieder auch "gewissen Körperteilen meiner Gemahlin nähern will", und zudem die Eltern den drohenden Verlust des Schlosses nur mit dem Geld des Schwiegersohns abwenden können, drängen Freundin Maria, die Lombardis und Ehemann Alberto die attraktive Angelica, sich wieder nach Venedig in die Fürsorge ihres Mannes zu begeben. Die aber will Casanova. Der wiederum hat Maria vieles versprochen. Und mit der Dame kommt der Abenteurer zunächst nicht klar. Zunächst ... Wie im venezianischen Volkstheater eines Carlo Goldoni bleibt vieles Spiel, und damit steuert auch die Komödie auf ihr spielerisches Ende zu, denn Casanova war ein leidenschaftlicher Kartenspieler ...
Dem philosophischen Grundtenor mit irrwitzigen Fechtszenen Action und Turbulenz zuzufügen, gehörte zum
Erfolgsrezept der Autoren. "Großartig, wie gekonnt sich die Schauspieler duellierten und gar im Quartett aufeinander einhieben", meinte Besucher Reinhold Schädlich aus Münnerstadt. Theaterleiterin Anne Maar, neuen Ideen und Experimenten durchaus zugetan, weiß aber auch, mit welchen Pfunden sie mit dem Schlossambiente als Kulisse wuchern kann. Niemand also erlag der Versuchung, das Stück in die heutige Zeit zu transportieren. Und so spielte die romantisch-rasante Komödie wie im 18. Jahrhundert nicht nur auf der Bühne. Das Schloss selbst, die Treppen, Balkone und die Wege im Park, waren Spielstätte. Besucherin Brigitte Wolf aus Bad Kissingen meinte: "Das Stück passt einmalig zum Ambiente."
Wie im Actionfilm Fenster flogen auf, Büsche und Bäume boten Versteck, vom Balkon seilte sich der Liebhaber ab.
Maßbach bietet eben alles, womit die Mantel- und Degen-Filme ein so großes Publikum fanden und finden.
Wenn dann Mimen wie Jens Eulenberger sich als wendig galanter Casanova, mit zerrissenem Hemd über der Seidenhose mit dem polternden Haudegen Marc Marchand (Marcello Lipini) duelliert, Eike Domroes und Angela Koschel-de la Croix als betulich verzweifelte Lombardis sich listig gegen die Pleite stemmen, Inka Weinand als Maria mit fallenden Gewändern und blitzendem Strumpfband über die Bühne wirbelt, Susanne Pfeiffer, die kapriziöse Philosophieprofessorin Angelica, leidenschaftlich kühl in Unterwäsche einen tiefschürfenden Monolog hält ("Die Liebe ist eine Laune der Sympathie ...") und Ingo Pfeiffer mit gepuderter Perücke im edlen Rokokokostüm als snobistisch einfältiger Galan geradezu über die Bühne stolziert, dann nehmen sie "ihr" Publikum mit, entsteht anrührendes Theaterfeeling, professionell und doch sehr persönlich, eine Prise Erotik inbegriffen.
Riesenapplaus für das Ensemble und die strahlenden Autoren als Dank eines hingerissenen Publikums bei der Uraufführungspremiere.