Den hessischen Kollegen sei bei Ermittlungen ein besonderer Fang ins Netz gegangen: per Helmkamera gemachte Filmclips von Motorradfahrern aus dem Frühjahr 2021, die "rennähnliche Fahrten" dokumentieren. "Die Auswertung der Aufnahmen ergab gefahrene Geschwindigkeiten von circa 180 km/h (bei 70 km/h)."
Trotzdem sagt Klaus Wiesler, Sachbearbeiter Verkehr bei der PI: "Kontrollen zeigen, dass es den Fahrern nicht um utopische Geschwindigkeiten geht, sondern um das Ausprobieren ihrer Künste in Schräglage." Heißt: Wer beim Sich-in-die-Kurve-Legen mit dem Knie der Fahrbahn möglichst nahe kommt und das auch noch belegen kann, ist der Held.
Und das immer und immer wieder. Der dabei entstehende Lärm nervt natürlich die Anwohner. Will berichtet auch von gefährlichen Situationen, wenn man sich im Verkehr begegnet.
Besonders viele und schwere Unfälle scheinen dabei nicht zu passieren. Sie haben seit dem Ausbau der Strecke 2015 eher abgenommen. Laut Wiesler wurden 2020 neun registriert; vergangenes Jahr waren es nur noch sechs. Eine Person wurde verletzt; vor zwei Jahren waren es zwei. Martina Will sagt aber, dass viele Biker, die unbeabsichtigt in die Leitplanken geraten, die Unfälle weder melden noch ärztliche Hilfe rufen. Sie hauen - wenn es noch geht - einfach ab.
Sowohl Will als auch Wiesler haben beobachtet, dass die meisten Motorradfahrer aus den Landkreisen Bad Kissingen, Main-Kinzig und Fulda kommen, aber auch dem Rhein-Main-Gebiet, vereinzelt aus ganz Deutschland.
"Die Kurven sprechen sich in der Szene schnell rum", sagt Klaus Wiesler. Videos auf so bekannten Internet-Plattformen wie Youtube belegen das. "Die Strecken finden sich aber auch in einschlägigen 'Kurvenplanern'", berichtet der Polizist.
Mit der von den geplagten Anwohnern so ersehnten Polizeipräsenz sei es nicht einfach. Zum einen fehle für eine Dauerüberwachung das Personal. Zum anderen seien die Mottener Kurven zu gut für überraschende Tempokontrollen einsehbar.
Die Beamten fänden es schwierig, eine Stelle zu finden, an der gerichtsverwertbare Messwerte entstehen. Wenn die Polizei anrolle, seien die Biker wie vom Erdboden verschluckt, hat Martina Will beobachtet. Sie vermutet, dass jemand abgestellt werde, der Schmiere steht.
Im Landkreis Kissingen existieren weitere kurvige Strecken: der Hammelburger Lagerberg, der Schindberg bei Münnerstadt, die Nüdlinger Serpentinen und die Pyramide zwischen Arnshausen und Oerlenbach, die Kurven zwischen Platz und Geroda. Doch weder Olaf Gräf, Verkehrsmitarbeiter der PI Bad Kissingen, noch Oliver Eberth, stellvertretender Leiter der PI Hammelburg, berichten von großen Auffälligkeiten oder einem Aufschrei der Anwohner.
Vielleicht, weil die Strecken weiter abseits von Wohngebieten liegen, vielleicht, weil sie sich weniger zum "Cruisen" eignen. Vielleicht haben die Anwohner auch aufgegeben.
Auch wenn ich die Vorwürfe von Frau Will verstehen kann, hat sie dennoch kein Recht auf eine Abschaffung des Getöse. Ein Freund von mir wohnt in einer kleinen Stadt in der Nähe von Frankfurt. Dort gibt es seit ca. zehn Jahren eine ICE Strecke, die von morgens 5 Uhr bis nach 23 Uhr vorbeirasen. Außerdem starten dort von früh bis spät in die Nacht die Flugzeuge über den Ort. Auch wenn in Motten zu bestimmten Zeiten die Motorradfahrer sich austoben, bedeutet das nicht, dass dies am schnellen Fahren liegt. Motorräder machen nun einmal Krach beim beschleunigen. und damit muss man leben, denn ein recht auf Ruhe kann man dafür nicht erwarten. Ziehen sie mal in eine Großstadt, sie würden sich trotz der Motorräder freuen, wenn sie wieder nach Motten zurück könnten. Ich finde es Jammern auf hohen Niveau.