Manuela Rottmann will für die Grünen Landrätin werden. Im Gespräch erklärt sie, wie der Kreis zum Vorreiter in Sachen energetisches Sanieren werden soll. Dem Amtsinhaber wirft sie Versäumnisse bei der ÖPNV- und Energiepolitik vor.
Die Bundestagsabgeordnete wurde in Würzburg geboren. Als 14-Jährige zog sie mit ihrer Familie nach Hammelburg. Manuela Rottmann besuchte das Frobenius-Gymnasium, machte dort ihr Abitur und trat im Alter von 18 Jahren den Grünen bei. Im Interview erklärt die promovierte Juristin (47), warum sie den ländlichen Raum an einer Wegscheide sieht, wieso sie findet, dass der Nahverkehr im Landkreis falsch geplant wurde und warum sie denkt, dass die Nüdlinger eine Ortsumgehung brauchen.
Frau Rottmann, Sie haben am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin gearbeitet, waren Dezernentin für Umwelt und Gesundheit bei der Stadt Frankfurt am Main, haben als juristische Referentin die DB Netz deutschlandweit vor Gericht vertreten und sind aktuell für die Region Bad Kissingen im Bundestag. Jetzt wollen Sie Landrätin werden. Haben Sie einen roten Faden, der sich durch ihre politische Karriere zieht?
Manuela Rottmann: In Frankfurt habe ich mich viel mit dem Wachstumsschmerz der Ballungszentren befasst. Damit, dass es zu wenig Schulen gibt, dass Grünes überplant werden muss, dass Leute entwurzelt werden, weil sie mit ihrer Qualifikation in die Stadt zum Arbeiten müssen, und dass die Stadt wächst und man weiß eigentlich gar nicht mehr wohin. Ballungsräume müssen ein Interesse an gleichwertigen Lebensverhältnissen haben, daran, dass die Schere zum ländlichen Raum nicht immer weiter aufgeht. In den vergangenen zwei Jahren habe ich es geschafft, dass wir uns in der Bundestagsfraktion viel damit befasst haben: Was heißt denn gleichwertige Lebensverhältnisse? Welche Voraussetzungen müssen wir schaffen, damit uns Räume nicht verloren gehen und andere völlig überstrapaziert werden? Das ist ein Thema, das mich viele Jahre begleitet.
Wo sehen Sie da Bad Kissingen. Werden wir abgehängt?
Ich würde sagen, wir sind an einer Wegscheide. Deutschland wird sich sehr stark verändern. Ich glaube zum Positiven. Unser Mobilitätsverhalten, die Landwirtschaft, wie wir bauen und wirtschaften - all das wird und muss sich verändern. Der Handlungsdruck ist so groß, dass es passieren wird, egal wer regiert. Ich habe das Gefühl, dass es im Landkreis viele Leute gibt, die das spüren und sich fragen: Was ist unsere Rolle in dieser veränderten Welt? Es gibt aber auch einen Teil, der denkt, das hat mit uns nichts zu tun. Wir wurschteln mal so weiter. Das ist ein Irrtum. Der Wettbewerb zwischen den Regionen wird weiter zunehmen.
Wie meinen Sie das?
Nehmen wir die Fachkräftezuwanderung. Wir haben überall absoluten Fachkräftebedarf. Dass wir so niedrige Arbeitslosenzahlen im Landkreis haben, liegt ja nicht daran, dass wir riesig Arbeitsplätze aufgebaut haben, sondern daran, dass der Pool an erwerbsfähigen Leuten kleiner geworden ist. Es ist nicht automatisch so, dass jemand der zuwandert, sagt: Wildflecken im Landkreis Bad Kissingen, da wollte ich schon immer hin. Wir brauchen eine Strategie für die Fachkräftegewinnung und eine Geschichte, warum unser Landkreis so lebenswert ist. Mein Eindruck ist: Bad Kissingen schwimmt so mit, hat bisher vom demografischen Wandel profitiert, aber es hat keine Entwicklung vorweggenommen. Es hat keine vorausschauenden Entscheidungen getroffen, die sich in zehn oder 20 Jahren auswirken. Und es fehlt auch an einer zukunftsfähigen Identität.
Sie halten die Ausrichtung auf Gesundheit und Tourismus für falsch?
"Bäderlandkreis" ist eine wichtige Säule, aber doch nicht unsere ganze Identität. Die stärkste Bauwirtschaft in Mainfranken gibt es hier im Kreis Bad Kissingen. Ein Ziel könnte sein, dass unser Bauhandwerk auch spitze ist im nachhaltigen Bauen und Sanieren. Wir müssen sagen: Wir kümmern uns, dass wir da in der Berufsschule vorne dran sind. Wir kümmern uns, dass hier Modelle entstehen, etwa für die Bestandssanierung im ländlichen Raum. Das hat noch niemand richtig angefasst, weil es viel komplizierter ist als in der Stadt. Eine nachhaltige, demografiefeste und barrierefreie Ortsentwicklung im Bestand ist eine riesen Aufgabe für alle ländlichen Regionen. Der Landkreis hat das Know-how. Ich will, dass wir die sind, zu denen die Delegationen aus aller Welt kommen und sagen: Das ist ein Vorbild!
Wie setzt man das um?
Wir haben nach Berechnungen der IG Bau ungefähr 18 000 Gebäude im Landkreis, die älter sind als 40 Jahre. Die sind energetisch ineffizient. Das Problem lösen wir momentan nur dadurch, dass wir neu bauen. Alle kaufen sich das KfW-40-Haus auf der grünen Wiese. Das ist aber keine nachhaltige Lösung. Es gibt Fördermittel zum energetischen Sanieren, das ist nicht das Problem. Der Bund kriegt das Geld aber nicht los, weil es nicht abgerufen wird.
Woran hängt es?