Kissinger Sommer: Die Zusammenarbeit führt zu interessanten Vergleichsmöglichkeiten

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Alberto Ferro.Gerhild Ahnert
Alberto Ferro.Gerhild Ahnert

Der 22-jährige Italiener Alberto Ferro spielte beim Preisträgerkonzert .

Es ist einfach eine gute Entwicklung, dass sich der Kissinger Sommer gegenüber anderen Festivals öffnet, dass er sie nicht mehr als Konkurrenz, sondern als Partner versteht - und auch ausnutzt. Das begann im letzten Jahr mit Würzburg und dem Casal-Quartett, und setzte sich heuer mit Essen (Daniel Hopes "Geschichte vom Soldaten") und mit Bonn fort: Der 22-jährige Italiener Alberto Ferro, der zurzeit in Catania bei Epifanio Comis studiert, hatte letztes Jahr den Boner Beethoven-Wettbewerb gewonnen und kam so jetzt zum Kissinger Sommer. Dafür spielt Emre Yavuz, der KlavierOlymp-Gewinner von 2017, am 11. September in Bonn.

Ferros Programm war klug zusammengestellt mit zunächst den beiden Beethoven-Sonaten F-dur op. 10/2 und c-moll op. 111. Das war schon deshalb uninteressant, wie diese beiden Werke, zwischen deren Entstehung 25 Jahre liegen, eine deutliche Entwicklung zeigen: weg von der Wirkung unkonventioneller Effekte hin zu großen, durchdachten Strukturen oder vom Aufmerksamkeitssucher zum in sich Ruhenden, Abgeklärten. Von den Ideen her wurde Alberto Ferro beiden Sonaten gerecht, der ersten mit ihrer Spritzigkeit in den Ecksätzen und ihrem Humor, der anderen in der Wucht der Anlage und einer bestens durchstrukturierten Arietta mit ihren rhythmisch raffinierten Variationen. Aber technisch hielt er nicht ganz mit. In der D-dur-Sonate klappte es nicht immer mit der Koordination der Hände, und in der c-moll-Sonate gab es einige Ungenauigkeiten in der Artikulation.


Leonard Bernsteins "Five Anniversaries", fünf Miniaturen auf Freunde des Komponisten, waren ein ungetrübter Genuss, weil es Ferro ausgezeichnet gelang, die musikalische Schilderung der Charaktere ganz individuell und überzeugend zu gestalten.

Bei Debussy war Alberto Ferro dann ganz in seinem Element. Die "Etude pour les cinq doigts d'après Monsieur Czerny" startete zwar so, wie das die geplagten Klavierschüler von diesem Zuchtmeister kennen, aber sie steigerte sich zu einem aberwitzigen Texmpo, das Czerny wie einen Gartenzwerg aussehen ließ.

Bei den Klangmalereien der drei Sätze von "Images" Heft I und "Pour le piano" zauberte Ferro mit llen Möglichkeiten. Nur in der abschließenden Toccata hättem man sich noch ein paar Differenzierungen mehr vorstellen können, um den Eindruck der Flächigkeit uz vermeiden. Als Zugabe gab's Rossinis köstliches "Petit caprice".

Der junge Italiener wird seinen Weg machen, weil er ein Mann schlüssiger und plastischer Konzepte ist. Er muss allerdings bei der konzentrierten Genauigkeit noch ein bisschen zulegen. Und plötzlich stellte sich die Frage: Hätte Alberto Ferro mit diesem Konzert den KlavierOlymp 2017 gewonnen? Vermutlich nicht, wenn man sich allein die beiden Erstplatzierten Emre Yavuz und Sergei Redkin in Erinnerung ruft. Und da kann der KlavierOlymp durchaus ein bisschen stolz sein.