Kissinger Sommer: Die Weite des Raumes steckte noch im Hinterkopf

1 Min
Alina Ibragimova und Cristian Macelaru. Foto: Gerhild Ahnert
Alina Ibragimova und Cristian Macelaru. Foto: Gerhild Ahnert

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks spielte das Konzert Odeonsplatz-Feeling. An der Geige war Alina Ibragimova zu hören.

Die Kissinger können sich durchaus etwas darauf einbilden: Neuerdings veranstaltet das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eine öffentliche Generalprobe auf dem Münchner Odeonsplatz, bevor es am nächsten Abend in den Regentenbau kommt. Hat's genützt?

Ja und nein. Das Orchester war eindrucksvoll wie immer - wenn man von ein paar Kieksern aus der Horn-Ecke absieht, die man gerade bei den Münchnern schon seit langer Zeit für ausgestorben hielt.
Aber Cristian Macelaru, dem Dirigenten, hätte man vielleicht, als er das Podium erstürmte, noch schnell erklären sollen, dass die Generalprobe vom Odeonsplatz seit 22 Stunden vorbei war. Er ist ein Mann der plakativen Klänge. Das ist auf dem Platz vor der Feldherrnhalle sicher angebracht, aber der Max-Littmann-Saal braucht das nicht. Der kann auch mit leisen Klängen ganz gut umgehen.

Bei der Ouvertüre zu "Candide", Leonard Bernsteins zweiaktiger "Comic Operetta" konnte man seinen Zugriff ja verstehen, denn die pfiffigen Melodien und zündenden Rhythmen verleiten zum Crescendo. Andererseits ist Voltaires Textvorlage über die Suche nach einer besseren Welt durchaus auch philosophisch, und Bernstein trägt dem auch Rechnung - auch in der Ouvertüre.


Etwas problematisch war die dynamische Entwicklung bei Robert Schumanns Violinkonzert. Man muss der Geigerin Alina Ibragimova ein Riesenkompliment machen, mit welch technischer Makellosigkeit sie durch ihren enorm schwierigen Text steuerte, wie sie wirklich alle Töne gestaltet spielte und nie nur andeutete, wenn sie etwas schwerer zu erreichen waren. Ihre Solopassagen waren außerordentlich eindrucksvoll. Und sie stemmte sich mit großer Energie gegen das Orchester, das die Solistin immer wieder zudeckte. Das ist natürlich nicht ganz gegen die Absichten Schumanns, die Solovioline im Zusammenspiel als Teil des Gesamtklangs zu führen. Aber oft musste sie sich das Gehört-Werden im Orchester hart erkämpfen.Die Tontechniker des BR können das aussteuern, das Publikum im Saal konnte das nicht.

Und so brachte Antonin Dvoráks Sinfonie "Aus der Neuen Welt" das, was zu erwarten war: eine Verweigerung des Lyrisch-Idyllischen, des Introvertierten, des Heimattümelnden. Musiziert war das fantastisch, nicht nur die berühmte Englischhornmelodie aus dem langsamen Satz. Aber sobald die Musik emotional zu werden drohte, zog Macelaru die Dynamik an, und zwar sehr schnell. Dass die Musik trotzdem noch durchhörbar blieb, lag am Orchester.

Beim Applaus blickte man auf ein begeistertes Publikum, aber auch auf unglückliche Gesichter im Orchester. Das hätte sich offenbar gerne differenzierter gezeigt. Als Zugabe spielten die Münchner noch den 8. Slawischen Tanz von Antonin Dvorák.