Neun Wochen vor der Kommunalwahl tritt Anna Viktoria Kaiser als Kreisvorsitzende der Liberalen zurück. Sie bemängelt einen fehlenden Rückhalt im Vorstand. Stattdessen sieht sie einen Generationenkonflikt. Die Kritisierten reagieren überrascht.
Es ist nicht ganz ein Jahr her, dass die Mitglieder des Kissinger FDP-Kreisverbandes Anna Viktoria Kaiser zu ihrer neuen Vorsitzenden gewählt hatten. Die Riedenbergerin setzte sich im März in einer Stichwahl gegen den vorherigen Vorsitzenden und Kissinger Stadtrat Hans-Joachim Hofstetter durch. Jetzt, gute neun Wochen vor den anstehenden Kommunalwahlen, hat die 34-Jährige das Handtuch bereits wieder geworfen. Kaiser erklärte gestern gegenüber der Redaktion, dass sie mit sofortiger Wirkung von ihrem Posten als Kreisvorsitzende zurücktritt. Als Gründe nennt sie unter anderem einen Generationenkonflikt sowie fehlenden Rückhalt innerhalb des Vorstandes, politische Meinungsverschiedenheiten und persönliche Differenzen.
Kaiser betont, sich weiterhin für den liberalen Gedanken engagieren zu wollen, allerdings nicht in der gut 30 Mitglieder zählenden Kissinger FDP.
"Die Strukturen sind sehr festgefahren", kritisiert sie. Im Kreisverband habe es vorher zehn Jahren lang keinen Wechsel in der Führung mehr gegeben. Es sei ihr als junge und neue Vorsitzende nicht gelungen, mit ihren Vorstellungen durchzudringen gegen etablierte Mitglieder wie Hofstetter (61) oder die Bad Brückenauer Stadt- und Bezirksrätin Adelheid Zimmermann (70).
Sie habe sich für seniorenpolitische Angelegenheiten einsetzen wollen und für landwirtschaftliche Fragen. Für diese Themen sei sie im Vorstand belächelt worden. Andererseits habe der Vorstand keine Rücksicht auf ihre Haltung in Sachen E-Mobilität genommen - ein Thema das sie ablehnt, weil es in ihren Augen ein Risiko für die hiesige Wirtschaft ist. Ferner habe sie kaum Unterstützung bekommen bei ihren Bemühungen, den Kreisverband modern aufzustellen mit eigener Homepage und Profilen in sozialen Netzwerken. "Ich kann nicht hinter meinem Vorstand stehen, da wir die Schwerpunkte anders setzen", sagt sie zusammenfassend.
Streit um Wahlvorbereitung
Den Ausschlag für den Rücktritt habe letztlich eine Vorstandsversammlung gegeben, an der sie aus privaten Gründen nicht teilgenommen hatte. Auf diesem Treffen bereitete der Vorstand die Veranstaltung vor, auf der die FDP ihre Kandidaten nominiert, die bei den Wahlen für den Bad Kissinger Stadtrat und den Kreistag antreten sollen. Kaiser sagt, sie habe das Organisationstreffen vorverlegen wollen. Sie wirft dem Vorstand vor, dass der sie übergangen und sie in ihrer Abwesenheit auf einen hinteren Listenplatz für den Kreistag gesetzt habe. Sie fühle sich hintergangen und habe "den Generationenkampf verloren". Auf ihre Kandidatur auf der Kreistagsliste verzichtet sie.
Hofstetter reagiert auf Vorwürfe
Der FDP-Kreisvorstand wurde von der Entscheidung offenbar überrascht. Hofstetter als stellvertretender Vorsitzender erklärt auf Anfrage, er habe von dem Rücktritt nichts gewusst. "Ich bedauere ihren Schritt. Sie ist mit viel Enthusiasmus angetreten", sagt er. Es sei wichtig, dass sich junge Leute in der Politik engagieren.
Ähnlich äußert sich auch Zimmermann. "Ihre Entscheidung tut mir sehr leid. Ich wünsche ihr alles Gute", sagt sie. Für eine Partei sei es wichtig, langfristig junge Mitglieder aufzubauen, Kaiser hätte sie sich gut vorstellen können. Die Vorwürfe nahm die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin zur Kenntnis, kommentieren wollte sie sie nicht.