Aber ist es nicht legitim, dass dieser Kunde die 100 000 Euro, die er sich vielleicht für sein Alter als Selbständiger zurückgelegt hat, behalten möchte?
Sicherlich ist das aus Sicht des Selbständigen ein legitimer und nachvollziehbarer Wunsch. Auf der anderen Seite müssen wir uns die Frage stellen, wer für die Finanzierung der Staatshilfen letztlich aufkommt - und das sind die Bürger. Auch hier erleben derzeit viele Menschen schwierige Zeiten und bangen um Arbeitsplatz und Existenz. Ist es aus dieser Sicht heraus dann gerecht, dass eine Staatshilfe gewährt wird, obwohl entsprechende Vermögenswerte vorhanden sind? Das muss man in Einzelfällen bewerten, es bleibt schwierig und kompliziert. Das gleiche gilt ja sicher nicht nur für Unternehmer und Selbständige, sondern auch für einen Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz verliert und dann an sein Erspartes muss. Wir Banker sind auch nicht in einer einfachen Position: Bei der Finanzkrise sagten Kanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück: Die Einlagen aller Anlieger in Deutschland sind sicher. Nur: Bis heute gibt es keine gesetzliche Verankerung, worauf diese Aussage fußen kann, wenn Banken in die Bredouille kommen. Und wir müssen uns vor der Bankenaufsicht, der Bafin, rechtfertigen.
Also herrscht bei Ihnen auch Unsicherheit?
Absolut! Wir stehen vor der Herausforderung, die notwendigen Hilfen an unsere Kunden zu bringen. Diese nehmen wir auch gern an. Da der Faktor Zeit aber eine entscheidende Rolle spielt, wir aber proaktiv agieren möchten, ergeben sich teilweise Spannungsfelder. Der Rettungsschirm wurde aufgespannt, aber dann kamen und kommen jeden Tag neue Hinweise und Ergänzungen wie erst gestern, dass nun auch Hilfe für die Unternehmen kommt, die weniger als zehn Angestellte haben. Übrigens ein längst überfälliger Schritt. Diese Informationen erhalten wir derzeit in Telefonkonferenzen, schriftlich haben wir nichts. Aber wir brauchen eine schriftliche Basis, auf der wir unsere Entscheidungen treffen können.
Die KfW hat - Stand letzter Woche - knapp 9000 Kreditanträge erhalten, pro Tag kommen 1000 dazu, sagt die KfW. Glauben Sie, dass der Kreditrahmen von 21 Milliarden Euro genügt, wo nur ein einzelnes Dax-Unternehmen - adidas - allein 3 Milliarden erhalten hat?
Es ist eine Frage des Zeitraums. Ich persönlich glaube, dass es ein großer Rettungsschirm ist. Aber ich vermute, dass die Verantwortlichen ihn ausweiten, wenn die Krisenzeit noch länger anhält. Momentan fahren alle auf Sicht.
In der Finanzkrise wurden 13,7 Milliarden Euro über zwei Jahre ausgeschüttet. Jetzt sind bereits 18 der 21 Milliarden Euro - sagt die KfW - an 13 Großunternehmen gegangen.
Das habe ich in Summe noch nicht wahrgenommen. Wenn drei Milliarden den Mittelständlern genügen sollen, dann wird man gezwungen sein, den Schirm auszudehnen. In Europa gibt es über eine Billion Euro für den Aufbau von Infrastruktur, da ist noch Liquidität da. Unternehmen wie adidas verstehe ich nicht: Erst vor wenigen Wochen noch war der Sportartikelhersteller das Vorzeigeunternehmen. Und nur einige Wochen später wird der Wachstumsstar zum Bittsteller schreit nach Hilfe - das stößt bei mir auf Unverständnis.
Noch mal zurück zur Eingangsfrage: Sind die Hausbanken Gewinner?
Nicht wirklich. Wenn wir ehrlich sind, dann wird sich die Krise am Ende in den Bank-Bilanzen niederschlagen. Die Abschreibungen dürften die positiven Aspekte überkompensieren. Wir haben auch Mieter, die sich an uns gewendet haben, weil sie nicht zahlen können. Wir haben Beteiligungen an Unternehmen, wo es jetzt auch um die Frage geht: Erhalten wir die Ausschüttungen, wie wir sie früher erhalten haben? Wir haben auch Investments, aus denen derzeit keine Ausschüttung erfolgen. Wir werden danach alle kleinere Brötchen backen müssen.
Fürchten Sie eine Schuldenwelle? Die Kredite helfen, sagt der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger, zwar, dass die Liquiditätsflüsse im Wirtschaftssystem weiterlaufen: Rechnungen und Mieten werden bezahlt, Versicherungen bedient. Aber ist das nicht eher ein Pflaster? Das Eigenkapital der bedrohten Geschäfte ist weg, Insolvenzen drohen.
Jetzt wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Man hat in den letzten Jahren von sogenannten Zombie-Unternehmen gesprochen. Diese Unternehmen konnten existieren, weil sie nur niedrige Zinsen gezahlt haben und nicht wie in der früheren Vergangenheit bis zu sieben Prozent. Die Pandemie war ein Brandbeschleuniger in den Unternehmen, die nicht gesund aufgestellt waren. Ja, es wird Insolvenzen geben, wie sie vorher nicht vorgekommen sind. Ich vermute auch, dass sich das Konsumverhalten ändern wird. Gewinner werden leider noch mehr die Online-Händler sein wie Amazon, die jetzt extrem viele Mitarbeiter einstellen, um der Arbeit überhaupt noch Herr werden zu können - weil die Nachfrage nach oben geschossen ist. Da frage ich mich: Was passiert mit den regionalen Anbietern?
Sie glauben nicht daran, dass die Solidaritätswelle anhalten wird?
Ich denke, sie wird noch eine Weile anhalten, dann aber auf die Probe gestellt werden, wenn der Baumarkt wieder günstigere Produkte als der heimische Unternehmer in der Stadt anbietet. Momentan ist Egoismus nicht in Mode, aber er wird wiederkommen.
Geben Sie uns einen Ausblick.
Das ist sehr schwer. Wir haben die schwarze Null - also keine Neuverschuldung - viele Jahre verteidigt, wir haben Substanz. Aber wenn ich an Schwellenländer denke, die die verlängerte Werkbank unserer Industrie waren oder noch sind, dann frage ich mich: Wird es diese Werkbank in unserer globalisierten Welt danach noch geben? Oder produzieren wir alles wieder selbst? Das geht zulasten der Schwellenländer. In Bangladesch werden derzeit schon keine Textilien für Billig-Ketten mehr hergestellt, die Ware vernichtet. Das sind keine guten Aussichten für Menschen in diesem Teil der Welt. Trotz der Herausforderungen gehe ich als optimistisch denkender Mensch fest davon aus, dass die Bevölkerung des Landkreises mit viel Engagement, Leidenschaft, Solidarität - ich erinnere an unsere Spendenaktion "Wir halten zamm" - sowie mit kreativen und innovativen Ideen unsere Region weiter nach vorne entwickeln wird.
"Wir werden alle kleinere Brötchen backen müssen"
Der Herr Sparkassenchef sicherlich nicht.