Ein Klassiker: Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Dirigent Aschler hatte ein sehr gutes Händchen bei der Wahl seiner Mitstreiter
Johann Sebastian Bachs "Weihnachtsoratorium" wird in dieser weihnachtlichen Zeit in Berlin über 40-mal aufgeführt; in Bad Kissingen zum 20. Jubiläum des Kissinger Winterzaubers glücklicherweise auch einmal. Diese Aufführung zum 3. Advent im Max-Littmann-Saal im Rahmen des 20. Jubiläumsjahres des "Bad Kissinger Winterzaubers" wurde zu einer fröhlich stimmenden Feier der Weihnachtsgeschichte für die Besucher im sehr gut gefüllten Saal. Kantor Burkhard Ascherl hatte ein sehr gutes Händchen bei der Auswahl seiner Mitstreiter, dem Mitteldeutschen Kammerorchester und den vier allesamt ausgezeichnet disponierten Gesangssolisten.
Wie eigentlich üblich kamen die ersten drei Teile der "Oratorium" genannten sechs Einzelkantaten zu den drei Weihnachtstagen (25.-27. 12.), Neujahr, 1. Sonntag im Januar und Epiphanias zur Aufführung. Eine der schönsten Arien aus dem seltener aufgeführten 4. Teil, die beliebte Echo-Arie, hatte Ascherl in den 2. Teil integriert, was sehr gut passte. Schon beim Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" zeigten die Instrumentalisten aus Bachs Heimat und ihr Kissinger Dirigent wie durchgängig im gesamten Oratorium mit einem zügigen, mitreißenden Tempo, dass sie es ernst meinten mit dem festlichen Jubel der drei Trompeten, den Pauken, Traversflöten und Oboen, königlichem Gepränge für den gerade geborenen Christus.
Auch der Kissinger Chor bewies, wie gut er vorbereitet war, und bestach von Anfang an durch genaue Aussprache, sehr pointiert gestalteten Rhythmus, Ausgewogenheit und gute Durchhörbarkeit des musikalischen Gefüges. Dieser gute Eindruck setzte sich fort auch in den vielen Chorälen (wie etwa "Wie soll ich dich empfangen" auf die Melodie von "O Haupt voll Blut und Wunden" oder den sehr gut ausgestalteten Männerstimmen in "Ach mein herzliebes Jesulein"). Obwohl die beim Thomaskantor ja eigentlich der Gemeinde die Gelegenheit zum Mitsingen geben sollten, wurden sie von der Kantorei sehr frisch und mit viel Schwung gesungen. Doch auch das Konzertieren mit den Solisten in dem durchaus heiklen Wechsel mit Sopran und Bass in "Er ist auf Erden kommen arm" gelang sehr gut.
Bei den Sängern machte das Zuhören ebenfalls Spaß. Der Exponierteste der vier ist dabei natürlich der Tenor, der in seinen Secco-Rezitativen - wenn nur der Generalbass begleitet - den Text aus dem Neuen Testament zu gestalten hat, aber mit "Frohe Hirten, eilt, ach eilet" auch eine richtig komplexe barocke Dacapo-Arie. Florian Feth, dessen Konzertschwerpunkt nicht von ungefähr in Berlin liegt, war angenehm tonsicher und rhythmisch präzise, sodass er in seiner Arie auch mit seinen Begleitern, Traversflöte und Continuo, gutgelaunt konzertieren konnte. Bariton Dieter Goffing konnte sich gleich mit einer der beliebtesten Arien des Weihnachtsoratoriums, dem mit Trompeten und Traversflöten überhöhten Lobpreis der Größe Gottes, "Großer Herr, o starker König" sowohl in den Bass- als auch in den Baritonlagen die Flexibilität seiner Stimme in eindrucksvoller Textgestaltung und mit sehr gut austariertem Zusammenklang mit den wieder großartig aufspielenden hohen Bläsern unter Beweis stellen.
Die beiden Frauenstimmen waren bei Stefanie Rhaue und Brigitte Ascherl in sehr guten Händen äh, Kehlen. Dabei liegt in den Kantaten der ersten drei Teile Bachs Hauptaugenmerk auf dem Alt, denn er hat in jedem Teil eine dominante Arie mit exquisiter Begleitung: Bei "Bereite dich, Zion" ist es eine betörende Oboe d'amore, bei "Schlafe, mein Liebster" die Traversflöte und bei "Schließe, mein Herze" eine mit vielen Verzierungen aufspielende Solovioline.
Stefanie Rhaue gestaltete sie alle mit viel Ruhe und sichtlichem Spaß an der tonalen und rhythmischen Gestaltung und dem Konzertieren mit der wunderbar konzentriert und einverständig spielenden Continuogruppe. Schade, dass man die Namen nicht erfuhr; der fast jazzig swingende Kontrabassist, sein nicht minder agiler Kollege am Orgelpositiv und die animiert aufspielende Cellistin müssen so anonym gelobt werden. Für seinen Knabensopran hat Bach in den ersten drei Teilen nur die Rolle des Engels und das allerdings entgegen dem Text sehr spritzige Duett mit dem Bass, "Herr, dein Mitleid" vorgesehen. Brigitte Ascherl und Dieter Goffing zeigten sich in diesem melodisch und rhythmisch ausgezeichnet präsent und aufeinander abgestimmt. Brigitte Ascherl konnte sich aber durch die hereingenommene Echo-Arie aus dem 4. Teil dennoch noch einmal im Duett, diesmal mit Stefanie Rhaue beweisen: Bei der Echo-Arie "Flößt, mein Heiland, flößt dein Namen", in der ein Zwiegespräch mit dem Heiland durch ein inszeniertes Echo aus dem Off (im Max-Littmann-Saal war das die Seitengarderobe), das zunächst das "Nein", dann aber zur großen Beglückung des Fragenden das "Ja!" wiederholt, sang Brigitte Ascherl mit großer Hingabe und Genauigkeit ihren Part und dirigierte für die Alt-Kollegin Rhaue mit, die den Umfang ihrer Stimme mit ausgezeichneter Technik für die geforderten Sopraneinwürfe erweiterte.
Auch dieses Kabinettstückchen gelang wie die gesamte Aufführung ausgezeichnet. Der wunderbar vorbereitete und konzentrierte Chor, das Orchester mit seinen bestens präparierten Instrumentalsolisten, die Gesangssolisten und der umsichtige, ideenreiche und präzise Leiter des Ganzen, Burkhard Ascherl, ließen Weihnachtsglanz und Vorfreude auf die Festtage die Oberhand behalten über den draußen ziemlich matschigen und nasskalten 3. Adventssonntag.