Alten Menschen sagt man nach, sie seien besonders weise. Fühlt sich das auch so an? "Weise würde ich nicht sagen", sagt Hans Stadler. "Aber man sieht die Welt mit anderen Augen, man verknüpft mehr Dinge und stellt Schwierigkeiten und Unebenheiten fest, die so nicht bestehen bleiben sollten." Man habe die Welt in den vergangenen hundert Jahre ausgebeutet und stehe jetzt vor dem Dilemma, dass die Erde dies nicht mehr hergebe. "Die Weisheit sieht man nicht, sie liegt eher im Inneren", sagt Gerda Stadler. Mittlerweile liest sie Hans aus Büchern und Reiseberichten vor, weil ihr Mann nicht mehr so gut sieht.
Ein Buch zeichnet den Lebensweg des Paares nach
Lebenswege Hans Stadler hat - neben Reisen, die er und seine Frau auf Kreuzfahrtschiffen durch die halbe Welt führten - auch ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Buch "Lebenswege" ist den Enkeln gewidmet.
Es schildert Szenen ihrer Kindheit und Jugend in Magdeburg, bevor die Stadt 1945 zerstört wurde. Außerdem gibt es ein Kapitel über Hans Zeit als Soldat, bei der er Kampfeinsätze in der Luft und am Boden erlebte, verwundert wurde und in russische Gefangenschaft geriet. Neben einem Kapitel das Verliebtheit, Verlobung und Maschinenbau-Studium beschreibt, schildern die beiden auch den täglichen Überlebenskampf im Nachkriegsalltag.
Für die Nachfahren schrieb Hans Stadler auch auf, wie ihre Familie den Wandel in Ostdeutschland in "eine kommunistische Diktatur mit wirtschaftlichem Unvermögen und drastisch beschnittenen Freiheiten" erlebte. Gerda und Hans entschieden 1960, in den Westen zu gehen. "Was? Ihr wollt zu den Nazis?", habe ihre Tochter sie damals gefragt. Da sei ihr bewusst geworden, sagt Gerda Stadler, wie sehr die Propaganda in der Schule bereits ihre Tochter beeinflusst hatte. Es hätte einige Zeit gebraucht, bis sich das wieder gelegt habe.
In Köln hätten sich ihre Träume an Leben und Beruf dann erfüllt und sich damit die Zeit unter staatlich ertragener Willkür im Osten überwinden lassen, schreibt Hans Stadler. Er machte Karriere in einem bedeutenden rheinischen Unternehmen in Köln, der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) und übernahm leitende Funktion. "An der Spitze und in Verantwortung einer weltweit tätigen Firma zu arbeiten, das war eine großartige Sache", sagt er heute. Wie Motoren gebaut sind und funktionieren, ist für ihn bis heute ein Thema, über das er gerne spricht.
Das Buch enthält auch Fotos und einen Stammbaum, der die Vorfahren bis ins 18. Jahrhundert nachzeichnet. Eine Seite ist im Gedenken an die früh verstorbene Tochter des Ehepaar Stadlers gestaltet. Ihr Sohn, die Enkel und Urenkel hat es nach Österreich gezogen, von dort kommt Stadler ursprünglich.