Leben zwischen zwei Welten

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Miriam Christof arbeitet viel am Computer mit ihrem Team, das sich virtuell abspricht. Foto: Jacqueline Mihm
Miriam Christof arbeitet viel am Computer mit ihrem Team, das sich virtuell abspricht.  Foto: Jacqueline Mihm

Miriam Christof pendelt regelmäßig zwischen Hammelburg und Boston. Der Kontrast zwischen Metropole und beschaulichem Weinort gefällt der Rheinländerin.

Auf High Heels im geschäftigen Boston von einer Besprechung zur nächsten eilend und als Gegensatz ruhige Beschaulichkeit mit viel Lebensqualität in Hammelburg: Miriam Christof lebt zwischen diesen zwei Welten und genießt ihr Leben und ihre Arbeit. Und auch das weiß sie zu schätzen: die kurzen Wege in die Weinberge, in die Natur. Dies ist einer der großen Pluspunkte ihrer Wahlheimatstadt Hammelburg, ein Gegensatz zu ihrem bisherigen Lebensmittelpunkt, der über 4,55 Millionen Einwohner zählenden Metropole Boston.
Doch wie verschlägt es eine Neusserin nach Hammelburg, das Rheinland mit Unterfranken tauschend? "Mein Mann ist alteingesessener Hammelburger, super verwurzelt", so die 41-jährige Rheinländerin. Doch er kannte auch eine Art "Zauberformel". "Wie lockt man eine Rheinländerin nach Hammelburg in Unterfranken? Indem man ihr eine schöne Küche baut", antwortet sie lachend, das Erfolgsrezept ihres Mannes preisgebend. Miriam Christof bekam eine offene Wohnküche und kann von dort aus sogar ihrer internationalen Marketingtätigkeit nachgehen, dem Internet sei Dank. Dies geschieht vorzugsweise in den Abendstunden, da in dieser Zeit ihre Mitarbeiter und Kunden in den USA aktiv sind, sechs Stunden Zeitverschiebung, denen es gilt Rechnung zu tragen. Aber das ist Miriam Christofs kleinste Übung. Sie weiß was sie will und setzt das konsequent um.
Sie lernte ihren Mann Thomas in Heidelberg kennen, sie studierte Geschichte und Politikwissenschaften, er promovierte in Mathematik. Hammelburg wurde immer mehr Lebensmittelpunkt. Während der Examensphase kündigte sich ihre erste Tochter an. Miriam bestand ihr Examen mit der Note 1,1 mit einem Baby im Arm. Ihr Mann Thomas war beeindruckt: Workingmom par excellence. Kurze Zeit später, 2003, kündigte sich die zweite Tochter an, und das Haus in Hammelburg belebte sich immer mehr. "Hammelburg ist mit kleinen Kindern toll", so Christof: "viel Natur, kurze Wege". "Und generell, ich mag Hammelburg!", fügt Miriam hinzu.


Anonymität in Großstädten

"Ich habe vorher in einigen großen Städten gelebt und ich mag, dass es hier so klein ist", erklärt sie. "Viele finden das ja ganz furchtbar und auch, dass jeder über jeden redet - ich finde das ganz toll." Für sie ist das ein Zeichen, dass man sich nicht egal ist. Es gibt auch viele Menschen, die sich in schwierigen Zeiten um den anderen kümmern. "Zumindest ist das in meinem Umfeld so", ergänzt sie. Da gibt es immer jemanden, der in besonderen Situationen nach den Kindern schaut, ein Mittagessen kocht. In der Großstadt, so gibt sie preis, empfand sie es zu anonym. "Klar hat man auch in Boston Freunde, diese habe ich vielleicht alle zwei oder drei Wochen gesehen. Wir waren ja alle vollzeitberufstätige Mütter mit zwei Kindern und arbeiteten über Boston verteilt. Und am Wochenende war man unterwegs", erklärt sie. Wenn sie in Hammelburg unterwegs ist, trifft sie immer wieder Freunde und Leute, die man kennt. "Da hält man einen kurzen Plausch. So was passiert in Boston einfach nicht", so Christof. An einem Ort zu leben, der so wunderbar von Natur umgeben ist, gefällt ihr sehr. Aus ihrer Sicht ist das etwas, was viele Hammelburger gar nicht genug schätzen. Die Weinkultur und die Weinfeste mag sie sehr. Hier sieht sie, dass die Stadt sehr engagiert ist. "In Boston", so Christof, "gibt es keine Biergärten. Da kann man nicht zum Essen draußen sitzen und eine Mahlzeit dauert dort maximal eine Stunde." Keine deutsche Gemütlichkeit.


Boston ruft

Miriam Christof bekam 2009 das Angebot in Boston zu arbeiten - sie sagte innerhalb von 48 Stunden zu. Bereits zehn Wochen später begann sie ihren Job dort. Nach eineinhalb Jahren wollte sie wieder im Marketing arbeiten und kündigte. Für eine Schul-Auktion, die sie organisierte und die damals 100 000 Dollar erwirtschaftete, machte sie viel Social-Media-Publicity und wurde danach von vielen Unternehmen, die die Auktion gesponsert hatten, gebucht. "Innerhalb von vier Monaten hatte ich 17 Kunden", so Christof. Sie fand eine Geschäftspartnerin und beide bilden heute die Geschäftsführung des von Christof damals gegründeten Unternehmens Just Jump Marketing. Schwerpunkt ist hier strategisches Marketing und dessen Ausführung als Fullservice-Agentur, aber auch Vertriebstraining. Ein Fokus liegt auf deutschen Unternehmen, die in die USA expandieren wollen und auf amerikanischen Firmen, die planen, nach Deutschland zu gehen. Mittlerweile arbeiten sie zu sechst und das vorwiegend als virtuelles Team, das sich allerdings einmal wöchentlich persönlich auf einen Kaffee trifft. Menschlichkeit und Verbundenheit zählt für Christof, auch im Business.
Rückkehrerin Christof, die seit einigen Jahren mit ihrer Familie wieder in Hammelburg lebt und in Deutschland eine Zweigniederlassung betreibt, pendelt regelmäßig zwischen Hammelburg und Boston, um ihrem Job gerecht zu werden und genießt das Leben zwischen zwei Welten. Sie ist sich dessen bewusst, dass sie und ihre Familie ein eher ungewöhnliches Leben führen: Ihre Tochter Nina ist in der Eishockey-Nationalmannschaft aktiv, die 15-jährige Paula hat sich dem Fußball verschrieben und will für fünfeinhalb Monate als Austauschschülerin nach Spanien gehen, Thomas Christof arbeitet bei der internationalen Consultingfirma Westernacher, und Miriam Christof trainiert nebenher noch ein Mädchenfußballteam. Miriam Christof könnte ein Paradebeispiel für die Rückkehrer-Initiative des Landkreises Bad Kissingen sein. Sie hat die Lebensqualität und Vorteile der Region erkannt.


Vortrag im Juli

Über den Tellerrand hinauszuschauen ist ihr wichtig und gerne möchte sie Interessierte an ihrem Wissen teilhaben lassen. Am 1. Juli wird Miriam Christof in Hammelburg einen Vortrag über Corporate Identity halten in dem sie aufzeigt, wie man gute Mitarbeiter gewinnt. Weitere Vorträge, zum Beispiel über Marketingstrategien sind in Vorbereitung. Neu erprobte Marketingideen aus den USA hat Christof in petto und will deutschen Unternehmen helfen, diese erfolgreich umzusetzen.