Die Bläservereinigung Burkardroth feiert ihren 50. Geburtstag. Ehrendirigent Ewald Söder und Musiker Lindhorst Kirchner verraten das Erfolgsgeheimnis.
Wie sind Sie dazu gekommen, Musiker zu werden?
Ewald Söder: Bei mir war es ein Zufall. Die Frau vom Lehrer Spiegel hatte meiner Mutter empfohlen, mich auf das Gymnasium St. Ludwig in Wipfeld zu schicken. Schließlich lernte damals noch ein anderer Junge aus Burkardroth dort, mit dem konnte ich immer mitfahren. Am Gymnasium entdeckte ich meine Liebe zur Musik. Zunächst begann ich im Chor zu singen, später lernte ich Geige, die meine Mutter extra für mich auslieh.
Lindhorst Kirchner: 1967 kam plötzlich ein Handzettel in unser Haus. Man konnte darauf angeben, ob Interesse besteht, ein Instrument zu lernen. Da sagte ich zu meinem Vater, ich will dabei sein, mein Bruder Franz auch. Und da haben wir angefangen - zusammen mit rund 40 weiteren Leuten aus Burkardroth, Wollbach, Zahlbach und Frauenroth.
Wer hatte die Idee dazu, die Bläservereinigung zu gründen?
Ewald Söder: Angestoßen hatte das damals Reinhold Hartmann aus Wollbach. Ich war bereits Musiklehrer und arbeitete in Bad Neustadt. Er hat mich gefragt, ob ich mitmachen würde.
Lindhorst Kirchner: Schließlich gab es damals lediglich ein paar private Musikgruppen, aber kein Orchester.
Wie haben Sie es damals geschafft, mehr als 40 Freiwillige zu Musikern auszubilden?
Ewald Söder: Wir haben sie zunächst nach Registern eingeteilt und stundenweise unterrichtet. Mit den Klarinetten fing ich die Probe an. Es waren etwa 15, weil wir so viele Mädchen hatten. Dann folgten die Flöten, später die Hörner und Trompeten. Zum Schluss unterrichtete ich die Posaunen und das tiefe Blech.
Lindhorst Kirchner: Der Musikunterricht begann um sechs Uhr abends und dauerte auch mal bis zehn Uhr, bis die Letzten durch waren.
Ewald Söder: Es war bei manch einem schon eine Prozedur, bis er einen Ton herausbrachte. Außerdem kann ich mich auch noch gut daran erinnern, dass uns der damalige Bürgermeister Reinhold Kleinhenz bei den Proben immer Wurst und Weck' spendierte.
Wie lange haben Sie gebraucht, um ein richtiges Orchester zu werden?
Lindhorst Kirchner: Ich weiß noch, die ersten Wochen hatten wir nur Theorie. Dann übten wir vor allem Kirchenmusik, unter anderem für die Prozessionen. Unseren ersten richtigen Auftritt hatten wir am Volkstrauertag 1968.
Ewald Söder: Lindhorst, kannst du dich noch an unseren ersten Festumzug erinnern? Der war 1970 beim Feuerwehrfest in Hausen. Als wir dort marschierten, hörte ich hinter mir ein Poltern. Als ich mich umdrehte, kam die große Trommel schon auf mich zugerollt.
Lindhorst Kirchner: Stimmt, der Gurt hatte sich gelöst.
Die erste Tracht hatte einen mittelalterlichen Stil mit den Farben dunkelrot und senfgelb. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ewald Söder: Unsere erste Uniform verdanken wir dem Bad Kissinger Schneidermeister Baumgart. Er war damals als Bürgermeister für die Organisation des Rakoczy-Festzuges mitverantwortlich und hat sie extra für uns entworfen.
Lindhorst Kirchner: Das allererste Mal trugen wir sie kurz zuvor beim Feuerwehrfest in Burkardroth. Ich kann mich noch gut daran erinnern, denn es hat ganz schön geregnet.
Ewald Söder: Mit unserer Tracht fielen wir auf. Sie war damals eine der am meisten fotografierten und bescherte uns viele Auftritte.
Welche beispielsweise?
Ewald Söder: Wir wurden unter anderem nach Herrenberg bei Stuttgart eingeladen und auch nach Hamburg zum Fest der Nationen. Ein echter Höhepunkt war auch unser Auftritt 1979 mit 1200 Musikern in der Münchner Olympiahalle für die Paneuropa-Union. Ich sehe noch wie heute, wie Franz Josef Strauß einzieht.
Lindhorst Kirchner: Mit unserer Tracht musizierten wir außerdem jedes Jahr auf dem Botenlaubenfestin Reiterswiesen.
Ewald Söder: Nur die Musik, die wir spielten, passte nicht so gut.
Welche war das?
Ewald Söder: Wir haben schon sehr früh moderne und auch konzertante Blasmusik gespielt. Denn meine Überzeugung war: Blasmusik besteht nicht nur aus Märschen. Konzertante Blasmusik haben damals nur wenige gekonnt, die Hammelburger Stadtkapelle war darin führend.
Braucht man dafür nicht sehr gute Musiker?
Lindhorst Kirchner: Wir haben damals erfolgreich an mehreren Wertungsspielen teilgenommen, in Rannungen sogar mal einen ersten Rang belegt. Das verdanken wir unserem Dirigenten. Aber manchmal mussten wir dem Ewald schon sagen: Wir sind Hobby- und keine Berufsmusiker.
Wie war denn die Übungsmoral?
Lindhorst Kirchner: Oh je, wir waren nicht so fleißig. Aber wenn es drauf ankam, haben wir uns ordentlich ins Zeug gelegt, Probewochenenden und Registerproben im Keller veranstaltet. Schließlich hatten wir den Anspruch, beispielsweise beim Frühjahrskonzert gehobene Unterhaltung und konzertante Musik zu spielen.
Die Bläser spielen seit Jahren auf hohem Niveau und haben relativ wenig Schwierigkeiten, Nachwuchs zu gewinnen. Woran liegt das?
Lindhorst Kirchner: Es ist das Wichtigste, dass man sich um die Jugend kümmert, sie direkt anspricht. Wir hatten auch Jahre dabei, da haben wir das schleifen lassen. Das haben wir dann schon gemerkt. Aber im Moment sind wir gut aufgestellt. Außerdem hat sich die Ausbildung verändert.
Inwiefern?
Lindhorst Kirchner: Früher war egal, was du wirst, Hauptsache du warst dabei. Oftmals wurde damals nur an den Instrumenten ausgebildet, die im Orchester nicht so stark vertreten waren oder wo es Lücken gab. Inzwischen wird eher nach den Wünschen oder Talenten der Kinder gegangen.
Ewald Söder: Früher haben wir außerdem viel aus der Kapelle heraus ausgebildet. Heute wäre das nicht mehr möglich, das übernehmen Musiklehrer. Aber man muss dran bleiben, immer wieder in die Aus- und Weiterbildung der Musiker investieren. Fast jeder bei den Bläsern hat die D1- und D2-Prüfung, manche auch D3.
Welchen Anteil an Ihrem Erfolg hatte Ewald Söder?
Lindhorst Kirchner: Ewald, du warst 40 Jahre unser Dirigent, du hast uns schon sehr geprägt, uns gefordert und gefördert.
Ewald Söder: Ich muss sagen, ich habe bei Euch viel gelernt, vor allem den Umgang mit den Menschen. Man muss jeden mit seiner Art und seiner Begabung akzeptieren. Der Konrad Straub, auch ein Musiker der ersten Stunde, hat einmal zu mir gesagt: Du kennst mich ja besser als meine Frau.
Zu Hochzeiten hatten Sie etwa 50 Auftritte im Jahr - unter anderem bei Kurkonzerten oder im Regentenbau. Haben Ihre Familien das mitgemacht?
Ewald Söder: Ja, ohne sie wäre das gar nicht möglich gewesen. Manch einer wurde auch angesteckt. Meine Kinder beispielsweise haben beide ein Instrument gelernt, meine Frau sang im Chor. Meine Tochter Caroline musiziert noch immer bei den Bläsern in Burkardroth.
Lindhorst Kirchner: Auch meine Familie hat mir den Rücken freigehalten, mich immer unterstützt. Klar herrscht Diskussionsbedarf, wenn statt des geplanten Sonntagsausflugs ein kurzfristig anberaumter Musiktermin ansteht. Meistens ist meine Frau mit den Kindern dazugekommen.
Was hat die Bläser in all den Jahren zusammengehalten?
Ewald Söder: Für mich war die Kameradschaft unter den Musikern das A und O. Zu unseren Auftritten weiter weg, wie etwa nach Ense oder zum Oktoberfest nach München, sind oft Leute mitgefahren, die gar keine Musiker waren, aber die Gemeinschaft mochten.
Lindhorst Kirchner: Die ehemalige dritte Bürgermeisterin Elisabteh Kuhn hat einmal gesagt: Ihr seid eine schöne große Familie. Sie hat es auf den Punkt gebracht. Außerdem haben wir und der Dirigent nie gegeneinander geschafft, sondern miteinander. Dennoch ist eine saubere Trennung wichtig. Denn der Dirigent hat Wünsche und der Verein nur eine begrenzte Kasse.
Wie geht es mit den Bläsern weiter?
Lindhorst Kirchner: Ich habe da keinerlei Bedenken.
Ewald Söder: Mit der jetzigen Dirigentin, Manuela Möller, klappt das gut.
Das Gespräch führte Kathrin Kupka-Hahn