Ein Paar im Kampf

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Slapstick am Anfang, sogar etwas Tiefgang am Schluss, aber immer gut gespielt: Nicola Ransom und René Steinke in der Inszenierung der Berliner "Komödie am Kurfürstendamm" von Barry Creytons "Doppelfehler" beim Gastspiel im Bad Kissinger Kurtheater. Foto: Gerhild Ahnert
Slapstick am Anfang, sogar etwas Tiefgang am Schluss, aber immer gut gespielt: Nicola Ransom und René Steinke in der Inszenierung der Berliner "Komödie am Kurfürstendamm" von Barry Creytons "Doppelfehler" beim Gastspiel im Bad Kissinger Kurtheater. Foto: Gerhild Ahnert

Das Publikum im Bad Kissinger Kurtheater amüsierte sich prächtig bei der Boulevardkomödie "Doppelfehler".

Im Theater schauen Menschen Menschen zu. Und freuen sich, wenn sie da so einiges aus ihrem Leben wiederentdecken, aber auch, wenn die Menschen Dinge tun, die sie sich in ihrem Leben zwar manchmal denken, sie aber aus Feigheit oder Rücksichtnahme auf die Gefühle des anderen doch nicht tun oder sagen.
Das Boulevardtheater lebt davon, diese Dinge auszustellen in ihrem ganz normalen Wahnsinn, was im Idealfall bewirkt, dass sich die Zuschauer da unten kaputtlachen über das da
oben auf der Bühne. "Doppelfehler" ist so ein Stück.

Darum geht's

Dem mit allen Wassern gewaschenen australischen Fernsehproduzenten und Scriptwriter Barry Dreyton geht es nicht einfach um das alte Schema der Boulevardkomödie, also um zwei, die sich nach längerem Gerangel finden oder sich entzweien und dann zum Happy End wieder finden. Er zeigt seinen Zuschauern ein gewesenes Ehepaar, das sich schon einmal im Streit getrennt hatte, sich wieder trifft und jeweils neuen Partnern zum Trotz, wieder in die alte Beziehung einsteigt. Aber nicht zum Happy End, sondern zur letztendlichen Einsicht in die Nicht-Lebbarkeit ihres Zusammenseins.
Solcher Boulevardstoff mit dem gewissen Dreh ist das gefundene Fressen für das Ensemble der Berliner "Komödie am Kurfürstendamm", die genau solches in ihrem kleinen Haus in der berühmten Großstadtlage immer wieder zu einem lohnenden Erlebnis macht. Denn die Besetzungen sind immer prominent. Und so kommt das Publikum auch gerne, um die Stars aus dem Fernsehen mal aus der Nähe zu sehen. In dieser Inszenierung sind das René Steinke und Nicola Ransom, beide bekannt aus unzähligen Vorabendserien und Prime Time-Fernsehfilmen. Dass eine solche Begegnung nun auch im wunderschönen Jugendstilambiente des Bad Kissinger Kurtheaters möglich war, sorgte für ein gut gefülltes Haus und ein amüsierwilliges Publikum.

An zwei Schauplätzen

Barry Creytons "Paarkampf" in mehreren Episoden findet im Wesentlichen in den scharfzüngigen Dialogen von Sandra und Max an zwei Schauplätzen - Restaurant und Max' Zimmer mit Doppelbett (liebevoll hergerichtet von Anette Hachmann) - statt, doch ist die Handlung kurz, bleibt die Charakterzeichnung eher klischeehaft, auch wenn diese Klischees zum großen Vergnügen des Publikums so schön ausgespielt werden.
Er ist ein berühmter Professor, sie zu Anfang eine erfolgreiche Managerin; sie will ein Kind, er auf keinen Fall, und er stellt sich praktischerweise als steril heraus; sie hat sich nach der gescheiterten Ehe mit ihm mit einem älteren verständnisvollen Mann wieder verheiratet, er schleust eine ganze Reihe junger und jüngster Frauen durch sein Schlafzimmer. Das werfen sie sich mit viel boshafter Treffsicherheit immer wieder an die Köpfe, doch sehr viel mehr erfährt man nicht über die beiden.
Das Ende ist dann - entsprechend dem gesamten raffiniert gebauten Stück - eine Parodie auf den Anfang: Beim Treffen nach weiteren zwei Jahren verkündet sie, dass sie mit ihrem Mann nach Italien zieht; er ist zum kurzsichtigen alten Mann geworden.
Und die beiden Gags von der Anfangsszene, in der er in ihrem Kleid herumwühlt, um ihren BH-Träger zu halten und sie ihm beibringt, dass der Reißverschluss an seiner Hose offen steht, werden eher wehmütig noch einmal aufgegriffen zur Erinnerung daran, dass es immer noch sehr lächerlich ist, wenn sie ihm am Hosenstall herumfummelt und er ihr im Ausschnitt, aber dass es entscheidend anders und nun wirklich das Ende ist.

Saukomische Momente

Das Stück macht es so den Schauspielern nicht wirklich leicht, denn in den Anfangsszenen folgen überraschende, anzügliche, saukomische Momente in rasender Folge aufeinander, während im Laufe des Stücks die zum Nachdenken, Mitfühlen oder Kritik am Verhalten beider anregenden Gespräche dieses hohe Tempo ausbremsen. Da wurde es ruhiger im Publikum, da hatte man als Zuschauer zwangsläufig den Eindruck, dass dem Stück die Luft ausgegangen war.
Doch entsprach genau das dieser unmöglichen Liebe der beiden. Und so wirkten die beiden Vollprofis auf der Bühne hier eigentlich sogar glaubwürdiger als bei den fast slapstickhaft überzogenen, von Hingezogenheit zum Anderen jäh in die Schimpftiraden wechselnden Anfangsszenen.
Das Publikum im Kurtheater war jedenfalls begeistert von dem Gastspiel aus der Hauptstadt und feierte die beiden Darsteller gebührend.