Egid Thomas, einer der verbliebenen Zeitzeugen aus Nüdlingen, berichtet beim Erzählcafé

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Egid Thomas blättert in der Küche in seinem Kalender, in den er sich notiert, wann er was erlebt hat. Foto: Charlotte Wittnebel-Schmitz
Egid Thomas blättert in der Küche in seinem Kalender, in den er sich notiert, wann er was erlebt hat. Foto: Charlotte Wittnebel-Schmitz

Egid Thomas erzählt viel. Der 91-jährige Nüdlinger gehört zu den wenigen Menschen, die noch detailreich darüber erzählen können, wie sie die Zeit des Krieges und des Nationalsozialismus in Nüdlingen erlebten.

Egid Thomas erinnert sich, dass es wohl 1943 war, als seine Familie heimlich ein Schwein schlachtete. Ein gefährliches Unterfangen. "Schwarzschlachten" nannte man es in der Kriegszeit, wenn ohne Genehmigung ein Schwein geschlachtet wurde. Denn eigentlich hätten die Behörden verlangt, dass die Familie ein halbes Schwein abgeben müsse. Nur die Hälfte eines Schweins sei für den eigenen Gebrauch gedacht gewesen.

Die Frauen hätten das Schwein geschlachtet, denn die meisten Männer seien im Krieg gewesen. Mitten in der Nacht hätten sie heimlich das Schwein geschlachtet, früh am Morgen um 6 Uhr habe es dann Kesselfleisch gegeben. Um 7 Uhr musste Egid Thomas in die Schule gehen . Seine Mutter habe ihn beschworen, niemandem davon zu erzählen. Sie befürchtete Konsequenzen, falls die Aktion auffliegen würde.

Schwarzschlachten

Bei einer ähnlichen Aktion seines späteren Schwiegervaters sei das "Schwarzschlachten" nicht so glimpflich ausgegangen, berichtet Egid Thomas. Das Tier sei mit einem Beil getötet worden und habe bei der Schlachtung zu laut gequiekt. Der Lärm sei den Nazis aufgefallen und sein Schwiegervater sei als Strafe dann doch in den Krieg eingezogen worden, von dem er zuvor verschont geblieben gewesen sei.

Der Grund: Der Schwiegervater habe an der Häckselmaschine zwei Finger verloren und deshalb schlecht schießen gekonnt, er sei deshalb zunächst als untauglich für den Krieg befunden worden. Vier Jahre sei sein Schwiegervater dann in Kriegsgefangenschaft gewesen.

Erinnerungen an die Zeit im Krieg

An dem Beispiel des "Schwarzschlachtens" merke er, wie sehr ihn die Zeit des Krieges geprägt habe, sagt Egid Thomas. Jahre später, Anfang der 60er Jahre, als er den landwirtschaftlichen Hof ausbaute, habe er in einen Raum einen Schacht eingebaut. Über den wollte er einen Schrank oder Ähnliches stellen. Seine Idee: Wenn je wieder Krieg und Hunger kommen würden, hätte er die Möglichkeit, in diesem Schacht heimlich ein Schwein zu schlachten. "Ich habe das nie genutzt. Gott sei Dank", sagt er heute lachend.

Diese Erinnerung ist eine von zahlreichen Geschichten und Anekdoten, die Egid Thomas aus seinem Leben erzählen kann. Er habe es sich zur Angewohnheit gemacht, immer, wenn er Zeit habe, in einen Kalender mit Datum zu notieren, was er wann gemacht habe. Außerdem hat er mit seinen 91 Jahren immer noch ein gutes Gedächtnis.

Erzählcafé

Der Nüdlinger Heimatverein hat ihn eingeladen, von seinen Erinnerungen und Anekdoten zu erzählen. Am Sonntag findet im Rahmen der 1250-Jahr-Feier im Gasthaus Stern ein Erzählcafé statt.

Ursprünglich im Veranstaltungskalender angekündigt war, dass Egid Thomas über die traditionelle Nüdlinger Wallfahrt nach Vierzehnheiligen berichtet. Mit Volker Schäfer habe er dann diese Woche besprochen, dass er über die Zeit zwischen 1934 bis zum Kriegsende berichten wolle.

Der Nüdlinger Landwirt hatte lange Jahre im Ort zahlreiche Funktionen inne (darunter ehemaliger 2. Bürgermeister, langjähriger Leiter der Vierzehnheiligen-Wallfahrt, Ehrenmitglied im CSU-Ortsverband, Gründungsmitglied des KAB Nüdlingen, Ehrenmitglied KTVZ, Wegebaumeister bei der Neugestaltung des Flurwegenetzes und viele weitere).