Die Netzwerker im Untergrund

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An diesem korallenpilz ist das Myzel, das unterirdische Netzwerk und eigentliche Pilz, gut sichtbar. Feine Fäden durchziehen den Waldboden, versorgen Bäume und Gräser mit Wasser und Informationen. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
An diesem korallenpilz ist das Myzel, das unterirdische Netzwerk und eigentliche Pilz, gut sichtbar. Feine Fäden durchziehen den Waldboden, versorgen Bäume und Gräser mit Wasser und Informationen. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
 
Otmar Diez zeigt einen Glänzenden Lackporling, Dabei handelt es sich um einen Heilpilz. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
Otmar Diez zeigt einen Glänzenden Lackporling, Dabei handelt es sich um einen Heilpilz. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
 
Der Grüne Knollenblätterpilz ist sehr giftig. Wichtig ist, ihn vor dem Pflücken genau zu untersuchen. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
Der Grüne Knollenblätterpilz ist sehr giftig. Wichtig ist, ihn vor dem Pflücken genau zu untersuchen. Foto: Kathrin Kupka-Hahn
 

In der Rhön kommen viele und seltene Pilzarten vor. Sie bilden ein riesiges unterirdisches Geflecht. Über das tauschen sie sich mit Gräsern und Bäumen aus.

Da steht er. Sein Hut schimmert grüngelb, ein Blatt hat es sich darauf bequem gemacht. Wie ein weißer Kragen spitzen die Lamellen darunter hervor. Sein Stiel ist weiß, kräftig gebaut. Kein Fleck, keine Bissstelle ist zu sehen. Ein echtes Prachtexemplar. Und doch trügt der Schein. Denn, so schön dieser Pilz ist, so gefährlich ist er auch - der Grüne Knollenblätterpilz. Bereits 50 Gramm reichen aus, um einen Menschen zu töten. "Doch das sieht man auf den ersten Blick nicht", sagt Otmar Diez. Der 58-Jährige lebt in Sulzthal, betreibt dort eine Naturschule und ist Pilzsachverständiger. "Ich mache aber keine Pilzberatungen mehr, denn vielen Leuten fehlt das Naturverständnis", erklärt er. Stattdessen gibt der Sulzthaler Kurse, wie Pilze richtig gesammelt werden. Und die sind sehr gefragt. "Immer mehr junge Leute kennen sich nicht aus und wollen mehr über Pilze wissen", schildert Diez seine Erfahrung. Doch worauf kommt es an? Und welche Arten von Pilzen gibt es in der Region?

Otmar Diez muss unwillkürlich schmunzeln. "Das, was wir hier oben sehen, ist nur der Fruchtkörper. Der eigentliche Pilz ist im Boden und wird Myzel genannt", sagt er. Dabei handelt es sich um ein feines, teils unsichtbares Netzwerk aus fadenförmigen Zellen. "Ich nenne es immer Glasfasernetz. Darüber kommunizieren die Pilze mit Bäumen und Gräsern. Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen", weiß der Experte. In den Pilzen findet keine Photosynthese statt. Ihre Kohlehydrate beziehen sie deshalb von den Pflanzen ringsum, die sie wiederum mit Wasser und Informationen versorgen. Pilze sind auch sogenannte Zeiger. "Das heißt, sie zeigen die Luft- und Wasserqualität ihres Lebensraumes an", erklärt der Fachmann.

In der Hohen Rhön beispielsweise kommen sehr viele und auch seltene Pilzarten vor, haben die Experten Lothar Krieglsteiner und Andreas Gminder bei ihren Forschungen herausgefunden. "Sie waren im Biosphärenreservat unterwegs", weiß Katharina Krieglsteiner, Umweltingenieurin und Pilzsachverständige. Gemeinsam mit ihrem Mann Lothar betreibt auch sie eine Pilzschule im Schwäbischen Wald. Im Biosphärenreservat gebe es wenige direkte Einflüsse mit künstlichen Nährstoffen, sogenannte magere Standorte, so dass sich Pilze gut entwickeln und ausbreiten können. "Kulturlandschaften hingegen sind häufig überdüngt. Gülle und Kunstdünger schaden den Pilzen", fügt sie hinzu.

Nicht nur der Nährstoffgehalt ist für Pilze wichtig, auch ihre Umgebung. Manche gedeihen nur in in der Nähe bestimmter Bäume, gehen mit ihnen Lebensgemeinschaften ein. "Dabei handelt es sich um Mykorrhiza-Pilze", erklärt Diez. Außerdem gibt es noch die Abbau-Pilze, sogenannte Saprophyten. "Sie bauen Holz ab, erzeugen so Zell- und Nährstoffe." Als dritte Kategorie nennt der Mykologe die Parasiten-Pilze, die Schädlinge sind. Wie weit das unterirdische Netzwerk der Pilze reicht, darüber ist nur wenig bekannt. "Ich glaube auch, dass wir nur ein Bruchteil der Pilzarten kennen, die auf der Erde vorkommen", ist Diez überzeugt, und fügt hinzu: "Haben Sie gewusst, dass das größte Lebewesen ein Pilz ist?" Dabei handelt es sich um einen Hallimasch in Kanada. "Dieser ist 800 Quadratmeter groß und 2000 Jahre alt."

Pilze sind weder Tier noch Pflanze, sondern eine eigenständige Ordnung. "Und sie werden immer wichtiger für uns", sagt der Pilzkenner. Aus dem Myzel wird beispielsweise Verpackungsmaterial hergestellt, als Alternative zu den herkömmlichen, nichtabbaubaren Produkten. "Firmen produzieren das bereits im großen Stil", weiß er.