Hans-Jürgen Beck befasst sich seit langem sehr intensiv mit der Geschichte der Bad Kissinger Juden und ihrer einstigen Gemeinde. Jetzt wird sein außergewöhnliches Engagement mit einem renommierten Preis gewürdigt.
Wenn es um seine Passion geht, kann Hans-Jürgen Beck schon nerven. Dann ist er hartnäckig, dann ist im nichts zu viel. Mit großer Leidenschaft widmet sich der Gymnasiallehrer (50) für katholische Religion und Deutsch seinem "Hobby": Er kämpft gegen das Vergessen und für die Erinnerung an die einst blühende jüdische Gemeinde in Bad Kissingen. Damit bringt er auch wieder etwas Licht in eine ganz dunkle Zeit.
Dafür wird er, wie vor einigen Jahren der Aktionskünstler und Erfinder der "Stolpersteine", Gunter Demnig (Köln), mit dem German Jewish History Award geehrt. Denn, so die offizielle Begründung, Beck habe sich "in herausragender Weise für die Bewahrung der jüdischen Geschichte und Kultur eingesetzt". Darauf sei er "schon stolz".
Vorgeschlagen wurde der Pädagoge von mehreren Personen: Darunter die beiden gebürtigen Bad Kissinger Joske Ereli (Kibbuz Ein Gedi) und
Nobelpreisträger Jack Steinberger (Genf) sowie Alt-Oberbürgermeister Georg Straus (CSU) und Elizabeth Levy (Israel).
Festakt in Berlin Verliehen wir dieser Deutsch-jüdische Geschichtspreis an Beck und vier weitere Persönlichkeiten am Montag, 28. Januar, bei einem Festakt im Berliner Abgeordnetenhaus. An der Feierstunde, zu dem Elisabeth Levy, ihre Mutter aus den USA und Jacke Steinberger aus der Schweiz extra anreisen (Beck: "eine große Ehre für mich"), kann der Bad Kissinger aber nicht teilnehmen. Er muss sich um seine Mutter kümmern.
Mit der Geschichte der einst kleinen, aber regen jüdischen Gemeinde - 1920 waren es 504 Mitglieder - seiner Heimatstadt setzt sich Beck seit mehr als 30 Jahren intensiv auseinander: "Ich fühle mich diesen Menschen gegenüber verpflichtet, dass sie und ihre Geschichte nicht in Vergessenheit geraten."
Während seines
Studiums in Würzburg begann er sich mit der Materie zu befassen. Beck: "Im Staatsarchiv war es beklemmend, als ich die Gestapo-Akte mit der Deportationsliste sah. Ich hatte das Gefühl diese Menschen kennen gelernt zu haben. Und dann liest man, dass sie deportiert und ermordet wurden."
Fremde wurden Freunde Seine Forschungen mündeten in eine Zulassungsarbeit für das Staatsexamen. Damals, so Beck, habe es kaum Veröffentlichungen zur jüdischen Lokalgeschichte gegeben, "dieses Blatt war gänzlich unbeschrieben".
Er befragte Mitbürger und Zeitzeugen, durchforstete Unterlagen und Archive. Unterstützt wurde Beck dabei vom damaligen OB Georg Straus. Bis 1988 hatte er die jüdische Lokalgeschichte Bad Kissingens vom Mittelalter bis zum Holocaust rekonstruiert. Das bildete die Basis für eine Ausstellung zum 50.
Jahrestag der Pogromnacht, die er zusammen mit Rudolf Walter konzipiert hat. Heute ist die Sammlung im jüdischen Gemeindehaus zu sehen. Gleich nebenan hat sich die 1939 niedergerissene Synagoge befunden.
Aus ersten, zunächst brieflichen Kontakten wurden Begegnungen und tiefe Freundschaften. Gerade die empfindet Beck als "ein ganz großes Geschenk" und die stärkste Motivation, seine Arbeiten fort zu setzen. Das sei für ihn "eine lebenslange Aufgabe geworden. Das Judentum ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit. Das Thema lässt mich nicht mehr los."
Davon zeugen Ausstellungen, Konzerte und Vorträge. 2002 hat Beck die Jüdischen Kulturtage ins Leben gerufen. Er hat Familienforschungen betrieben, Treffen und geschichtliche Führungen für Juden organisiert.
Viele Besuche früherer Bad Kissinger seien für ihn unvergesslich.
Ein Highlight war 2007 die virtuelle Rekonstruktion der geschändeten Neuen Synagoge durch Darmstädter Studenten. Damit hat er schließlich auch das Bad Kissinger Geschichtsbild ganz nachhaltig verändert.
Dennoch: Zum Judentum will der überzeugte Katholik nicht übertreten. Beck: "Ich fühle sehr wohl in meinem Glauben."
Der Deutsch-jüdische Geschichtspreis Renommiert Der German-Jewisch History Award gilt als eine der bedeutendsten internationalen Ehrungen ihrer Art. Damit werden nichtjüdische Deutsche gewürdigt, die aus eigener Initiative herausragende Beiträge zur Dokumentation der jüdischen Historie und Kultur geleistet haben.
Sie halten die Erinnerung an die Zeit vor dem Holocaust wach, haben zum Beispiel jüdische Friedhöfe mit instand gesetzt oder die Geschichte jüdischer Familien in Deutschland aufgearbeitet.
Geschichte Der Preis wird seit 2000 von der Obermayer Foundation (Boston) alljährlich an fünf oder sechs Persönlichkeiten verliehen. Er ist mit 5000 Euro dotiert. Stifter ist der US-Geschäftsmann Arthur Obermayer. Der Gründer und Präsident der nach ihm benannten Stiftung hat deutsche Wurzeln.
Entscheidung Vorschlagsberechtigt sind Juden. Eine siebenköpfige, international besetzte Jury vergibt die Auszeichnung. Ihr gehören neben Arthur Obermayer auch der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, und Berlins Kultur-Staatssekretär André Schmitt (beide SPD) an.
Festakt Die Überreichung der Auszeichnung erfolgt am oder direkt nach dem Holocaust-Gedenktag: Am 27. Januar 1945 wurde das KZ und Vernichtungslager Auschwitz befreit. Die Feierstunde findet im Abgeordnetenhaus von Berlin statt und wird im Internet übertragen (www.parlament-berlin.de).