Am Wochenende werden in ganz Deutschland Vögel gezählt. Wie hat sich der Rekord-Sommer auf die Tiere im Landkreis ausgewirkt? An die Ferngläser, fertig - und los!
Es war noch vor 9 Uhr, als Dieter Fünfstück heute Morgen Glück hatte. Ein Anruf einer Freundin aus Eltingshausen: Sie habe etwas beobachtet, das ihn bestimmt interessiere. Es interessierte ihn. Brennend. Er schnappte sich das Fernglas, das immer auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer bereit steht und musste nicht lange warten. Vor seiner Linse ließ sich ein prächtiger Rotmilan über Oerlenbach gleiten.
"Warum sollten die wegfliegen? Mäuse gibt´s genug", sagt Dieter Fünfstück. Der Biologe Alf Pille macht sich Hoffnungen: Gerade wer am Stadtrand oder in ländlichen Gebiet wohnt, soll am Wochenende ein Auge auf die Greifvögel werfen. Dann werden in der "Stunde der Wintervögel" deutschlandweit Vögel gezählt.
Auf der Zählkarte sind ein Dutzend Arten
aufgelistet: Amsel, Blaumeise, Buchfink, Buntsprecht, Elster, Erlenzeisig, Feldsperling, Grünfink, Haussperling, Kleiber, Kohlmeise und Rotkelchen. Dahinter sollen die Beobachter schreiben, wie viele sie von ihnen erspäht haben. Eine Stunde lang wird gezählt und dokumentiert. Und zwar: die höchste Anzahl einer Art, die auf einmal zu sehen war. "Wir wollen erheben - was ist überhaupt da", sagt Dieter Fünfstück.
Der 68-Jährige ist Vorsitzender der Kissinger Kreisgruppe des Landesbund für Vogelschutz (LBV). Das schmale Futtersilo, das an dem Haselnussast an seinem Balkon baumelt, hält im Winter normalerweise zwei Tage, erzählt er. Das war vor sechs Wochen. Leer ist es immer noch nicht.
Mehr Blumenwiesen und Samen
In einem Winter so ohne Schnee gibt es für die Vögel doch sicher mehr Insekten - oder? "Bei den milden
Temperaturen finden die Vögel mehr. Aber das Problem fängt früher an", sagt Dieter Fünfstück. Und zwar mit dem Aufräumen. "Es wird zu sehr sauber gemacht." Hobby-Gärtner schneiden viele Pflanzen zurück, ohne darüber nachzudenken, ob die heimischen Vögel die Samen brauchen, erklärt er. Blumenwiesen haben die wenigsten, meint er. Stattdessen werde die Reinlichkeit nach draußen übertragen.
Dieses Nahrungsangebot sei quasi nicht mehr vorhanden. "Man braucht doch in seinem Hausgarten keinen Englischen Rasen", sagt er.
Gute Brut dank heißem Sommer
Wie haben sich der heiße Sommer und die untypisch warmen Monate November und Dezember auf die Vogelwelt ausgewirkt? Auch darauf erhoffen sich die Naturschützer mittels der Zählaktion eine Antwort.
Dank des trockenen und heißen Sommers gab es beim Erlenzeisig, den Amseln und Meisen mehr Nachwuchs, meint Alf Pille. Andererseits sind in den vergangenen Jahren Vogelarten rückläufig, "von denen es man gar nicht erwartet hätte", meint Dieter Fünfstück.
Der Zaunkönig und die Gartengrasmücke sind bayern- und deutschlandweit zurückgegangen.
Dieter Fünfstück hofft, dass am Wochenende viele Menschen im Landkreis Ausschau nach Vögeln halten und ihre Beobachtungen dem LBV weitergeben. Zwar erwarte er, dass sich nicht ganz so viele Tiere blicken lassen werden wie in den vergangenen Jahren, trotzdem wünsche er sich, dass die Leute "gucken und zählen". Jeder, der mit macht, sammelt wertvolle Daten zur Verbreitung der heimischen Vogelarten. "Ich bin auch selbst gespannt, was rauskommt", sagt Dieter Fünfstück. Sein Fernglas steht bereit.