Heimatforscher Gerhard Wulz hat sein Buch über den Kapellenfriedhof überarbeitet und erweitert. Im Gespräch erzählt er über Fotos in Schuhkartons, ungewöhnliche Schicksale und die Recherche in alten Kissinger Familien.
Gerhard Wulz ist ein wandelndes Lexikon was Heimatgeschichte angeht. Der Kapellenfriedhof hat es ihm besonders angetan. Er bietet dort regelmäßig Führungen für die Staatsbad GmbH an, ist auf Nachfrage aber auch für private Gruppen verfügbar. 2001 hat er einen Führer mit Kurzbiographien bekannter, dort bestatteter Persönlichkeiten herausgebracht. 18 Jahre später hat er das Buch neu überarbeitet und erweitert. Die Saale-Zeitung hat mit ihm und Kulturreferent Peter Weidisch über ungewöhnliche Schicksale, Fotos in Schuhkartons und die Bedeutung des Friedhofs für die Unesco-Bewerbung gesprochen.
Herr Wulz, die Personen über die sie schreiben sind vor Jahrzehnten verstorben. Der Kapellenfriedhof selbst wird seit 1980 nicht mehr mit neuen Gräbern belegt. Was gibt es da an Neuigkeiten und Änderungen, dass eine zweite Auflage ihres Buches nötig wurde?
Gerhard Wulz: Dinge ändern sich und 18 Jahre sind ein langer Zeitraum. Herr Weidisch hat vorgeschlagen, ich könnte das einmal überarbeiten und das habe ich dann gemacht. Bei einer Neuauflage überlegt man sich, welche Fehler sich eingeschlichen haben und welche Verbesserungen und Änderungen nötig sind. Den Erlöserschwestern zum Beispiel ist ein Kapitel gewidmet und die gibt es mittlerweile nicht mehr. Außerdem wurde das Buch auch erweitert. Ich habe überlegt, wen könnte man noch mit hineinnehmen. Inzwischen hat man von Leuten erfahren, von denen man 2001 noch nichts gewusst hat.
Peter Weidisch: Ich möchte mich bei Herrn Wulz bedanken für die Arbeit an dem zweiten Band und für die Führungen, die er seit Jahren abhält. Der Kapellenfriedhof ist Stadtgeschichte satt. Er ist ein Ort des Gedenkens - und der Geschichte und zwar sowohl von Bürgern als auch von Kurgästen. Und es geht noch weiter. Der Kapellenfriedhof war auch ein Schlachtfeld im Deutschen Krieg 1866. Hier liegen bayerische und preußische Soldaten gemeinsam begraben. Heute ist der Kapellenfriedhof ein Denkmal und ein Friedhofspark.
Welche Personen sind denn neu dazugekommen und warum?
Wulz: Es kam zum Beispiel einmal ein Mann ins Stadtarchiv und hat sich beschwert, der berühmte Kurgärtner Singer wäre nicht in dem Buch. Die Auswahl ist natürlich immer subjektiv. Ich kann nicht alle mit reinnehmen. Aber ich habe mich dann mit Arthur Singer (1833 - 1910) und Wolfgang Singer (1865 - 1942) befasst und sie mit aufgenommen. Sie haben wirklich interessante Biographien. Der jüngere zum Beispiel hat den Luitpoldpark in seiner heutigen Form als Englischen Garten angelegt und war außerdem in Bad Steben und Bad Brückenau tätig. Oder es gab in
Bad Kissingen mal ein Geschäft Del Fabbro. Valentino Del Fabbro hat hier gearbeitet und Terrazzo-Böden gelegt (unter anderem im Regentenbau,
Anm. d. Red.). Er ist aus wirtschaftlichen Gründen von Italien nach Deutschland ausgewandert. Er ist in Bad Kissingen geblieben, hat hier gearbeitet und ist hier jung gestorben. Del Fabbro ist ein Beispiel gelungener Integration um 1900. Es hat mich gereizt solche Leute mitaufzunehmen. Die Familie existiert bis heute noch.
Warum befassen Sie sich eigentlich mit dem Kapellenfriedhof und den dort beerdigten Persönlichkeiten?
Wulz: Mich haben schon immer Biographien interessiert. Was haben Menschen aus ihrem Leben gemacht, was ist ihnen widerfahren? Alte, aufgelassene Friedhöfe finde ich auch seit langer Zeit eindrucksvoll. Den südlichen Friedhof in München finde ich zum Beispiel ganz großartig. Da weiß ich, dass es dazu Bücher gibt und dass dazu geforscht wurde. Ich habe mir gesagt, wenn ich einmal in Pension gehe, packe ich das auch an.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Wulz: Ich habe versucht zu mischen und habe Personen aus verschiedenen Berufsgruppen und mit interessanten Biographien ausgesucht. Dann bin ich in die Archive, natürlich hier ins Stadtarchiv, aber auch ins Kriegsarchiv oder in Archive in Wien und Madrid.
Welche Erlebnisse aus der Recherche sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Wulz: Besonders schwer war es, Bilder zu bekommen. Mir war es wichtig, immer ein Foto zu finden, um zu zeigen: Wie hat der Mensch ausgesehen. Aber das war nicht immer möglich. Für mich war die Recherche aber schön, weil ich in die alten Kissinger Familien gekommen bin. Dort bin ich sehr herzlich aufgenommen worden und man hat mir oft ganze Schuhkartons mit alten Bildern gegeben.
Weidisch: Da ergibt sich dann oft das Problem, dass die Nachfahren gar nicht mehr wissen, wer alles auf den Fotos drauf ist. Die Recherche wird also richtig aufwendig.
Auf dem Kapellenfriedhof sind ja nicht nur alte Kissinger Familien bestattet, sondern auch prominente Kurgäste.