Bohrgerät schwebt über den Dächern Bad Kissingens

3 Min
Julian Hergenröther und Julian Klöffel vom Tiefbau koordinierten die spektakuläre Aktion. Foto: Ralf Ruppert
Julian Hergenröther und Julian Klöffel vom Tiefbau koordinierten die spektakuläre Aktion. Foto: Ralf Ruppert
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Über Dächer hinweg wurde am Mittwoch schweres Gerät vom Marktplatz in einen Hinterhof gehoben.

Viele Passanten blieben gestern auf dem Bad Kissinger Marktplatz stehen, deuteten in den Himmel und fragten sich, was da vor sich geht: "Wir haben eine trickreiche Pegelbohrung für das Projekt Neue Altstadt", klärt Quartiersmanagerin Angelika Despang über die Hintergründe auf: Rund 40 Mess-Stellen zur Kontrolle des Grundwasser-Spiegels gibt es bereits in der Altstadt. Neun weitere kommen in diesen Tagen dazu - und als einen Standort haben Julian Hergenröther und Julian Klöffel vom Tiefbauamt der Stadt einen Hinterhof zwischen Grabengasse und Marktplatz ausgewählt.

Einweisung per Funk

Spannend war die Aktion auch für Werner Gutt, Inhaber der Firma Boden- und Grundwasser-Probenahmetechnik (BGP): "Eine solche Aktion, bei der der Kran-Fahrer gar nichts sieht, haben wir noch nie gemacht." Per Funk dirigierte er Martin Zeidler im Führerhaus des Krans. 1,3 Tonnen zeigte dessen Waage an, als das Bohrgerät schwebte. Der Kran kann bis zu acht Tonnen heben, bei einem Einsatzgewicht von 48 Tonnen.

Bis zu 30 Meter hoch kann Martin Zeidler mit seinem so genannten "Taxi-Kran", der fest auf einem Lkw montiert ist, heben. Die musste er für die Gebäude in der Altstadt nicht ganz ausreizen, aber bei der Ausladung ging er fast bis an die Grenze von 45 Metern: "Ich musste bis auf 37 Meter ausfahren", berichtet er. Erst dann konnte er vom Marktplatz aus das Bohrgerät langsam in den Hinterhof des Gebäudes in der Grabengasse ablassen.

Dabei ging es um wenige Zentimeter: Der Innenhof ist eigentlich überdacht, keine zwei Meter breit war die aufgedeckte Lücke zwischen Hauswand und Dachrinne. Entsprechend erleichtert waren Werner Gutt und seine Kollegen, als sie das Bohrgerät mit Seilen endlich an die richtige Stelle manövriert hatten.

Auch das Bohren selbst war zunächst nervenaufreibend: "Wenn wir auf große Steine Stoßen, kommen wir nicht weiter", berichtet Gutt. Denn das Bohrgerät rammt die Metallrohre mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern nur in die Erde, eine Rotation ist nur mit der Hand möglich. Für felsigen Untergrund wäre ein schwereres Gerät nötig, das aber der Kran nicht heben kann. In den obersten 40 Zentimetern lagen tatsächlich noch viele Steine. "Das ist von Menschen aufgefülltes Material", berichtet Geo-Wissenschaftler Daniel Traub. "Wenn irgendwas gebaut wurde, wurde früher der Schutt einfach abgelagert", berichtet er.

Nach 40 Zentimetern ging das Bohren dann erheblich schneller: "Das ist eine Mischung aus Oberboden und Wiesenkalken", erläutert Traub, während er die lockere braune Erde aus dem Bohrgestänge kratzt. Anhand der Kalk- und Kohle-Einlagerungen sei aber ablesbar, dass auch noch bis in mindestens zwei Meter Tiefe der Boden irgendwann umgegraben wurde. "In den Nebengebäuden finden sich Keller, hier wurden früher sicherlich große Baugruben ausgehoben und dann wieder verfüllt", vermutet der Geo-Wissenschaftler.

In 4,20 Meter Tiefe war dann endgültig Schluss: Das Bohrgerät kam an der Talsohle aus verwittertem Buntsandstein an. Viel schneller als geplant setzten die Arbeiter ein Brunnenrohr ein und manövrierten das Bohrgerät gegen 10.30 Uhr bereits wieder aus dem Hinterhof.

Geologen können nur vermuten, was sich im Untergrund tut. "Wir erheben mindestens ein Jahr lang Messwerte, um uns für die Baustelle abzusichern", berichtet Bau-Ingenieur Julian Klöffel über die Vorbereitungen zum Projekt Neue Altstadt. Seit Jahren wird geplant und gerechnet, wie die Kanäle in der Bad Kissinger Fußgängerzone erneuert oder ertüchtigt werden können. Die aktuellen Pegelbohrungen sind ein Mosaiksteinchen im gesamten Projekt.

Mit den aktuellen Bohrungen wird das Netz aus Mess-Stellen auf 49 erweitert. Die Bohrungen reichen unterschiedlich tief: Als "kleine Mess-Stellen" bezeichnet Klöffel die Löcher, die zwischen drei und sieben Meter tief gehen und den Wasserfluss oberhalb der Buntsandstein-Schicht überwachen. Andere gehen durch die Felsschicht durch. Alle sind mit so genannten Datenloggern ausgestattet, die die Werte in regelmäßigen Abständen speichern.

"Die Messergebnisse fließen in die Planungen zum Projekt Neue Altstadt ein und bleiben zwecks Beweissicherung bis zum Ende der Baumaßnahme erhalten", berichtet Quartiersmanagerin Angelika Despang. Die ausgebildete Geographin ist eigentlich bei der Diakonie beschäftigt, hat aber seit zweieinhalb Jahren ein Büro im Tiefbau-Büro. "Meine Aufgabe ist die Vermittlung zwischen Rathaus und Bürgern", erzählt sie. Das Projekt Neue Altstadt stoße auf besonders großes Interesse, weil die Vorbereitungen seit Jahren laufen und so viele technische Details zu berücksichtigen sind. Erst in der vergangenen Woche informierte sie an einem Stand auf dem Marktplatz, aber auch bei der Aktion mit dem Bohrgerät am Mittwoch kamen etliche Bürger und stellten Fragen.

"Sehr sorgfältige Planung"

Noch bis Freitag dauert die Einrichtung weiterer Grundwasser-Mess-Stellen. Für die Sanierung des historischen Kanalsystems erforscht die Stadt seit Jahren die Grundwasserströmungen. "Das komplizierte Wassersystem unter der Stadt erfordert lange und sehr sorgfältige Planung", betont Quartiersmanagerin Angelika Despang. Innerhalb der Häuserblöcke habe es bislang überhaupt noch keine Mess-Stelle gegeben. Die große Frage ist, wie weit der stellenweise undichte Kanal die Höhe des Grundwassers beeinflusst. Weitere Pegel sind in der Kirch-, Bräu-, Bad- und Weingasse sowie in der Theresienstraße und Oberen Marktstraße in Höhe des Landratsamtes geplant.

"Wir wollen jede Jahreszeit mindestens einmal durchlaufen", nennt Julian Klöffel als Ziel für die Erhebung der Normalwerte. Darauf, wann der eigentliche Bau los geht und wie lange es dauert, legt er sich aber nicht fest. Wichtiger sei die gute Vorbereitung. Und was passiert, wenn die Pegel beim Bau absinken? "Dann muss man schnell reagieren", sagt Klöffel. Im Extremfall könne das einen vorläufigen Baustopp bedeuten, denn: Der Schutz des Grundwassers und der Heilquellen habe oberste Priorität.