Bejubelt wie Michael Jackson

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Stadtmusikdirektor Bernd Hammer sieht seine Berufung darin, Talente nicht ziehen zu lassen. Foto: C. Schmitt
Stadtmusikdirektor Bernd Hammer sieht seine Berufung darin, Talente nicht ziehen zu lassen.  Foto: C. Schmitt

Bernd Hammer ist der Leiter der Musikschule und Bad Kissingens Stadtmusikdirektor. Im Interview verrät er, was schlechte Musik ist und offenbart Momente für die Ewigkeit.

Bad Kissingen — Bernd Hammer ist seit 2001 Leiter der Bad Kissinger Musikschule. Der 55-Jährige dirigiert, musiziert und organisiert. Sein Herz schlägt im Rhythmus eines Metronoms. Er führt das Jugendmusikkorps der Stadt in ferne Länder und hat ein offenes Ohr für seine Schüler. Mit Disziplin und Leidenschaft fördert er Talente und schwingt den Taktstock. Im Interview erklärt er, warum er sich eine Welt Musik ohne überhaupt nicht vorstellen mag.

Ist jeder Mensch musikalisch?
Bernd Hammer: Ja. Ich bin mir absolut sicher, dass jedem Menschen ein musikalisches Talent mit in die Wiege gelegt wurde. Diese Anlagen können aber sehr schnell verkümmern. Sie müssen gefördert werden.

Heißt das, man kann ein Instrument nur bis zu einem bestimmten Alter lernen?
Nein. Jeder kann auch später ein Instrument lernen. Ich hatte mal einen älteren Schüler, der sich mit 45 Jahren eine Trompete gekauft hat und bei mir Unterricht genommen hat. Es war sehr anstrengend, aber er wollte es wirklich. Er war der fleißigste Schüler, den ich je hatte. Anfangen kann man immer.

Braucht man Talent, oder kann man auch mit Ausdauer und Motivation richtig gut werden?
Ich kenne beide Fälle. Beide Extreme. Leute, die auf die Welt kommen, in eine Klarinette oder in eine Trompete blasen und alles richtig machen. Andere tun sich schwer, erstmal den Ansatz zu finden, aber - sie wollen genau das machen. Es geht alles durch Üben.

Hatten Sie mal mit einem Talent zu tun, das nichts aus sich gemacht hat?
Das hatte ich zum Glück noch nicht. Ich bin es meinem Beruf und meiner Berufung schuldig, so jemanden zu erkennen und zu fördern. Solche Leute darf man nicht laufen lassen. Ich hatte aber einige Schüler, denen musste ich sagen, dass sie Talent haben, dass sie etwas können und sie mir das jetzt einfach mal glauben müssen und dass sie tolle Erlebnisse haben und Erfolg feiern, wenn sie den Weg mit mir gehen. Mit dem Satz "Der hat Musik im Blut" kann man als Zehn-, Elfjähriger nichts anfangen. An der Hochschule habe ich verstanden, was das heißt. Es hat viel mit Empfindung und Gefühl zu tun.

Welche Gefühle kann Musik auslösen?
Alle. Musik kann auch aggressiv machen. Mich nicht (lacht). Ich bin ein sehr ausgeglichener Mensch. Wenn ich in bestimmten Situationen eine bestimme Melodie höre, könnte ich einfach heulen. Wenn ich in die Berge fahre, meine Lederhose anziehe und zum Wandern gehe, dann höre ich die Zillertaler Schürzenjäger und setze mich zurück ins Alter von 15.

Was war der entlegenste oder speziellste Ort, an den Sie die Musik geführt hat?
Ich bin mit dem Jugendmusikkorps in einem Gymnasium in Südafrika aufgetreten. Die Schüler haben uns gefeiert wie Michael Jackson. Man kann es schlecht beschreiben. Wir haben das Leben gespürt. Jeder im Orchester hat für sich einen Augenblick geweint. Wir haben gemerkt, hier passiert etwas, wir machen hier etwas, das die Kinder in ihrem Lebensgefühl berührt. Ähnlich extrem war es, als wir den Frankenliedmarsch an der Chinesischen Mauer gespielt haben. Wir waren so weit weg von der Heimat und du weißt: Das ist ein Moment für die Ewigkeit. Das werde ich nie mehr vergessen.

Wie halten Sie bei der Arbeit mit den Jugendlichen die Balance zwischen Motivation und Strenge?
Selbstdisziplin ist mein Erfolgsrezept. Man muss klar machen, dass man immer nur zu der Leistung fähig ist, die man selber will. Für eine bestimmte Leistung brauche ich eine bestimmte Konzentration und Grundstimmung. Die kann der Mann von vorne schlecht reintragen. Ich glaube, ich habe eine ganz gute Ausstrahlung, die Respekt vermittelt. Den Respekt muss ich nicht unterstreichen. Ich verdiene ihn mir, indem ich immer erkläre, was ich will. Sie müssen ihnen das Gefühl geben, "wir machen etwas zusammen". Ich stehe vornedran, um es zu koordinieren. Dann sage ich: Machen müsst ihr es, und bitte seid so gut, und macht es mit mir so gut es geht. Ich habe eine Grundautorität, die wird geschätzt und akzeptiert. Wenn ich mal das Gefühl hätte, dass ich mit dieser Ausstrahlung nicht mehr an die Jugendlichen rankomme, dann würde ich aufhören. Dann erreiche ich die Leute nicht mehr. Ich muss spüren, dass das Orchester hinter mir steht. Andererseits kann jeder mit seinen Problemen kommen. So etwas wie Ausflüge nach Südafrika funktioniert nur so. Ich sage vor jedem Auftritt: Wir können unser Publikum nur dann begeistern, wenn wir selbst von dem, was wir tun, begeistert sind.

Gibt es schlechte Musik?
(überlegt) Schlecht ist Musik dann, wenn ich das Gefühl habe, sie geht nicht mehr an mich heran. Man sollte sich aber vor keiner Musik verschließen.

Welche Konzertkarten liegen bei Ihnen schon zu Hause?
Ich bin sehr spontan bei Konzerten. Mir ist es dann auch egal, wo ich hinfahre im Umkreis von 200 Kilometer. Langfristig lege ich mir nur Konzertkarten zu, wenn ich für meine Familie welche besorge, als Geschenk. Im Sommer besuche ich viel zu wenig Konzerte, weil wir mit dem Blasorchester selbst oft auftreten und proben.

Was ist Ihr Lieblingslied?
(Stille) Schwierig. Die Gruppen Bee Gees, ABBA und The Bea tles gefallen mir unwahrscheinlich gut. Auf eine einzige Melodie kann ich mich nicht festlegen. (lacht) Es gibt so viele schöne.

Stellen Sie sich eine Welt ohne Musik vor. Was würde Ihnen fehlen?
Oh weh. (lacht) Eine Feier ohne Musik? Nicht mal aus der Konserve? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Musik macht ein bestimmtes Wohlgefühl aus: Erinnerungen oder Melodien in bestimmten Momenten. Ohne Musik geht es gar nicht. Ich will es gar nicht ausprobieren.

Das Gespräch führte
Carmen Schmitt