Bauernregel-Aktion spaltet Gemüter

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Symbolbild: dpa
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Das Umweltministerium pfeift ihre neuen "Bauernregeln" zurück. Viele Landwirte im Landkreis Bad Kissingen fühlen sich verumglimpft.

Geht es nach Rita Jörg geht der Stopp nicht weit genug. Die umstrittenen Plakate mit den elf "Bauernregeln" des Bundesumweltministeriums (BMUB) werden zwar nicht wie geplant großflächig in vielen deutschen Städten hängen, die Kampagne soll aber weitergehen, teilte das Ministerium gestern auf Anfrage mit. "Die Frau ist reif", meint die Kreisbäuerin, Rita Jörg. Zurücktreten sollte sie, sagt die Bäuerin aus Schondra. "Die Ministerin meint, sie müsste uns unsere Arbeit erklären. Sie denkt wohl, wir sind doof." Rita Jörg ist sauer. Und enttäuscht. Sie ist nicht die einzige. Andere finden die Aktion gelungen.

Eigentlich wollte das Ministerium auf Missstände aufmerksam machen und negative Auswirkungen einer industriellen Landwirtschaft auf die Tier- und Umwelt "frisch, fröhlich und unkonventionell" darstellen. Von schwindender Artenvielfalt, Überdüngung, Grundwasserverschmutzung, Monokulturen und Massentierhaltung war auf den Plakaten die Rede. "Für eine Landwirtschaft mit Zukunft", hieß es in der Unterzeile.


Verband forderte Rücktritt

Romantisch rustikal in Stick-Optik gestaltet. Spielerisch und humorvoll sollten sie daherkommen. Nachdem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die Plakate vor zwei Wochen vorgestellt hatte, wurde Kritik laut. Der Bayerische Bauernverband war empört und forderte die Ministerin auf, ihren Posten zu räumen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) reagierte mit einem offenen Brief. Barbara Hendricks schrieb zurück. Das Umweltministerium ruderte mit seiner Aktion zurück. Die Plakate mit den umstrittenen Aufdrucken werden nicht wie geplant demnächst in vielen deutschen Städten kleben. Man habe nicht die Gefühle von vielen Menschen verletzen wollen. Gestoppt ist die Kampagne aber nicht.


Unterschwellige Vorwürfe

"Für mich sind diese Aussagen nicht akzeptabel", sagt Georg Scheuring, Geschäftsführer des Ortsverband Bad Kissingen des Bayerischen Bauernverband (BBV). "Die meisten haben die Aktion als pauschale Verunglimpfung gesehen." Auch wenn die meisten seiner Landwirt-Kollegen die "unterschwelligen Vorwürfe" nicht persönlich genommen hätten: "Wir arbeiten sauber und fühlen uns nicht angesprochen." Trotzdem: Die Verantwortlichen kratzen an der Berufsehre. "Wir arbeiten hart, erfüllen jede Menge Auflagen, und ein Außenstehender will uns erklären, wie wir unsere Arbeit zu machen haben?"

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte Kollegin Barbara Hendricks auf, sich zu entschuldigen. Diffamierung lautete sein Vorwurf: Die SPD-Politikerin mache einen ganzen Berufsstand lächerlich. Die Antwort der Bundesumweltministerin: Es gehe ihr darum, wie sich die Agrarpolitik auf europäischer Ebene in Zukunft ausrichtet. Dass die Landwirte beleidigt werden, liest sie aus den Sprüchen nicht heraus. Schließlich gehe die aktuelle Landwirtschaftspolitik auf Kosten der kleinen Bauern. Die sollten profitieren, wenn sie ökologisch arbeiten.


Kritik nicht an Bauern gerichtet

Mario Hümpfer aus Großenbach tut letzteres. Außerdem berät der Bio-Landwirt Kollegen als Naturland-Fachmann. "Viele Landwirte haben sich zu Unrecht attackiert gefühlt", sagt Mario Hümpfer. Er meint, "die Kampagne war gut und sehr intelligent gemacht - vielleicht etwas zu subtil". Schließlich sei die Kritik nicht an die Landwirte, sondern an die allgemeine Fehlentwicklung, die Behörden und Gesetzgeber, Berater und Ausbildungsstätten gerichtet, meint Hümpfer.

Die vermeintlich "gute alte Zeit", auf die die Kampagne abzielt, sei gar nicht so gut gewesen, meint Rita Jörg. Zumindest für die Tiere. Denen gehe es heute viel besser. Die Kreisbäuerin war "wie von den Socken" als sie von der Aktion erfuhr. "Frau Hendricks hat nicht verstanden, dass wir schon weiter sind, als sie versucht lachhaft darzustellen. Wir arbeiten nachhaltig und wollen, dass die Generation nach uns das auch tut."

Wie geht die Kampagne weiter? Die Internetseite, auf der die "Bauernregeln" vorgestellt werden, ist offline. Anderswo wird man als User jetzt auf ein Dialogportal weitergeleitet. Das "Deutsche Tierschutzbüro", eine gemeinnützige Tierschutzorganisation in Berlin, will die Kampagne fortsetzen und mit ähnlichen Plakaten für eine Umkehr in der Landwirtschaft demonstrieren. Gestern haben Mitglieder vor dem Bundeslandwirtschaftsminiseriums in Berlin protestiert.

Wirkung verfehlt? Mitnichten, hieß es gestern aus dem Ministerium auf Anfrage dieser Zeitung. Man habe sogar ohne die Plakatierung erreicht, worauf es der Aktion ankam: Aufmerksamkeit. Dass sich die Kundschaft angesprochen fühlt, bezweifelt Mario Hümpfer allerdings. "Die Kampagne geht am Verbraucher vorbei." Ob der wegen der neuen "Bauernregeln" sein Konsumverhalten überdenkt? Eher nicht, meint der Bio-Landwirt.