Bad Kissingen: Musikalische Weltreise

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Drei von vier Musikern des Ensembles "Quadro Nuevo" sind auf dem Bild zu sehen. Der vierte spielt Akkordeon. Der Foto: Gerhild Ahnert
Drei von vier Musikern des Ensembles "Quadro Nuevo" sind auf dem Bild zu sehen. Der vierte spielt Akkordeon. Der Foto: Gerhild Ahnert

"Quadro Nuevo" hat sich in aller Welt umgehört und die Erfahrungen dieser Rundreise in seine eigene offene Klangwelt übersetzt.

Es gibt von allem eine verbiesterte Form, die von ihren Wächtern oft bis zur vollkommenen Sterilität getrieben wird: klassische Musik, Weltmusik, Folklore, Pop und natürlich Jazz. Wie ungeheuer erfrischend ist es dann, wenn da vier Musiker auf der Bühne stehen, die sich um all diese Dinge überhaupt nicht kümmern, die einfach spielen, spielen, spielen und die sich überhaupt nicht irre, das heißt in ihrem Fall konventionell, voraussagbar, glatt und
routiniert machen lassen. Der ganze Kosmos der Musik interessiert sie und wenn sie da eine geeignete Melodie finden, übertragen sie die in ihre eigene Tonwelt, indem sie arrangieren, aufspielen und improvisieren. Es ist schön, dass die süddeutsche Gruppe "Quadro Nuevo" immer mal nach Bad Kissingen kommt und mit ihrem frischen Gemisch aus Folklore, Weltmusik und allen Spielarten des Jazz musiziert. Das Ambiente des Kurtheaters mochten sie auch und äußerten ihre Überraschung über dieses "Kleinod", das sie noch nicht kannten.

Sie haben 2008 mit "Weihnacht" und 2013 mit "Bethlehem" schon zwei CDs mit Weihnachtlichem und solchen Melodien aus aller Welt herausgebracht, die nach ihrer Auffassung gar nicht unbedingt christlich sein müssen, aber dennoch das weihnachtliche Gefühl spiegeln. Dass sie in diesem Jahr auch eine Reise nach Argentinien gemacht haben und sich vor allem in Buenos Aires in Sachen Tango für die neue CD weitergebildet haben, wollten sie aber doch nicht so ganz außen vor lassen und mischten auch einige südamerikanische Rhythmen in ihr Programm.

Überraschende Instrumentierung

Und was sie von der christlich-deutschen Weihnachtsmusik mitgebracht hatten, interpretierten sie in der für sie typischen fantasievollen kurzweiligen, virtuosen Weise, bei der allein schon die Instrumentierung staunen machte. So präsentierte sich Mulo Francel schon bei der Intro zu "Kommet, ihr Hirten" mit einem Rieseninstrument, einer Kontrabassklarinette, mit der er völlig unwirklich klingende tiefe Töne produzierte, die dem Ganzen einen sehr mysteriösen Klang gaben. Und Evelyn Huber verwendete auch mal ihre Harfe als Percussioninstrument oder gebrauchte das Hackbrett für ganz raue Effekte.

Dass die vier auch Entertainer sind, zeigten sie beim Ratespiel, das sie mit ihrem Weihnachtsliedermedley anstellten. Da wurde improvisiert, da ging es auch mal ganz heftig und laut zur Sache, und plötzlich leuchteten aus den packenden Jazzpassagen die altbekannten Weihnachtslieder hervor. Waren es jetzt fünf oder sechs? Das Publikum tat sich schwer mit dem Herausfinden.

In fremde Weihnachtswelten entführten die Musiker mit dem jiddischen Lied aus dem Ghetto von Vilnius, Hirsch Glicks "Schtil die Nacht is oisgesternt", bei dem Francel mit der Klarinette und D. D. Lowka mit gestrichenem Bass sich in ein fröhliches Klezmerfest spielten.

Mit lakonischem Humor

Letzterer lieferte eine köstliche Parodie einer "einführenden Stückerklärung", als er den Komponisten des ebenso einfach gestrickten wie melodisch eingängigen berühmten schwedischen Weihnachtsliedes "Jul, Jul, strålande Jul" als graues Männchen mit blühender Fantasie beschrieb. Lowka und Francel beherrschen beide die Kunst der süddeutsch-lakonischen Rede, doch nehmen die Gesprächsanteile nie einen wirklich großen Teil der Aufführung ein - im Mittelpunkt steht bei allem Geflachse die Musik wie etwa bei der wunderschönen Improvisation zum Weihnachtslied von Paul Gerhardt "Ich steh an deiner Krippen hier". Sehr exotisch klang der Gesang der Lakota-Indianer "Sieh die Morgenröte", den 1890 eine Ethnologin aufnahm und den die vier mit Altflöte, Sanduhrtrommel und perkussiv eingesetztem Bass und Harfe und Hall weit entrückten aus der Weihnachtsseligkeit.

Bis zur Weltvergessenheit

Natürlich konnten sich die vier Instrumentalisten auch einzeln zeigen. So spielte Ausnahmeharfenistin Evelyn Huber ein wunderschönes Solo zum Einstieg in "Es ist ein Ros entsprungen" und lieferte dann mit D. D. Lowka eine intensive Improvisation. Immer wieder lösten sich Zweierformationen und formierten sich zum intensiven Jammen wie auch beim abschließenden Krippenlied, als Andreas Hinterseher am Akkordeon und Lowka am Bass sich in ihrer Impro fast ins private Spiel verloren, das in den schönsten aller Tangos, "Libertango" von Piazzolla, mündete.

Ein geistreicher und eindringlicher Abend wurde vom Publikum, das zum großen Teil der Gruppe nachgereist war , gefeiert, drei Zugaben waren unerlässlich, etwas "kleines Alpenländisches", bei dem sich Lowka an die Harfe wagte, und eine Art "Abschiedssinfonie", bei der zwei der Musiker sich durch das Publikum hinausschlichen. Ein rundum musiksatter Weihnachtskonzertabend mit viel Spaß und Ohrenfutter.