Bad Kissingen: Ein Zuhause auf Zeit

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Sandra und Markus H. haben ein fremdes Kind aufgenommen. Ihre Pflegetochter steht nicht hinter den eigenen Kindern zurück. Eltern wie sie sind ein Anker.

Einen kurzen Moment zögert er. Dann sagt Markus H. (Name von der Redaktion geändert) diesen Satz, der erklärt, warum die Familie aus dem Umland von Bad Kissingen sich engagiert. "Ich war selbst ein Pflegekind." Vier Kinder nahm die Familie schon bei sich auf. Ein zweijähriges Mädchen blieb ein Dreivierteljahr, zwei Kinder einer Flüchtlingsfamilie betreuten sie eine Woche lang, weil die Mutter ins Krankenhaus gekommen war.

Das vierte Kind kam als Säugling. Seit mehr als vier Jahren gehört das Mädchen nun schon zur Familie. "Das Pflegekind, das wir jetzt haben, ist wie eine Schwester für unsere Kinder", erzählt Sandra H. (Name von der Redaktion geändert). Drei eigene Kinder hat das Paar. "Ich wollte das weitergeben, was ich selbst bekommen habe", erklärt der Vater, warum die Familie für Pflegekinder offen ist.


Ein innerer Spagat

Dabei ist eine Pflege nicht mit einer Adoption vergleichbar. "Ich muss damit rechnen, dass das Kind zurück zu seiner Familie geht. Ich darf aber auch damit rechnen, dass es langfristig bleibt", zeigt Jugendamtsleiter Siegbert Goll den inneren Spagat auf, den die Betreuung eines Pflegekindes mit sich bringen kann. Für die Ursprungsfamilie ist das oft mit der schmerzhaften Erkenntnis verbunden: Dieses Leben kann ich meinem Kind nicht bieten.


Motivation, Zeit und Geduld nennt Sandra H., wenn sie darüber spricht, was Pflegeeltern brauchen. In ihrem Fall stellte sich wenige Monate nach der Aufnahme heraus, dass ihr kleines Mädchen behindert ist. Deswegen hinzuschmeißen, sei nie in Frage gekommen, sagt das Ehepaar entschieden. Klar ist aber auch: "Ich könnte jetzt nicht berufstätig sein", schildert Sandra H. den Familienalltag. Und noch ein Satz fällt: "Es ist wichtig, das Jugendamt nicht als Gegner, sondern als Partner zu sehen", sagt die Pflegemutter.

"Pflegeeltern sind für uns ein Anker", schätzt Goll das Engagement der insgesamt 61 Pflegeeltern im Landkreis und fünf Familien, die sich im Bereitschaftsdienst einbringen, wert. Darüber hinaus kümmern sich zwei Sonderpflegefamilien um zumeist ältere Kinder. Voraussetzung dafür ist, dass mindestens ein Elternteil eine pädagogische Berufsausbildung hat. Insbesondere in diesem Bereich aber auch für die allgemeine Kinderpflege seien weitere Familie gesucht, berichtet Goll.

Ein Interview zum Thema lesen Sie hier.


Was ist eine Pflegefamilie?

Anliegen Pflegefamilien ermöglichen Kindern, die aufgrund unterschiedlichster Problemlagen nicht bei ihren Eltern leben können, ein Familienleben auf Zeit. Das Ziel der Begleitung ist es, dass das Kind in seine Herkunftsfamilie zurückkehrt oder im Erwachsenwerden ein selbstständiges Leben aufbaut.

Pflegegeld Je nach Alter des Kindes erhalten Pflegeeltern für die Betreuung in Vollzeitpflege ein monatliches Pflegegeld zwischen 792 und 1028 Euro. Bei der Wochenpflege reduzieren sich die Pflegesätze anteilig, je nachdem, wie viele Tage das Kind betreut wird.

Informationen Ausführliche Informationen gibt es auf der Homepage des Landkreises. Auskunft bekommen Interessenten auch bei Frau Gerst (Tel.: 0971/ 801-4310), Frau Schneider-Körber (Tel.: 0971/ 801-4320) und Frau Schmitt (Tel.: 0971/ 801-4300).


87 Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene leben im Landkreis Bad Kissingen in einer Pflegefamilie (Stand 2017).

61 Pflegeeltern gibt es im Landkreis. Fünf weitere Familien leisten Bereitschaftsdienst und nehmen kurzfristig Kinder auf (Stand 2017).