Bad Kissingen: Corona-Regel-Chaos kaum zu durchschauen

4 Min
Foto: magele-picture - stock.adobe.com / Grafik: Dagmar Klumb
Foto: magele-picture - stock.adobe.com / Grafik: Dagmar Klumb

Nach eineinhalb Jahren Pandemie herrscht ein solches Corona-Regel-Kuddelmuddel, das kaum noch jemand durchblickt. Drei Beispiele aus dem Landkreis zeigen das Chaos.

"Die Menschen sind hilflos, genervt und überfordert", sagt die Bad Kissinger Stadträtin Christina Scheit (SPD) und Jugend- und Familienbeauftragte. Beispiele aus dem Landkreis zeigen das Corona-Regel-Chaos.

Fall 1: In der Anton-Kliegl-Mittelschule in Bad Kissingen wurden Mitte Oktober mehrere Schüler in einer sechsten Klasse positiv auf Corona getestet. Das Gesundheitsamt informierte die Eltern und Schüler der Klasse am 22. Oktober in einem Schreiben darüber. Das Schreiben sorgte für heftige Missverständnisse. Eltern gingen in Quarantäne, obwohl sie das gar nicht hätten machen müssen.

Missverständliches Schreiben

Im Dokument heißt es in gefetteter Schrift: "Im Rahmen einer Risikobeurteilung durch das Gesundheitsamt Bad Kissingen wird Ihr Kind, bzw. werden Sie somit als enge Kontaktperson und damit als ansteckungsverdächtig (§2 Nr. 7 IfSG) durch das zuständige Gesundheitsamt eingestuft und muss bzw. müssen sich sofort in Quarantäne begeben." In roter Schrift wird weiter darüber informiert, dass die Quarantäne voraussichtlich für zehn Tage gilt, "freitesten" sei erst an Tag fünf möglich.

Zusätzlich verwirrend: In keinem Satz taucht das Wort "Impfung" auf. Und: Auf Seite 3 wird die Frage beantwortet, ob andere Haushaltsmitglieder zur Arbeit gehen dürfen. Dort heißt es - deutlich kleiner geschrieben als die rote Quarantäne-Info - "[s]olange Ihr Kind (enge Kontaktperson) sowie auch Sie selbst symptomfrei sind und kein positives Testergebnis vorliegt, können Sie als Eltern oder auch andere Haushaltsmitglieder Ihrer Arbeit nachgehen."

Was gilt denn nun, fragt sich der Leser des Schreibens. Fakt ist: Der Text ist so missverständlich formuliert, dass ein paar wenige Eltern sich in Quarantäne begaben, obwohl sie das nicht hätten machen müssen.

Auf Nachfrage dieser Zeitung klärt das Landratsamt auf: "Nicht die Eltern müssen in Quarantäne, sondern das Kind. Das Schreiben ist lediglich an die Eltern adressiert. Da die Formulierung offensichtlich missverständlich ist, haben wir Ihren Hinweis bzw. den Hinweis der Eltern der betroffenen Kinder zum Anlass genommen, das Schreiben zu überarbeiten."

Corona positiv - trotz Impfung

Fall 2: Eine 39-jährige Frau aus dem Landkreis (Name der Redaktion bekannt) bekommt in der Nacht auf Dienstag Halsschmerzen und Fieber. Sie ist doppelt geimpft, macht aber trotzdem im Verlauf des Tages acht Tests, bei denen sie sich ein Stäbchen selbst in die Nase schiebt, da sie weiß, dass man sich trotz Impfung anstecken kann. Am Vormittag sind die Tests noch negativ, am Nachmittag schlagen fünf Tests unterschiedlicher Hersteller an - alle positiv.

Da die Bad Kissinger Bürgerhotline für Fragen rund um das Coronavirus bereits um 12 Uhr schließt, ruft sie bei der Coronavirus-Hotline der Bayerischen Staatsregierung in München an. Dort teilt man der Frau mit, die Entscheidung, ob sie zuhause bleibe oder nicht, liege bei ihr. Sie sei nicht in Quarantäne. "Aber ich kann doch trotzdem ansteckend sein", sagt sie.

Ob sie ihre zwei Grundschulkinder zur Schule schickt, bleibt ihr überlassen. "Ich war völlig schockiert, dass ich meine Kinder in die Schule hätte schicken können, obwohl ich positiv bin", sagt sie. Auch das Gesundheitsamt Bad Kissingen bestätigt ihr die Antwort aus München, die sinngemäß so lautet: Bis das Ergebnis des Tests feststeht, gelten Familienangehörige nicht als Kontaktpersonen, können also weiterhin zur Arbeit und in die Schule. Das Landratsamt ergänzt auf Nachfrage unserer Redaktion: "Selbstverständlich müssen sich Menschen mit Symptomen isolieren, hier ist Eigenverantwortung gefragt." Der Ehemann gerät indes in ein Dilemma: Zwar ist er doppelt geimpft, hat keine Symptome und keinen positiven Test, aber es besteht dennoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er sich bei seiner Frau ansteckt und dann die Krankheit an seine Kollegen weitergibt. Als Lkw-Fahrer ist von zuhause arbeiten keine Option. Wenn er aus Vorsicht zuhause bleiben würde, gilt dies als "unbezahlter Urlaub". Vom Gesundheitsamt bekommen er und seine Frau einen PCR-Test.

Corona-Test für Krankenhaus kostet

Fall 3: Gerhard Maennl (67) aus Burkardroth hat mit seiner Frau die Undurchsichtigkeit der Regeln erlebt, als seine Frau für eine Operation im Krankenhaus einen negativen Test brauchte. Die Familie ging davon aus, dass Geimpfte nicht für den Test bezahlen müssen und wurde überrascht, als es im Testzentrum doch etwas kosten sollte."Die Regeln sollten eindeutiger sein, nicht so schwammig", sagt er. "Da hat niemand mehr den Durchblick, wenn man sich nicht extrem informiert."

Was tun, wenn sich trotz Impfung Symptome zeigen?

Seit dem 11. Oktober gibt es für die Mehrheit der Bürger keine kostenlosen Corona-Tests mehr. Die Umstellung hat bei vielen Menschen Fragen aufgeworfen. Ein Überblick, was seitdem gilt.

1. Wie soll man sich verhalten, wenn man vollständig geimpft ist, aber Symptome verspürt, die auf Corona hindeuten, aber auch eine ganz normale Erkältung sein können?

Hausarzt Michael Brendler aus Bad Kissingen rät dazu, Schnelltests zu verwenden. "Schnelltest sind günstig und gut verfügbar."

2. Was soll ich tun, wenn ich doppelt geimpft bin, aber der Selbst-Schnelltest positiv ist?

Vom Bad Kissinger Landratsamt heißt es: Zunächst ist ein Schnelltest ein Indiz dafür, dass die Person tatsächlich das Virus in sich trägt.

Die Person sollte sich umgehend isolieren, auch von Familienangehörigen. Hier spielt das Thema Eigenverantwortung eine sehr große Rolle. Außerdem sollte man bei einem niedergelassenen Arzt einen PCR-Test durchführen lassen.

3. Was bedeutet es für die Familienangehörigen, wenn ein Familienmitglied einen positiven Selbst-Schnelltest hat?

Bis das Ergebnis des PCR-Tests feststeht, gelten Familienangehörige nicht als Kontaktpersonen, können also weiterhin zur Arbeit oder in die Schule. In der Schule oder auf der Arbeit sollten sie aber sehr vorsichtig sein, also sich noch mehr als üblich an die AHA+L-Regeln halten und, soweit möglich, von anderen Menschen fern halten, heißt es vom Landratsamt.

Sollte der PCR-Test des Familienmitglieds positiv ausfallen, gelten die Angehörigen als Kontaktpersonen und müssen - insofern sie nicht geimpft sind - ebenfalls in Quarantäne.

4. Muss ich für einen Test bezahlen, wenn ich Symptome habe, die auf eine Corona-Infektion hindeuten, und ich mich beim Arzt testen lasse?

Vom Landratsamt heißt es: Symptomatische Patienten müssen nach der Testverordnung bei niedergelassenen Ärztinnen oder Ärzten getestet werden. Hausarzt Michael Brendler teilt mit: "Die Testung aus medizinischer Indikation ist weiterhin eine Leistung der Krankenkassen und wird in der Infekt Sprechstunde bei Bedarf durchgeführt." Bei Corona-Symptomen bleibt der Test also kostenfrei.

5. Personen, die aus medizinischen Gründen ("Kontraindikation") nicht geimpft werden können, können sich kostenlos testen lassen. Was für Krankheiten oder medizinische Gründe können das sein?

Gründe gegen eine Impfung können etwa Allergien gegen bestimmte Konservierungsstoffe und Therapien mit immununterdrückenden Substanzen sein, wie etwa manche Rheumaformen und Organempfänger, teilt Brendler mit.

6. Wer muss weiterhin nicht für einen Corona-Test bezahlen?

Wer mit Symptomen zum Arzt geht, muss den Test nicht zahlen. Gleiches gilt für Kinder unter zwölf Jahren ebenso wie für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.

Kostenlose Tests gibt es auch weiter für Personal und Besucher in Pflege- und Behinderteneinrichtungen. Achtung: Beim Besuch von Patienten in Krankenhäusern wird die Testung bisher nicht übernommen. Momentan bleibt es noch jeder Klinik selbst überlassen, ob sie Krankenhausbesucher kostenlos testet, einen Anspruch darauf gibt es nicht.

Bis Dezember gibt es außerdem noch verschiedene Übergangsfristen: Unter anderem können sich Jugendliche und werdende Mütter noch bis zum 31. Dezember kostenlos testen lassen, stillende Mütter bis zum 10. Dezember.mit dpa-Informationen