Für Ranelli gibt aber auch die Gegenwart Mut und Zuversicht. Jüngere Generationen würden das nationalsozialistische System als grauenvolle, zynische und in jeder Hinsicht menschenverachtende- und vernichtende Ideologie entlarven. Unerträglich, dass es trotzdem Menschen in Deutschland gebe, die diese Ideologie verherrlichen und verharmlosen. Dagegen müsse man angehen.
Auch Bürgermeister Jochen Vogel (CSU) mahnte an, "dass die Geschichte präsent bleibt und wir ein Augenmerk darauf haben, dass so etwas nie wieder geschehen kann". Durch die Stolpersteine würde vielen Menschen, die unsägliches Leid erfuhren und deren Schicksale oft ungeklärt blieben, wieder ein Name gegeben. So würden sie nicht in Vergessenheit geraten.
Vogel zitierte Viktor E. Frankl, der selbst das Konzentrationslager überlebt hatte: Auch an Orten größter Unmenschlichkeit sei es möglich, im Leben einen Sinn zu sehen. Brigitte Meyerdierks als Stellvertretende Landrätin würdigte vor allem die Schülerinnen und Schüler am Franz-Miltenberger-Gymnasium und den späteren Arbeitskreis Stolpersteine unter Dirk Hönerlage, die sich auf die Spuren Brückenauer Juden begeben haben.
Gerüchteküche: "Pfleglinge" versteckt
Das honorierte auch Adelheid Zimmermann (FDP), Stellvertretende Bezirkstagspräsidentin. Sie berichtete, dass das Dritte Reich und die in der Heil- und Pflegeanstalt tätigen Erlöserschwestern noch vor 40 Jahren Gesprächsthema unter den Einheimischen waren. Es wurde von Hinweisen aus der Bevölkerung geredet, wenn die Geheime Staatspolizei einen Termin in der Einrichtung hatte oder wenn jemand abgeholt werden sollte. Dann sei versucht worden, "die Pfleglinge im Wald zu verstecken".
In den Regierungsbezirken sei bekannt, "dass in der Geschichte der psychiatrischen Kliniken unter den Nazis Unrecht geschehen ist". Laut Zimmermann begann die regionale Forschung dazu erst 1985 in Werneck durch einen Dr. Schmelter. Nachweise zu Wittekind und Nordschild seien durch Forschungen des Bezirkes Oberbayern möglich geworden. Doch erst der AK Stolpersteine habe "ein Nachleben und ein Gesicht" fassbar gemacht.
In Römershag wie im Staatsbad verlasen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums die Biografien der ermordeten Juden, darunter Felix Opitz und Christina Stretz. Auch die Paten der Stolpersteine wurden genannt.
Sieglinde Leiding hat die Patenschaft für Emilie Heimann übernommen, dem einzigen Spross der Strauß-Familie aus dem Staatsbad, bei dem Sterbeort und - datum bekannt sind (7. Februar 1943 in Theresienstadt). Heimanns Biografie hatte Leiding, die selbst die Nazizeit erlebte, vor der Stolpersteinverlegung nicht gekannt. Die Patenschaft übernahm sie aus Überzeugung. "Es passiert so viel. Immer wieder werden Juden angegriffen. Da muss man zeigen, was man denkt: dass dass alles nicht sein kann."