Wer kennt es nicht? Unliebsame Druckstellen nach einer ausgedehnten Fahrradtour ... Dr. Torsten Werlich von der Capio-Klinik Bad Brückenau hat eine Idee.
"Das Fahrrad ist die größte Erfindung der vergangenen 200 Jahre", schwärmt Dr. Torsten Werlich. Es sei ein Kunstwerk. Kein anderes Gerät schaffe es, die menschliche Kraft so leicht zu vervier- bis zu verfünffachen, findet der Mediziner. Allerdings sieht der Orthopäde an der Capio-Franz-von Prümmer-Klinik noch Optimierungsmöglichkeiten für gesundes Radeln.
Deshalb hat Werlich einen neuartigen Fahrradsattel entworfen. Vier Jahre ist seine Idee alt. Doch "jetzt schlägt sie richtig Wellen", freut sich Werlich. Nachdem ein Discounter den Fahrradsitz vorübergehend ins Sortiment aufnahm, fand er allein auf dieser Schiene 45 000 Abnehmer. Zuvor galt es, einen industriellen Produktionsprozess zu entwickeln.
Bequem und Kräfte schonend Generell komme dem Sattel beim Radfahren zentrale Bedeutung bei, führt Werlich aus.
Ein guter Fahrradsitz müsse Halt geben, auf längeren Strecken bequem sein und natürlich auch die Kräfte schonen. Wenn sich der Hintern taub anfühlt, würden die betroffenen Bereiche "abgeklemmt" und damit auch schlechter durchblutet.
Werlich weiß, wovon er spricht. Der 54-Jährige, der eine Praxis in Fulda betreibt, stammt aus Norddeutschland und ist begeisterter Hollandrad-Nutzer. Es gehe ihm darum, das Fahrradfahren mit mehr Alltagstauglichkeit populärer zu machen.
Viele der aktuellen Räder seien auf Leichtigkeit konstruiert. Dies führe zu Instabiliät und nicht selten zu einem unsicheren Fahrgefühl. Jede Störung könne einen aus dem Gleichgewicht bringen. Mehr noch: Beim Radeln auf Sporträdern laste häufig zu viel Druck auf den Schultergelenken, weiß der Orthopäde aus Erfahrung. In seiner Praxis werde er immer wieder mit typischen Überlastungssyndromen konfrontiert.
Werlich bricht eine Lanze für Tourenräder. Wenn ein komfortables, schwereres Rad erst mal auf Touren ist, rolle es genauso. Aufrechte Sitzposition biete einen Sicherheitsvorteil, ist er überzeugt.
Zusammen mit dem Unternehmer Franz Büchel und dem Produktentwickler Gianni Greifenegg hat Werlich den Sattel mit dem Namen "Medicus" entwickelt. Dessen Merkmal sind drei Zonen. Ihnen schreibt Werlich eine Sitz- Dynamik und eine Balancefunktion zu. Auf der internationalen Fahrradmesse in Friedrichshafen habe die Entwicklung für Furore unter den Fachleuten gesorgt.
Bewegung geht vor Tempo In der Idee sieht Werlich nur ein "zartes Pflänzchen" für gesünderes Radfahren. Überlegungen für schonendere Griffe und Pedale hat er erst einmal zurück gestellt. Jetzt treiben ihn andere Überlegungen um. So denkt er über ein optimiertes Nackenkissen nach.
"In meine Praxis kommen viele Patienten mit festem Nacken, da möchte ich was dagegen tun". Vorbeugung sei wichtig. In Deutschland werde zu häufig operiert.
Das Thema Fahrrad verliert der 54-Jährige allerdings nicht aus den Augen. Werlich: "Fahrradfahren hat Rhythmus. Das tut besser, als der Umgang mit dem Smartphone". Deshalb wollte er unter Einbeziehung von Kindern ein "Schulfahrrad" entwickeln. Dafür habe es aber an Unterstützung gemangelt.
Mit gemischten Gefühlen sieht der Orthopäde den Trend zu E-Bikes. Um eigene Fähigkeiten zu ergänzen, sei das ja noch sinnvoll. Nicht aber, bloß um das Tempo zu steigern. Dazu fällt Werlich eine orthopädische Weisheit ein: "Je schneller wir uns bewegen, umso weniger wissen wir, wo wir hin wollen