Während des Ersten Weltkriegs waren russische Kriegsgefangene in Oberleichtersbach untergebracht. Eine außergewöhnliche Gemeinschaft unter Feinden entwickelte sich.
Die Oberleichtersbacher wurden nicht nur in den Ersten Weltkrieg geschickt - der Krieg kam auch zu ihnen. Seit dem 16. Dezember 1915 wurden einige russische Kriegsgefangene bei Familien der Gemeinde untergebracht. Den Plan dafür gab es schon kurz nach dem Ausbruch der Kampfhandlungen. Die Arbeit in der damaligen Einöde am Buchrasen war der triste Alltag der Gefangenen.
Das Heimatbuch der Gemeinde Oberleichtersbach, das anlässlich der 1200-Jahr-Feier im Jahr 2012 herausgegeben wurde, widmet diesem Thema ein ganzes Kapitel. Viele Dokumente aus dem Gemeindearchiv und dem Staatsarchivs in Würzburg wurden dafür ausgewertet.
Bereits vier Monate nach Kriegsbeginn galt es als möglich, russische Kriegsgefangene für "außerordentliche Arbeiten" heranzuziehen - zum Beispiel, um das Gebiet am Buchrasen für landwirtschaftliche Zwecke nutzbar zu machen. Von einem fünf Hektar großen Gelände war damals die Rede. Bis zu 200 Gefangene und 40 Wachmannschaften sollten in Baracken am Buchrasen untergebracht werden. Doch daraus wurde nichts, denn diese Zahl wurde nie erreicht. Lediglich 50 Männer und fünf Wachposten waren vom 16. Dezember 1915 bis zum 25. März 1916 in Oberleichtersbach untergebracht, und zwar bei Anton Heil und Lorenz Kleinhenz.
Gemeinde ist anfangs dagegen Im Vorfeld wurde das Thema im Gemeindeausschuss jedoch abgelehnt. Bürgermeister Anton Muth und die Beigeordneten entschieden sich aus Kostengründen gegen die Maßnahme am Buchrasen. Doch Bezirksamtsmann Freiherr von Ruffin setzte sich mehrfach bei der Regierung von Aschaffenburg und Unterfranken dafür ein, dass das Projekt umgesetzt wird. Seine Argumentation: Herumliegende Feldsteine könnten verkauft und so die Kosten für die Kultivierungsarbeiten gesenkt werden. Die Regierung stand direkt auf seiner Seite. Nun musste nur noch die Gemeinde der landwirtschaftlichen Nutzung zustimmen.
Am 4. Juni 1915 fiel dann die Entscheidung. Die Mehrheit der männlichen Gemeindebürger stimmte dem Projekt zu, allerdings nur, wenn die Kosten nicht mehr als 3000 Mark betragen. Als Gewinn aus der Nutzbarmachung rechnete die Gemeinde mit 10.800 Mark.
Mit dem 27. November 1915 war es schließlich Gewissheit, dass russische Kriegsgefangene aus dem Lager Aschaffenburg nach Oberleichtersbach abgestellt werden. Doch ein Großteil von ihnen blieb nicht lange: Die Männer wurden ab März 1916 für wichtigere Arbeiten nach Oberbach abkommandiert. Dort sollte der begonnene Straßenbau zur Feldbestellung fertig gestellt werden. In Oberleichtersbach blieben also nur wenige Gefangene zurück. Sie wurden nun nicht mehr am Buchrasen eingesetzt, sondern verrichteten Hilfsarbeiten für Bürger der Gemeinde.
Wie Kameraden behandelt Die einheimischen Bürger indes versorgten die Gefangenen während ihres Aufenthalts mit Essen und Trinken. Dies beweist ein Schreiben von Bezirksamtmann Freiherr von Ruffin. Dort ist zu lesen, dass die Verpflegung der Kriegsgefangenen weit über das Maß des Zulässigen hinausgehe. Der Freiherr weist deutlich darauf hin, dass die Vorschriften zur Verpflegung von Gefangenen zu beachten seien. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Kriegsgefangenen stets ausreichend versorgt und sogar mit Kleidung eingedeckt wurden.
Und was wurde nun aus der Kultivierung des Buchrasens? Das Gelände ist heute ein Wohn- und Industriegebiet. Wenn man so will, legten also russische Kriegsgefangene den Grundstein der Oberleichtersbacher Erfolgsspur mit. So brachte der Erste Weltkrieg auch etwas Positives hervor, wenngleich die negativen Auswirkungen natürlich deutlich überwiegen.
Gedenktafel erinnert an Gefallene Unterhalb der Oberleichtersbacher Kirche erinnert bis heute ein Denkmal an die Toten der beiden Kriege: 19 gefallene Oberleichtersbacher waren es allein im Ersten Weltkrieg. Der Soldaten- und Bürgerverein und der Kriegerverein Unterleichtersbach erinnern regelmäßig an die toten Kameraden. "Wir nehmen gerne an Friedenswallfahrten teil, aber auch Kameradschaft und Gemeinschaft sind uns wichtig.", sagt Gilbert Bösl, 2. Vorsitzender des Soldaten- und Bürgervereins. Die Tradition spiele für die Mitglieder eine wichtige Rolle. Der Krieg und seine schlimmen Folgen dürften auch in der heutigen Zeit nicht vergessen werden.