"Nirgends in Deutschland gibt es so ein Chaos": Konflikt um beliebtes Ausflugsziel in der Rhön spitzt sich zu

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Loipe betreten verboten - Wurde das Schild nicht gesehen oder schlichtweg nur übersehen? Trotz deutlicher Beschilderung ignorieren Wanderer im Roten Moor in der Rhön das Verbot. Mehr noch, es wird auch noch in der Spur gelaufen. Foto: Marion Eckert
Loipe betreten verboten - Wurde das Schild nicht gesehen oder schlichtweg nur übersehen? Trotz deutlicher Beschilderung ignorieren Wanderer im Roten Moor in der Rhön das Verbot. Mehr noch, es wird auch noch in der Spur gelaufen. Foto: Marion Eckert
Was haben Wanderer auf der Loipe zu suchen? Situationen wie diese sind auf den Loipen am Roten Moor keine Ausnahme mehr. Foto: Marion Eckert
Was haben Wanderer auf der Loipe zu suchen? Situationen wie diese sind auf den Loipen am Roten Moor keine Ausnahme mehr.  Foto: Marion Eckert
 
Nicht deutlich genug? Die Verbotsschilder im Loipenpark am Roten Moor werden kaum wahrgenommen und beachtet. Foto: Marion Eckert
Nicht deutlich genug? Die Verbotsschilder im Loipenpark am Roten Moor werden kaum wahrgenommen und beachtet.  Foto: Marion Eckert
 
Nicht deutlich genug? Die Verbotsschilder im Loipenpark am Roten Moor werden kaum wahrgenommen und beachtet. Foto: Marion Eckert
Nicht deutlich genug? Die Verbotsschilder im Loipenpark am Roten Moor werden kaum wahrgenommen und beachtet. Foto: Marion Eckert
 
Loipe betreten verboten - Wolfgang Kemmerzell hat auf eigene Kosten Hinweisschilder für den Loipenpark am Roten Moor angeschafft. Beachtet werden sie nicht von allen Wanderern - warum auch immer. Foto: Marion Eckert
Loipe betreten verboten - Wolfgang Kemmerzell hat auf eigene Kosten Hinweisschilder für den Loipenpark am Roten Moor angeschafft. Beachtet werden sie nicht von allen Wanderern - warum auch immer.  Foto: Marion Eckert
 
Hunde haben im Loipenpark nichts zu suchen. Foto: Marion Eckert
Hunde haben im Loipenpark nichts zu suchen.  Foto: Marion Eckert
 

Winterwanderer und Skifahrer kommen sich in der Rhön immer wieder in die Quere. Das liegt auch daran, dass eigens aufgestellte Schilder missachtet werden. Könnte ein umfassendes Konzept mit Leitsystem, Aufklärung und Informationen für die Besucher Abhilfe schaffen?

  • Konflikt um beliebtes Ausflugsziel in der Rhön spitzt sich zu
  • Besucheraufkommen am Roten Moor auch im Winter hoch
  • Langläufern ärgern sich über Wanderer

Winterwanderer und Langläufer kommen sich am Roten Moor in der Rhön immer wieder ins Gehege. Vor allem ambitionierte Langläufer sind über die vielen Wanderer verärgert, die keine Verbotsschilder respektieren und ungehalten bis aggressiv reagieren, wenn sie darauf angesprochen werden. In diesem Januar führte der großen Andrang von Tagestouristen bereits mehrmals zu Problemen in Unterfranken.

Extrem viele Besucher am Roten Moor in der Rhön: Ausflugsziel auch im Winter beliebt

Der Konflikt am Roten Moor ist nicht neu. Er kocht nun in diesem Jahr, angesichts der extrem vielen Besucher nur erneut und massiv hoch. Wolfgang Kemmerzell, Betreiber der Internetseite "Loipenpark.de" und engagierter Akteur vor Ort beschreibt die Lage als "Katastrophe. Nirgends in Deutschland gibt es so ein Chaos wie bei uns am Roten Moor."

"Wenn Wanderer die präparierten Loipen betreten sind sie in kurzer Zeit umgepflügt", beschreibt Kemmerzell die Probleme. Darunter leide die Qualität der Loipen für Läufer in der freien Technik erheblich. Dass es auch Wanderer gibt, die nahezu konsequent in der Spur für Läufer der Klassischen Technik unterwegs sind, ist ein zusätzliches Ärgernis.

Um darüber aufzuklären, dass Wanderer auf Loipen grundsätzlich nichts verloren haben, hat Wolfgang Kemmerzell auf eigene Kosten zehn Hinweisschilder anfertigen lassen. Aber: "Sie werden von den meisten Wanderern ignoriert oder auch gar nicht erst verstanden." Kemmerzell musste feststellen, dass es für nicht Wintersportkundige schon am Vokabular scheitere. "Sie verstehen den Begriff Loipe gar nicht. Viele meinen, mit Loipe ist die Spur gemeint. Sie wandern dann brav neben der Spur und sind sich gar nicht bewusst, dass das gesamte aber eine Loipe ist." Kemmerzells Hinweisschilder verdeutlichen die Sachlage zwar auch optisch, aber scheinbar nicht deutlich genug. "Ich sehe Wanderer, die Schilder anschauen und trotzdem einfach weiter gehen."

Vernünftiges Konzept nötig

Dass das Problem mit Winterwandern auf den Loipen am Roten Moor nicht mit zehn Hinweisschildern in den Griff zu bekommen ist war Kemmerzell von Anfang an klar. "Was wir brauchen ist ein vernünftiges und abgestimmten Loipen- und Winterwanderwegekonzept. Wir brauchen Plakate an den Parkplätzen, die die Leute verstehen. Flyer und eine Informationskampagne." Solch ein Konzept habe Kemmerzell bereits 2014 erarbeitet. "Weder der Landkreis noch die Kommune und die hessische Biosphärenreservatsverwaltung haben das Thema angepackt."

So hat Kemmerzell auf eigenen Kosten Winterwanderwege präpariert und ausgewiesen. "Wir brauchen ein Besucherleitsystem und eine Informationskampagne, dazu braucht es Geld und Men-Power. Wir müssen aufklären und informieren", fordert er.

Einen Schilderwald im Wald möchte niemand, doch zu vermeiden sei ein umfassendes Beschilderungssystem nicht, um der Problematik Herr zu werden, ist Kemmerzell überzeugt. Es müsse an jeder größeren Kreuzung im Loipenpark erneut darauf hingewiesen werden, dass sich Fußgänger auf dem falschen Weg befinden.

Dieser Weg ist erlaubt

Doch wo dürfen sich Winterwanderer am Roten Moor bewegen? Im Moment ist es erlaubt vom Parkplatz beim NABU-Haus zum Heidelstein und weiter zur Schornhecke zu laufen. Nicht erlaubt ist es auf den Loipen zu laufen, die rechts und links dieses Weges abzweigen.

Verbotsschilder gibt es. Sie hängen aber mehr oder weniger versteckt an Bäumen. "Die vorhandenen Verbotsschilder werden nicht wahrgenommen und wenn werden sie ignoriert. Mittlerweile läuft dort oben jeder wo er will", ist Kemmerzell frustiert. "Ich hab manchmal richtig Zorn auf die uneinsichtigen Wanderer". Dass nicht jeder, den er anspricht und aufklärt uneinsichtig, aggressiv oder unfreundlich ist, möchte er aber auch betonen. "Es gibt auch verständige Menschen, die ein Einsehen haben und umkehren."

Winterwanderer haben auch die Möglichkeit vom Parkplatz beim NABU-Haus Richtung Bohlensteg und von dort weiter in Richtung Wasserkuppe zu laufen. Diese Möglichkeit wurde auch neu geöffnet, um Wanderern ein Angebot zu machen. Nicht erlaubt sei der Spaziergang auf der alten Reichstraße in Richtung Schwedenwall, ebenso wenig in Richtung Holzberghof. Vielen Wanderern sei auch nicht klar, dass Sommerwanderwege nicht automatisch auch Winterwanderwege sind. "Im Winter darf nur auf ausgewiesenen Winterwanderwegen gewandert werden. Das will manch einer nicht akzeptieren." Betroffen sei der Weg an der Ulsterquelle. Dieser Weg ist im Winter eine reine Loipe. Dennoch nutzen ihn in Spaziergänger, um von der Schornhecke zum Roten Moor zu kommen - trotz der Verbotsschilder.

Neue Winterwanderwege

Natürlich möchte Kemmerzell die Fußgänger nicht aus der Rhön vertreiben. Er spricht sich für eigens präparierte Winterwanderwege aus und hat auch schon auf eigene Kosten solche ausgewiesen und beschildert. "Ziel muss es sein, den Parkplatz Schwedenwall in erster Linie für Winterwanderer bereit zu stellen und das Rote Moor als Loipenpark auszuweisen." Vom Schwedenwall wurden in dieser Saison zwei neue Winterwanderwege mit 3,4 und 2,7 Kilometer ausgewiesen und maschinell präpariert. Der eine führt in Richtung Würzburger Hütte, der andere zum Kesselstein.

Als "Trauerspiel" bezeichnet Kemmerzell das gesamte Thema am Roten Moor. "Die Loipen müssten dringend wieder ausgeschnitten werden. Die letzte Aktion dieser Art fand 1998 statt." Hinzu komme die Parkplatzproblematik, die auch das Ordnungsamt nicht in den Griff bekomme. Ein eigenes Thema sind Hunde und ihre Besitzer. "Hunde sind auf Loipen grundsätzlich nicht erlaubt." Für diese Klientel stellt sich Kemmerzell einen eigens ausgewiesenen Winterwanderweg beispielsweise in Richtung Wasserkuppe vor. "Im Moment funktioniert das in keinster Weise. Hundebesitzer gehen davon aus, dass sie mit ihren Tieren überall unterwegs sein dürfen - auch ohne Leine."

Ein vergleichsweise neues Phänomen im Loipenpark sind Radfahrer mit sogenannten Fat-Bikes. Mit einem solchen Rad, das über extrem dicke Reifen verfügt, kann problemlos über Schnee gefahren werden. Doch auf einer präparierten Loipe zerstört das Fat-Bike die Präparierung nachhaltig. Im Moment setzt Kemmerzell auf Gespräche. Es müsse konsequent gehandelt werden, um Nachahmer zu vermeiden.Was die Zukunft des Bereichs zwischen Schwedenwall, Rotem Moor und Wasserkuppe als attraktives Wintersport- und Freizeitgebiet für alle angeht, hat Kemmerzell eine Adresse: "Wann wachen Politik und Verwaltung aus dem Dornröschenschlaf auf?" Genaue Informationen über die Loipen, den aktuellen Schneebericht sowie eine Übersicht über die Winterwanderwege in der Rhön gibt es im Internet: www.loipenpark.de

Stellungnahme: Das sagt Gersfelds Bürgermeister Steffen Korell dazu:

"Wir werden die Wanderer nicht aus der Loipe bringen", Gersfelds Bürgermeister Steffen Korell ist sich der Problematik im Loipenpark am Roten Moor sehr bewusst. Im Gespräch mit unserer Zeitung verweist er auf Versuche die Situation zu entspannen und zu entzerren, die aber bislang letztlich scheiterten. Eine Vielzahl von Interessen gelte es am Roten Moor zu berücksichtigen. "Wir haben eine Mischung an Eigentümern, an Interessengruppen und fachlichen Fragen." Korell zählt auf: "Hessenforst, Biosphärenreservat, von Walthausen'sche Forstverwaltung, NABU, Privatwaldbesitzer und wir haben hier oben Kernzonen." Auch die Freizeitnutzung sei breit gefächert. "Im Winter haben Winterwanderer und Spaziergänger, sportliche Langläufer und weniger sportliche. Familien mit Kindern und Schlitten. Hundebesitzer, Schneeschuhgänger, Fatbike-Fahrer und Reiter."

Die Stadt Gersfeld und der Naturpark hessische Rhön seien für das Präparieren der Loipe zuständig. Wolfgang Kemmerzell, ehemaliger Vorsitzender der SKG Gersfeld, Abteilung Nordisch, betreibt die private Seite www.loipenpark.de mit aktuellem Loipenbericht und Informationen für Skilangläufer. "Es ist eine sehr gute Seite und ein wichtiger und sehr guter Service", betont Korell.

Die Versuche Kemmerzells, mit Informationsschildern die Winterwanderer darüber aufzuklären, dass sie die Loipe nicht betreten sollen, kennt Korell. Doch er habe die Erfahrung machen müssen: "Die Leute lassen sich durch Schilder nicht lenken." Korell berichtete von Gesprächen mit der Oberen Naturschutzbehörde in Kassel und Vor-Ort-Terminen, um durch bauliche Veränderungen eine Entzerrung zu ermöglichen. Ohne den gewünschten Erfolg: "Es ist uns verboten worden neue Schneisen zu schlagen und bestehende zu verbreitern", fasst er die Entscheidung zusammen. Naturschutzfachliche Gründe seien hierfür ausschlaggebend gewesen.

Der Gedanken, für Winterwanderer eigenen Wege anzulegen oder alternativ bestehende Loipentrassen so zu verbreitern, dass ein Bereich zum Spazierengehen beziehungsweise Winterwandern zur Verfügung stehe, sei aus Naturschutzgesichtspunkten heraus nicht möglich. "Diese Entscheidung behebt die Situation und Probleme vor Ort nicht", betonte Korell ausdrücklich. "Den Ansturm haben wir jedes Jahr und er wird jedes Jahr größer."

Gleichzeitig gebe es am Roten Moor nicht die Verhältnisse und Möglichkeiten wie in Garmisch oder Rupolding, um Winterwanderer und Skisportler zu trennen. Es sei auch nicht möglich den Loipenpark am Roten Moor komplett zu sperren und nur für Skilangläufer zu öffnen. Das geben schon alleine die örtlichen Gegebenheiten nicht her. "Wir können letztlich niemand daran hindern, die präparierten Loipen zu betreten."

Versuchen zu steuern

Dass aber dennoch Verbotsschilder aufgestellt werden mit dem Hinweis, dass die Loipe Vorrang habe, sei wichtig und richtig, betonte Gersfelds Bürgermeister. "Wolfgang Kemmerzell hat Recht, wir müssen versuchen zu steuern. Daher wurden auch neue Winterwanderwege ausgewiesen." Korell bezieht sich auf die beiden neuen Winterwanderwege vom Parkplatz Schwedenwall aus. Der eine führte in Richtung Bergbundhütte am Himmeldunkberg, der andere in Richtung Kesselstein. Doch zwei neue Wege allein halten Winterwanderer nicht davon ab, genau die entgegen gesetzte Richtung einzuschlagen, auf Loipen spazieren zu gehen und die entsprechenden Hinweisschilder zu ignorieren.

In Bezug auf das von Wolfgang Kemmerzell im Jahr 2014 aufgestellte Konzept für Winterwanderwege und Loipen verwies Korell auf die Reiter aus Mosbach, die mit ihren Pferden nicht auf präparierten Wegen unterwegs sein können. "Die Pferde sind zu schwer, sie brechen mit den Hufen ein und verletzen sich auf präparierten Wegen", erklärte er die Situation.

Letztlich sieht Korell das Thema nicht als alleiniges Thema der Stadt Gersfeld. Er wünscht sich eine breite Allianz auf Landkreisebene, mit dem Biosphärenreservat und Naturpark, den Anliegergemeinden und Interessengruppen - auch die Stadt Bischofsheim als direkter Nachbar gehöre dazu. "Ein neues ganzheitliches Konzept mit einer verständlichen Beschilderung ist nötig. Die Stadt Gersfeld alleine kann die Thematik am Roten Moor nicht lösen und auch finanziell nicht stemmen. Wir betreiben jetzt schon Wirtschaftsförderung für die gesamte Region."

Im Moment bleibe nur auf Verständnis und eine gegenseitige Rücksichtnahme zu bauen. Korell habe die Erfahrung gemacht, dass viele Gäste rücksichtsvoll seien und fragen: "Wo dürfen wir dann laufen?" Andererseits zeige manch Langläufer wenig Verständnis für die Wanderer und Spaziergänger. "Ich kann nur dringend bitten nicht auf Loipen spazieren zu gehen."