Hätten die Helfer gewusst, dass die Menschen in der Halle teilweise auf dem blanken Boden ausharren, sie hätten ihre Hilfsgüter direkt dorthin mitgenommen. Vor Ort fehle es noch an Helfern, um die Organisation zu stemmen. "Das Schlimmste waren aber nicht die Verhältnisse", sagt Bieler. "Sondern die Gesichter der Menschen. Es ist ein Genozid an der ukrainischen Bevölkerung, was da gerade passiert."
Ukraine-Hilfe aus ganz Europa
Hilfe indes ist aus ganz Europa unterwegs an die Grenze, wie die Fahrergruppe berichtet. Er sei auf einen Franzosen getroffen, erzählt Bieler, der zu ihm gesagt habe: Deutsche und Franzosen, Brüder für immer. "Auch auf der Autobahn konnte man die Unterstützung sehen, Schreiner, Zimmerer, Autos, die bis unter die Decke vollbepackt waren", schildert Wirth.
Auch der Bad Brückenauer Hilfstransport war als solcher deutlich an den auf den Fahrzeugen aufgebrachten ukrainischen Flaggen und Unterstützungszeichen zu erkennen. "Die Leute unterwegs haben geklatscht, wenn sie uns gesehen haben."
Während die Helfer von ihrer Fahrt berichten, klingelt immer wieder ein Handy. "Mich rufen sogar aus Augsburg Leute an, die selbst eine Fahrt organisieren wollen, um sich Tipps zu holen", berichtet Schindler. Wichtig sei eine Bevollmächtigung, um Firmenfahrzeuge nach Polen überführen zu dürfen, weiß er.
"Und man sollte 200 bis 300 Kilometer vor der Grenze noch einmal tanken", denn die Tankstellen vor Ort hätten nur noch Sprit für das Militär. Insgesamt 4000 Euro an Spritkosten seien für den Hilfstransport an die Grenze und zurück angefallen, berichtet Schindler.
Mit Borschtsch empfangen
Die Fahrer und die Geflüchteten wurden bei ihrer Ankunft in Bad Brückenau von Helferinnen in den Räumlichkeiten der evangelischen Kirche empfangen, wo alles für die Übernachtung vorbereitet worden war. Auch etwas zu essen gab es: Borschtsch. Ein traditionelles Gericht aus dem osteuropäischen Raum und somit ein Essen, das den Geflüchteten bekannt war.
Die Idee dazu hatte die Mutter von Valerie Wagner. Deren Familie stammt aus Kasachstan und hat eine Cousine, die in Süd-Donezk mit ihren beiden Kindern in einem Keller ausharrt. "Es ist schwierig, mit ihr zu kommunizieren", sagt Wagner. "Es gibt keinen Strom, kein Essen, kein Wasser."
Die 20 Geflüchteten, die die Fahrer aus dem Grenzgebiet mitbrachten, sind indes inzwischen nicht mehr in Bad Brückenau. "Wir waren ganz überrascht, dass die Menschen alle schon jemanden hatten, der irgendwo in Deutschland auf sie wartet", erzählt Martina Kirchner. Über einen Kontakt zum Reisebüro habe man kurzfristig die Weiterfahrt organisieren können.
Ihr sei zwischenzeitlich einmal der Gedanke gekommen, dass es ja nur 20 Geflüchtete seien, denen sie bislang helfen konnten, berichtet Kirchner und fügt einen Gedanken ihrer Mutter an: "Aber wenn das nun jede Stadt in Deutschland so machen würde."
Jede Spende zählt
Jede und jeder kann helfen, wie Wirth betont, der den nächsten Hilfstransport übernimmt (siehe unten). "Mit ein paar Euro kann man Malblöcke für die Kinder kaufen, die freuen sich darüber riesig", nennt er ein Beispiel. Helfer Thomas Weißenfeld berichtet, dass er den Spendenaufruf in seinen Whats-App-Gruppen geteilt habe. "Innerhalb von zwölf Stunden sind so 1800 Euro zusammengekommen."
Auch aus dem Kurstift habe die Helfer eine Spende erreicht, berichtet Schindler. Die Seniorinnen und Senioren steuerten demnach 1420 Euro bei. "Und als wir neulich im Supermarkt an der Kasse standen, da hat plötzlich eine Frau hinter uns gesagt, sie übernimmt den Einkauf", erzählt der Initiator. Oder wie Wirth es formuliert: "Jetzt ist Krieg, und alle helfen, wie sie können oder mit was sie können."
Die nächsten Hilfstransporte aus Bad Brückenau und Umgebung
Fahrt I Die Helfergruppe um Uwe Schindler und Christian Bieler plant aktuell weitere Hilfstransporte in Richtung der polnisch-ukrainischen Grenze. Bereits am Freitag startet wieder eine Fahrt. "Wir fahren mit fünf Fahrzeugen von Schondra aus los", berichtet Christian Wirth. Unter anderem ist man, wie er berichtet, gerade dabei, kleine Turnbeutel für Kinder mit Schokoriegeln, kleinen Spielsachen und Ähnlichem zu bepacken. Auch einen Transporter, der vor Ort zur Suppenküche umfunktioniert werden kann, nehmen die Helfer mit auf die Fahrt.
Daneben Isomatten, Schlafsäcke und Wolldecken, die dieses Mal vor Ort direkt an die Geflüchteten verteilt werden sollen. Weiterhin ist der Bedarf an Medikamenten für chronische Krankheiten hoch (z.B. Insulin oder Blutdruckmittel). Auch ein Notarzt wird sich aus Bad Brückenau mit auf den Weg machen sowie auch einige Frauen als Ansprechpartnerinnen für die geflüchteten Frauen.
Fahrt II Die Helfergruppe plant derweil noch einen weiteren, größeren Transport mit Reisebussen der Firma Kimmel, die einen Teil der Kosten selbst übernehmen wird. Für den Rest und die dringend benötigten Hilfsgüter sind nach wie vor Geld- und Sachspenden gesucht. Kontakt: Uwe Schindler, Tel.: 0175/407 11 30.