Margot Kräft erlebte das Endspiel der WM 1954 direkt im Stadion. Seitdem ließ sie der Fußball nicht mehr los. Das Finale am Sonntag schaut sich die 82-Jährige aber im Fernsehen an.
Staatsbad — Ruhig und zurückhaltend sitzt Margot Kräft am heimischen Wohnzimmertisch im Brückenauer Staatsbad. Mit ihrer Familie schaut sie gerade Bilder vergangener Jahre an. Wenn man die 82-Jährige allerdings auf Geschichten und Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit anspricht, fangen ihre Augen an zu leuchten. Sie erzählt von der Fußball-Weltmeisterschaft 1954. Die damals 22-Jährige war beim Endspiel im Stadion. Welche Emotionen sie im Berner Wankdorf-Stadion erlebte, ist auch heute noch deutlich zu spüren.
Als wäre es gestern gewesen, erinnert sich Kräft an das '54er-Finale. Mehr als 60 Jahre ist es nun her, als die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Mal den Weltmeistertitel gewann. Der unerwartete 3:2-Sieg gegen die damals favorisierte Nationalmannschaft Ungarns ging als "Wunder von Bern" in die Geschichte ein. Ein einmaliges Erlebnis, das damals 60 000 Zuschauer im Stadion erlebten.
Von Hotelgast eingeladen Mitten unter ihnen war auch sie, Margot Kräft. Wie es dazu kam, ist genauso einmalig. Die junge Dame wohnte und arbeitete damals als Köchin im Hotel "Jungfraublick" im schweizerischen Beatenberg - etwa 70 Kilometer von Bern entfernt. "Ich habe mich zu dieser Zeit nicht besonders für Fußball interessiert", schmunzelt die 82-Jährige.
Schlagartig änderte sich dies, als ein Engländer im gleichen Hotel abstieg. Er machte eigentlich nur Station auf der Reise nach Bern, wo er das WM-Finale live erleben wollte. Wie es der Zufall wollte, hatte der Gast ein Auge auf die damals 22-Jährige geworfen - und er hatte zwei Eintrittskarten. "Dieser Engländer mit dickem Portemonnaie hat mich überraschend zum Endspiel eingeladen", erinnert sie sich. Anfangs wollte sie ihn gar nicht begleiten.
",Du bist schön blöd, Deutschland spielt doch‘, sagte eine Freundin zu mir, die im gleichen Hotel als Kellnerin arbeitete. Erst dann habe ich meine Meinung geändert", betont Kräft.
Aber es kommt noch besser. Der englische Hotelgast wusste damals noch nicht, dass sie Deutsche ist. "Er dachte, dass ich wie meine Kollegin Österreicherin wäre", erinnert sich die 82-Jährige. "Wenn er es gewusst hätte, dann hätte er mich womöglich nicht eingeladen."
Im Stadion saß Kräft fast am Spielfeldrand - in der dritten Reihe. "Der Ball war direkt vor meinen Füßen", erzählt sie. "Damals herrschte im Stadion eine Bombenstimmung." Der reiche Engländer habe immer über die Deutschen geschimpft, aber das habe sie nicht besonders interessiert. "Erst als er mich zu einem Kaffee einladen wollte, habe ich ihm gesagt, dass ich Deutsche bin." Danach hatte sich das Thema für beide erledigt.
Seit diesem historischen Sieg ist Kräft vom Fußball begeistert. Fritz Walter war damals ihr Lieblingsspieler. Heute ist sie Fan von Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil. Bei den WM-Titeln von 1974 und 1990 fieberte sie vor dem Fernseher mit.
Die Weltmeisterschaft in Brasilien verfolgt Kräft natürlich auch. "Ich habe fast alle Spiele gesehen, auch wenn es mitten in der Nacht zum Elfmeterschießen kam", erzählt sie. Eine klare Meinung zum Fußball der Gegenwart hat die 82-Jährige auch. "Der heutige Fußball ist besser und schneller als damals." Nach dem überraschenden 7:1-Halbfinalsieg gegen Brasilien staunte auch sie nicht schlecht über die Leistung unserer Nationalmannschaft. "Ich habe gedacht, das gibt es nicht." Für das morgige Finale tippt sie ohne langes Überlegen ein 3:1 für Deutschland. Sie ist überzeugt: "Wir werden Weltmeister."