Ein weißer Hirsch, eine weiße Frau und die drei Stolzen: Die Rhönbotschafter Ralf Sauer und Matthias Grief geben drei Rhöner Sagen zum Besten. Diese sind eng mit der Geschichte der Region verknüpft.
Wenn dieser Tage der erste Schnee die Kuppen der Rhön weiß zuckert, entfaltet die Landschaft ihren ganz besonderen Zauber. Gerade in der dunklen Jahreszeit wird die Mystik der Rhön für Einheimische wie Besucherinnen und Besucher förmlich greifbar. Und was wäre das Ganze ohne die ein oder andere unerklärliche Begebenheit, die seit Generationen überliefert wird?
"Die ganze Rhön steckt voller Sagen", erklären auch Ralf Sauer und Matthias Grief, die als "Rhönbotschafter" unter anderem geführte Erlebniswanderungen in der Region anbieten. Mit den Geschichten, die sich um zahlreiche Orte in der Rhön ranken, kennen sie sich daher gut aus.
Drei alte Rhöner Sagen
Sagen seien oft dazu da, etwas zu erklären, was sich auf den ersten Blick nicht wirklich erklären lasse, berichten Sauer und Grief. Oft würden Sagen sich außerdem auf Orte beziehen, die eine gewisse Anziehungskraft oder Energie ausstrahlen. Manche Sagen transportierten auch eine Lebensweisheit. Da die Geschichten meist mündlich überliefert wurden, können sich jeweils kleine Unterschiede in der Erzählweise ergeben. Ein Blick auf drei ausgewählte Rhöner Sagen:
Der weiße Hirsch vom Volkersberg: Volkers hat eine Besonderheit. Anders als in den meisten Orten steht die örtliche Kirche nicht in der Dorfmitte, sondern auf einem Berg, dem Volkersberg. "Es gibt ja auch das Sprichwort: Lass die Kirche im Dorf", sagt Sauer. "Es ist also eine echte Seltenheit, dass die Kirche außerhalb auf einer Bergkuppe zu finden ist." Wie diese dorthin kam? Hierbei kommt ein weißer Hirsch ins Spiel. "Die Sage reicht zurück ins 17. Jahrhundert", erläutert Sauer. Damals sei das Gebiet rund um den Volkersberg entstanden. Aus ein paar Bauernhöfen wurde ein Dorf. Volkers. "Und jedes Dorf braucht eine Kirche."
Der Fuldaer Bischof gab seine Erlaubnis für den Bau, die Dorfbewohner schlugen Holz und legten alles in der Dorfmitte bereit, um am nächsten Morgen mit dem Bau der Kirche zu beginnen. "Am Morgen war das ganze Holz weg. Die Leute machten sich auf die Suche und fanden es schließlich auf der Kuppe des Volkersbergs", erzählt Sauer. Zunächst dachten sie, dass ihnen jemand einen Streich gespielt hätte, und brachten das Holz wieder nach unten ins Dorf. "Am nächsten Morgen das gleiche Spiel. Das Holz lag wieder auf der Bergkuppe."
Wieder wurde das Holz zurück ins Dorf gebracht. Der Sage nach legten sich daraufhin ein paar der Einwohner in der Nacht auf die Lauer und sahen, dass ein weißer Hirsch herbeikam, der das Holz aufgabelte und es auf den Berg brachte. "Das werteten die Leute als Zeichen, ihre Kirche nicht im Dorf, sondern auf dem Berg zu bauen", schließt Sauer. In Anlehnung an die Erzählung steht auf dem Volkersberg heutzutage die Skulptur eines weißen Hirsches, der mit seinem Geweih eine Ladung Holz aufgegabelt hat.
Die weiße Frau auf dem Kothener Pilster: "Die Pilster-Quelle in Kothen ist eine Heilquelle, wenn auch etwas unbekannter", sagt Sauer. "Um sie rankt sich eine sehr schöne Sage, die die heilende Wirkung der Quelle erklären will." Ursprünglich hielten die Menschen vor Ort das Quellwasser für verwunschen oder verhext, da es aufgrund des hohen Kohlensäuregehalts nicht klar war wie etwa das Wasser aus einer Bergquelle. Um die Quelle und den in der Nähe befindlichen Felsbrocken, den sogenannten Pilster, machten die Dorfbewohner daher stets einen großen Bogen.