Fair und ausgewogen setzte sich der Stadtrat mit dem Anliegen der Schüler auseinander, Stolpersteine zu verlegen. Es war der zweite Anlauf.
Die Anspannung war ihnen anzusehen, als die Schüler der Projektgruppe des Franz-Miltenberger-Gymnasiums überpünktlich zur Sitzung des Stadtrats am Dienstag kamen. Im Rahmen des Seminars "Jüdisches Leben in Bad Brückenau - Erinnerung, Mahnung, Auftrag" setzen sie sich für die Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken an von den Nazis ermordete Juden ein.
Stolpersteine sind in der Stadt umstritten: Vor neun Jahren hatte der Stadtrat diese Form des Gedenkens abgelehnt.
Engagiert stellten Sarah Hofmeister, Lena Kaiser und Fabian Meißner den Stadträten ihre Argumente vor und standen Rede und Antwort bei Nachfragen. "Das Wichtigste ist für mich, dass sich junge Menschen mit der Vergangenheit der Stadt auseinandersetzen und politisches Interesse zeigen", eröffnete 2. Bürgermeister Jürgen Pfister (PWG) den Austausch und sprach sich nachdrücklich für Stolpersteine aus.
In der Sache bestimmt aber sehr wertschätzend der Arbeit der Schüler gegenüber argumentierte 3. Bürgermeister Dieter Seban (CSU) gegen die Steine. "Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass diese Erinnerungsstücke im Boden verankert sind." Er schlug vor, stattdessen nach Rücksprache mit den Hauseigentümern Tafeln auf Augenhöhe anzubringen - ein Vorschlag, den Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks (CSU) später aufgriff.
Etwa 40 Stolpersteine denkbar
Die ausführliche Dokumentation einzelner Schicksale, die mit Stolpersteinen einhergeht, lobte Seban ausdrücklich. "Das könnten wir auf unserer Internetseite verwirklichen", regte er an. Die Schüler überzeugte das nicht. Für sie mache es keinen Sinn, wenn die Stadt "ihr eigenes Süppchen kocht". In der weiteren Diskussion wurde deutlich, wie unterschiedlich die Generationen Stolpersteine bewerten. Er habe seine 95-jährige Tante gefragt, die viele Juden noch persönlich kannte, berichtete Karlheinz Schmitt (CSU). "Sie wünscht so etwas überhaupt nicht." Florian Wildenauer (SPD) erzählte, wie er mit seinem achtjährigen Sohn in Bad Kissingen unterwegs war und der Junge ihn nach den "goldenen" Steinen fragte. "Einen besseren Zeitpunkt, seinem Kind zu erklären, was da mal gewesen ist, gibt es nicht", hob Wildenauer den Nutzen der Gedenksteine hervor.
Adelheid Zimmermann (FDP) nahm das Wort "Mord" in den Mund. "Es ist unschön, daran zu erinnern, aber es war so", sagte sie. Manfred Kaiser (CSU) zählte die Orte auf, an denen die Stadt an ihre jüdischen Bürger erinnert. "Vergessen nie! Aber heilende Wunden ruhen lassen!" Meyerdierks versuchte, Sebans Kompromissvorschlag als Alternative zu Stolpersteinen erneut in den Raum zu stellen, fand aber nur wenig Rückhalt. Die Mehrheit des Stadtrats sprach sich schließlich für Stolpersteine aus.
Die Schüler möchten nun einzelne Schicksale rekonstruieren und die ersten sechs bis acht Stolpersteine verlegen. Ihr Projekt läuft noch bis Februar. Dann soll es in andere Hände übergehen. Insgesamt könnten etwa 40 Stolpersteine an ehemalige Bad Brückenauer Juden erinnern.
ICH BIN FÜR DIESE ERINNERUNGSSTEINE AN DIE SCHRECKLICHEN VERBRECHEN DIE AN JUDEN IN UNSERER GESCHICHTE VERÜBT WURDEN: SCHON AUS DEM GRUND; DASS SO ETWAS SCHRECKLICHES HOFFENTLICH NIE NIEMALS MEHR PASSIEREN WIRD; SOLLTE IMMER WIEDER AUFS NEUE DARAN ERINNERT WERDEN!