Vom ersten Anruf bis zur Erstversorgung vergehen rund eine Stunde und 15 Minuten. "Wir waren völlig überfordert", sagt die junge Frau über den Ablauf, und: "Ich finde das ist unterlassene Hilfeleistung, wenn ein Arzt in einer solchen Situation nicht hilft."
Auf die Frage, warum der Arzt aus der Franz von Prümmer Klinik nicht eingegriffen habe, antwortet Krankenhausdirektor Ralph Pleier. "Der Arzt hat sich ein kurzes Bild von der Situation gemacht, und es wirkte nicht lebensbedrohlich", sagt er. Auch über die Sprechanlage ergaben sich im direkten Kontakt keine Hinweise darauf. Deshalb habe er den jungen Mann nach Fulda verwiesen. Das sei das normale Vorgehen, vor dem Hintergrund, dass die Station geschlossen war.
112 im Notfall
Aus der Sicht von Pleier stellt sich das Problem anders dar, denn "wir melden uns bei der ILS ab, das ist ein geordnetes Verfahren", erklärt er. Wegen Krankheitsfällen auf den Stationen komme das hin und wieder vor. Wenn ein Patient hingegen "blind zu uns geschickt wird", dann ist das für den Patienten natürlich ärgerlich, wenn er vor verschlossener Türe steht.
Sein Appell deshalb: "Liegt ein Notfall vor, dann soll umgehend die 112 angerufen werden." Dort sei genau bekannt, wo Betten frei sind und welche Schwerpunktklinik beispielsweise bei Herzinfarkt oder Schlaganfall benötigt wird. "Wir haben ein top ausgebautes Rettungssystem, das schnell reagieren kann", betont er.
Die Integrierten Leitstelle in Schweinfurt bestätigt auf Nachfrage, dass temporär immer wieder Abteilungen von Krankenhäusern geschlossen seien. "Das ist ganz normal", sagt der stellvertretende Leiter, Klaus Wörner. Am vergangenen Wochenenden, bestätigt er weiter die Aussage des Verwaltungsdirektors, sei das Krankenhaus für den Rettungsdienst nicht verfügbar gewesen.
Erstversorgung wünschenswert
Erste Hilfe vor Ort leistete der herbeigerufene Notarzt Prof. Emanuel Fritschka. Er fand Thomas mit starken Schmerzen vor und begleitete ihn im Rettungswagen bis zur Notaufnahme des Helios St Elisabeth Krankenhauses. "Hätte das junge Paar direkt von zuhause aus den Notruf 112 abgesetzt, dann wären wir in sieben Minuten vor Ort gewesen", betont Fritschka.
Nun weiß der Bad Brückenauer Notarzt aus Erfahrung, dass es eine Hemmschwelle gibt, den Notruf abzusetzen und den Rettungsprozess in Gang zu setzen. "Deswegen rufen die Patienten eher den Ärztlichen Bereitschaftsdienst an", sagt Fritschka. Dort sei natürlich nicht bekannt, welche Stationen geöffnet sind.
Dass dann die Patienten vor verschlossener Türe im Krankenhaus stehen, ohne eine Erstversorgung, das findet er hingegen bedenklich. "Ich wünsche mir, dass die betroffenen Patienten zumindest angeschaut und erstversorgt werden", sagt er.
Thomas ist mittlerweile wieder aus der Bad Kissinger Helios Klinik entlassen worden. Es geht ihm besser, das Morphium half und nach ein paar Tagen konnte er auch wieder feste Nahrung zu sich nehmen. Seine Freundin sagt: "Ich bin mir sicher, dass viele Menschen nicht wissen, dass die Notaufnahmen manchmal geschlossen ist". Sie habe sich auf die Aussage des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes verlassen.