Für ihr Herbstkonzert aus dem Themenkreis der vier Elemente hatte sich das Kammerorchester Bad Brückenau mit der Erde beschäftigt und sich dazu mit dem Oboisten Albrecht Mayer einen herausragenden Solisten geholt.
Jetzt sind sie also durch, die Musiker des Kammerorchesters Bad Brückenau, mit ihrem Jahresprogramm der vier Elemente: Nach Feuer, Wasser und Luft war jetzt die Erde dran - vielleicht bei der Programmauswahl das schwierigste Element, denn "Erde kann man nicht vertonen", meinte Chefdirigent Johannes Moesus in seiner Anmoderation. Die Musik könne nur Emotionen wecken, die sich mit Erde in Verbindung bringen lassen. Und da boten sich zwei Aspekte an: Erdverbundenheit und Vergänglichkeit.
Das Programm wäre auch ohne Übertitel absolut spannend und unterhaltsam und ausgezeichnet dosiert gewesen. Zumal es fünf Werke waren, in denen sie ihre Stärken als Kammerorchester ausgezeichnet ausspielen konnten. Das kam schon Bartóks sechs "Rumänischen Volkstänzen" zugute, die ursprünglich für Klavier geschrieben waren und die Péter Bartók, der Sohn des Komponisten glücklicherweise in eine "Fassung für kleines Orchester" und damit in die klangliche Vielfarbigkeit gebracht hat. Und die trat in der Interpretation der Brückenauer ausgezeichnet zutage, weil das einmal intellektuell ernst genommene rumänische Volksmusik war, die die Einflüsse der Zigeunermusik deutlich machte, ohne sie mit dem ewigen Cymbal und Zigeunerkitsch zu verunklären. Nein, das war ganz klar strukturierte Tanzmusik vom Stabtanz über den Stampfer bis zur schnellen Polka mit aller dynamischen und agogischen Raffinesse - ein mitreißender Gute-Laune-Einstieg für Orchester und Publikum gleichermaßen.
Distanzierender Kontrast
Ein völlig distanzierender Kontrast war das Adagietto aus der "Arlésienne-Suite Nr. 1" von Georges Bizet, eine Art Streichquartett für Orchester, bei dem die Bläser und der Kontrabass schweigen. Hier waren es der ansatzlose, weiche Klang der Streicher, der den Reiz der Musik ausmachte, ein langes Crescendo aus einem delikaten, aber andererseits auch stabilen Pianissimo heraus, das die "erdige Emotionalisierung" vorantrieb - ein kurzes, aber sehr gut ausgehörtes Stückchen Musik.
Im Mittelpunkt des Abends stand ein Werk, das erstaunlicherweise nur sehr selten auf den Programmen zu finden ist: das Konzert für Oboe und kleines Orchester D-dur von Richard Strauss, das er 1945 auf Anregung eines amerikanischen Besatzungssoldaten geschrieben hat. Vielleicht liegt die Zurückhaltung daran, dass sich das Werk einer einfachen Einordnung widersetzt. Denn 1945 bemühten sich die Komponisten eigentlich, mit der musikalischen Vergangenheit zu brechen und etwas völlig Neues zu versuchen. Und da ist dann plötzlich ein spätromantisches, wenn auch geschickt modernisiertes Stück Musik, das so gar nicht in die Szene passte.
Zum anderen ist es aber auch Strauss selbst, der verunsichern kann, weil die Stimmung des 81-Jährigen damals eigentlich auf Halbmast stand: Werke wie die "Metamorphosen" oder die "Vier letzten Lieder" waren eher auf die Endlichkeit gerichtet. Und dann taucht plötzlich dieses heitere Konzert auf!
Zurückdrängung des Virtuosen
Man hat sich offenbar darauf geeinigt, die Musik aus der emotionalen Ebene herauszuholen und in den Interpretationen die Virtuosität des Werkes zu betonen - eine Einstellung, auf die sich weder Albrecht Mayer, der den Solopart übernommen hatte, noch Johannes Moesus einlassen wollten. Mayer nahm sich als Techniker völlig zurück und verschleierte so die nicht geringen technischen Anforderungen. Dafür stellte er den romantischen, sanglichen Aspekt dieser Musik in den Vordergrund und machte auf verblüffende Weise deutlich, wie gut die emotionale Oboe nicht nur im Barock, sondern auch im 20. Jahrhundert ihre Kraft entfalten kann. Andererseits dirigierte Moesus nicht auf Konfrontation, sondern auch ein einverständiges Begleiten, das das Ganze rundete. Wie auch das gute Aufeinander-Eingehen von Mayer und dem Orchester - vielleicht, weil er als langjähriger Orchestersolist in Bamberg und Berlin ganz einfach weiß, wie man das macht.
Gabriel Faurés Pavane op. 50 eröffnete den zweiten Teil, die starke Assoziationen zu Debussy weckte, weil die Flöten hier eine herausragende Rolle spielten - und das auch wunderbar taten. Den Schlusspunkt setzte Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie g-moll KV 550 seine vorletzte. Auch sie bietet kontroversen Stoff zur Einordnungsdiskussion, weil man aus ihr sehr viel persönliche Bedrängnis heraushören zu können glaubt. Und Johannes Moesus artikulierte im ersten Satz mit starkem Vortrieb eine immanente Nervosität. Aber je länger die Musik dauerte, desto stärker kamen auch humorvolle Aspekte an die Oberfläche, über die man durchaus lachen konnte. Wobei nicht nur die für Spannung sorgten, sondern auch der Umstand, dass die seltene Fassung der Sinfonie mit zwei Klarinetten einige neue Aspekte und strukturelle Erlebnisse lieferte. Und da zahlte sich dann wieder die Klarheit der Brückenauer aus.