Bad Brückenau: Café Ludwig schließt

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Es wird ihr fehlen: Uschi Schmitz und ihr Mann Willy (in der Backstube) führen das Café Ludwig gemeinsam. Foto: Ulrike Müller
Es wird ihr fehlen: Uschi Schmitz und ihr Mann Willy (in der Backstube) führen das Café Ludwig gemeinsam. Foto: Ulrike Müller
Das Café Ludwig liegt in der Fußgängerzone zwischen Brillen Voigt und der Puppenklinik. Foto: Ulrike Müller
Das Café Ludwig liegt in der Fußgängerzone zwischen Brillen Voigt und der Puppenklinik. Foto: Ulrike Müller
 
Diese Postkarte aus den 1930er Jahren zeigt die Ludwigstraße. Das heutige Café Ludwig befindet sich in dem Haus mit der Bank davor. Foto: Archiv Uschi Schmitz
Diese Postkarte aus den 1930er Jahren zeigt die Ludwigstraße. Das heutige Café Ludwig befindet sich in dem Haus mit der Bank davor. Foto: Archiv Uschi Schmitz
 
Edith und Johannes Faßnacht eröffneten im Juni 1953 das Café Faßnacht. Foto: Archiv Uschi Schmitz
Edith und Johannes Faßnacht eröffneten im Juni 1953 das Café Faßnacht. Foto: Archiv Uschi Schmitz
 
So sah das Café Faßnacht in den 1950er Jahren aus. Foto: Archiv Uschi Schmitz
So sah das Café Faßnacht in den 1950er Jahren aus. Foto: Archiv Uschi Schmitz
 
Uschi Schmitz mit ihrer Mutter Edith Faßnacht; Foto: Archiv Uschi Schmitz
Uschi Schmitz mit ihrer Mutter Edith Faßnacht; Foto: Archiv Uschi Schmitz
 

Seit 67 Jahren besteht das Café Ludwig - früher Café Faßnacht - in der Fußgängerzone. Zum neuen Jahr treten Uschi und Willy Schmitz ihren Ruhestand an.

Ein Café mit Tradition schließt zum Jahresende. Bekannt ist es vielen Einheimischen noch als Café Faßnacht. Im Juni 1953 machten sich der Bäckermeister Johannes Faßnacht und seine Frau Edith selbstständig. "Es gab keine Diskos, es gab keine Eisdielen. Das Vereinsleben hat sich in den Lokalen abgespielt", beschreibt Tochter Uschi Schmitz den Stellenwert, den das Café einst hatte.

Als 17-Jährige floh ihre Mutter aus Pommern, erinnert sich Uschi Schmitz. Sie kam erst nach Wildflecken, fand dann Arbeit in Bad Brückenau. "Ihre Chefin war eine herzensgute Frau. Sie schickte meine Mutter zum Faschingsball ins Hotel Post." Legendär waren diese Zusammenkünfte. Als die junge Frau ihrer Vorgesetzten berichtete, mit wem sie getanzt hatte, war die Unsicherheit zunächst groß. "Ich glaube, der hat mich veräppelt", habe ihre Mutter damals gesagt. "Er hat gesagt, er heiße Faßnacht. Und heute ist Rosenmontag."

Doch der Name war echt, und die Sympathie des jungen Mannes auch. Jedenfalls blieben die beiden zusammen, heirateten und arbeiteten zunächst beide in der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik in Ludwigshafen am Rhein. "Mit dem Ersparten machten sie sich selbstständig", erzählt Schmitz. Das Café ist so alt wie sie selbst. 1954 wurde noch ein Bruder geboren.

Sie habe nie vorgehabt, das Geschäft zu übernehmen, blickt Uschi Schmitz zurück. Sie wusste ja, was das heißt: Schon als junges Mädchen habe sie angepackt. Weil Großmutter und eine Tante im Haus wohnten und für Haushalt und Kinder sorgten, habe sich ihre Mutter ganz auf das Café konzentrieren können. "Wir hatten keinen Ruhetag, wir hatten keinen Urlaub", sagt sie. Die letzten Gäste seien regelmäßig erst um Mitternacht gegangen.

Pflastersteine zum Essen

Die Tochter ging zunächst zur Main-Post, später arbeitete sie im heutigen Hotel Sonnenhügel in Bad Kissingen. Dort traf sie ihren Mann Willy. Er war Hotelkaufmann, später Autoverkäufer. Seine Eltern waren auch selbstständig wie ihre, das lag ihm im Blut. Daher wollte er sich unbedingt selbstständig machen. Wie der Zufall es so wollte, war mit 33 Jahren eine Umschulung zum Bäcker möglich. Es folgte die Meisterprüfung. Am 6. Juni 1995 übernahm das Paar das Café von den Eltern Faßnacht. Fortan hieß es Café Ludwig. Noch immer traf sich hier, was Rang und Namen hatte. Viele Neuigkeiten des Stadtgeschehens wussten die Schmitz' wohl zuerst.

Willy Schmitz ist es auch, der die Bad Brückenauer "Pflastersteine" erfunden hat. Als 1996 die Fußgängerzone eingeweiht wurde, wollten er etwas Besonderes beitragen. Er entwickelte das Rezept, probierte es aus und schickte die erste Ladung ins Rathaus. Der damalige Bürgermeister Hans Rohrmüller habe gleich etliche für die Feierlichkeiten geordert, erinnert sich seine Frau. Der feste Kuchen in Form eines Quaders ist mit Schokolade überzogen. Nie hätten die beiden gedacht, dass ihre Idee so gut ankommt. Bis heute gibt es die Pflastersteine im Café Ludwig zu kaufen.

Zweite Welle gab Anstoß

Ist das Café ihr Lebenswerk, tut der Abschied weh? Ja, antwortet Schmitz auf beide Fragen schlicht. Dass auch der schleichende Niedergang der Fußgängerzone sie ins Mark getroffen hat, lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen. Die Bewegung in der Stadt sei nach und nach zurückgegangen. "Es fing an, als der Neukauf aus der Stadt weg war", erinnert sie sich. Das dafür neu gebaute Rhön-Center an der Sinn hat einen großen Parkplatz. Die Leute steigen wieder in ihre Autos ein, sobald sie ihren Einkauf erledigt haben.

Auch die Verschönerung der Gassen in der Innenstadt habe das Leben nicht zurückgebracht, blickt Schmitz zurück. Zuletzt habe sie die Eröffnung des Fachmarktzentrums in der Sinnaustraße deutlich gespürt. Seitdem schlossen - schon vor Corona - etliche Geschäfte. Nun macht das Café Ludwig auch zu. "Wir haben ja schon länger mit dem Gedanken gespielt", sagt Schmitz. Die zweite Welle der Pandemie sei zwar nicht der Grund für die Entscheidung, habe doch aber den letzten Anstoß gegeben, den Schritt zu gehen.

Letzter Stammtisch verwaist

Die Gymnastikgruppe der Männer vom TV ist der letzte Stammtisch, der vor dem Lockdown noch regelmäßig dreimal pro Woche ins Café Ludwig kam. "Wir haben viele gute und treue Stammkunden", erzählt Schmitz. Während sie redet, öffnet sich immer wieder die Tür. Süße Teilchen, Stollen oder eine Tasse Kaffee sind auch im Lockdown gefragt. Schmitz kennt fast alle Kunden mit Namen.

Mit dem Ruhestand schließt sich wohl auch dieses Kapitel Bad Brückenauer Geschichte für immer. "Silvester machen wir noch", sagt Uschi Schmitz. Auch das Weihnachtsgeschäft laufe langsam an, auch ohne Cafébetrieb. Für eine Nachfolge seien sie durchaus offen. Interessenten, die vor der Corona-Pandemie das Gespräch gesucht hatten, hätten ihr Vorhaben inzwischen zurückgezogen.

Wo ein Abschied ist, kommt etwas Neues. Uschi und Willy Schmitz sind frisch gebackene Großeltern. Sie freuen sich, dass sie bald mehr Zeit für ihre Enkeltochter haben. Sie wollen sich im Garten ans Werk machen und in der Rhön wandern gehen - und zwar nicht nur dienstags, wenn nicht nur das Café Ludwig sondern auch etliche Berghütten ihren Ruhetag haben.